Spengler Cup feiert sein 100-Jähriges

25.12.2023 - Von Martin Merk

Wer hätte das vor 100 Jahren gedacht? Der 1923 vom Davoser Arzt Carl Spengler gestifteten Spengler Cup wird 2023 nur 95. Mal vergeben. Europäische Clubturniere auf höchstem Level kamen und gingen in dieser Zeit, doch der Spengler Cup blieb bestehen und blüht zu seinem Jahrhundert-Jubiläum.

Mit seiner langen Geschichte hat sich der Spengler Cup zum ältesten internationalen Eishockeyturnier etabliert. Damals wollte Spengler seinen Beitrag zur Völkerverbindung nach dem 1. Weltkrieg mittels Sport beitragen und Eishockey-Mannschaften der wenige Jahre zuvor verfeindeten Ländern zusammenbringen. Neben dem zwei Jahre zuvor gegründeten HC Davos spielten der Berliner SC, der Wiener EV und der spätere Sieger, die Oxford University aus Grossbritannien.

Der bekannteste Spieler war der Kanadier Lester B. Pearson von Oxford. Nach Kanada reisende Hockeyfans werden diesen Namen aber nicht in Hockeyruhmeshallen gehört haben, sondern etwa als Namenspatron des internationalen Flughafens von Toronto. Pearson war nämlich von 1963 bis 1968 Premierminister Kanadas und erhielt 1957 den Friedensnobelpreis. In Europa weilte er als Student im britischen Oxford.

Nobelpreisträger gab es zwar später keine mehr, dafür Top-Mannschaften aus dem Norden, Osten und Westen sowie ab den 80er-Jahren das Team Canada. Auch heute vermag das Davoser Turnier Top-Mannschaften aus Europa in die Höhenluft des Kantons Graubünden zu locken. Für die Hoteliers ist die Zeit um den 26. bis 31. Dezember neben dem World Economic Forum heute die zweitwichtigste Zeit des Jahres. Dann, wenn sich neben den Ski- und Snowboardfahrern auf den Pisten auch Top-Eishockeymannschaften messen.

Der Spengler Cup ist keine WM und kein Playoff-Finale. Im Vergleich zur Champions Hockey League gibt es auch keinen sportlichen Schlüssel zur Teilnahme. Man muss eingeladen werden. Auch geht es nicht um «Leben und Tod». Neider mögen das Turnier daher hie und da auch als «Grümpelturnier» bezeichnen. Trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – gehört das Turnier zum Highlight des Schweizer Eishockeys mitten in der Saison. Es kann freier gespielt werden wie zu alten Zeiten. Ein locker-flockiger 6:5-Sieg mit taktischem Freiraum ist ein typischeres Spengler-Cup-Resultat als ein mit Verteidigungswallen erknorztes 1:0. Neben dem Eis erfreuen sich Fans verschiedener Mannschaften in Festtagsstimmung dem etwas anderen Eishockeyspektakel und in den Logen wird es ein gesellschaftlicher Event mit Prominenz aus Sport, Politik und Wirtschaft. Und ja, weisse Weihnachten gibt es im Gegensatz zum Unterland auch noch.

Dank Ausstrahlungskraft, Tradition und Vernetzung, aber auch der nachweihnachtlichen Winterkurortatmosphäre in der rustikalen Davoser „Eishockeykathedrale“ und im Städtchen selbst vermögen die Organisatoren Top-Teams zu holen. Auch in den Jahren nach 2009, als die russische KHL sich von der Champions Hockey League abgrenzte und sich als zu gut befand, kamen jeweils Teams aus der KHL zum Kräftemessen mit dem «Westen» nach Davos wie schon zu Zeiten der Sowjetunion – eine Partnerschaft, die nach dem Einmarsch in die Ukraine vor knapp zwei Jahren zwar auf Eis gelegt ist, gleichzeitig aber für das Renommee spricht.

Ein Spengler Cup in Davos ist so einzigartig wie eine Junioren-WM in Kanada, die im Mutterland von mehr Menschen verfolgt wird als die zeitgleich stattfindenden NHL-Spiele. Die Turniere sind Teil einer nachweihnachtlichen Tradition, geniessen ein bisschen Kultstatuts und Heimatschutz zugleich. Etwa wenn es um die in den kommenden Jahren wieder angesagten Diskussionen um eine Pause in der National League gehen wird während dieser Zeit.

Viele Menschen in der Schweiz sind über den Spengler Cup überhaupt in Kontakt mit Eishockey gekommen, denn die Spiele werden seit Jahrzehnten vom Schweizer Staatsfernsehen übertragen. Zu Zeiten als man Fernsehsender an einer Hand abzählen konnte, flimmerte dann in der Altjahreswoche jeweils der Spengler Cup in den Restaurants und Schaufenstern des ganzen Landes. Medienvielfalt und Alternativen sind 2023 natürlich grösser, doch gerade weil die heimische Liga durch einen Multimillionenvertrag hinter Zahlschranken übertragen wird, bleibt die Präsenz im frei empfangbaren Fernsehen ein Trumpf und Markenzeichen.

Seit den 80er-Jahren hat sich der HC Davos auch durch einige gute Entscheidungen gestärkt. Das Team Canada als eine Art All-Star Team der gerade damals in der NLA dominanten kanadischen Importspieler bringt ebenso zusätzliche Fans anderer Clubs wie die drei Verstärkungsspieler pro Team sowie die Erweiterung auf sechs Mannschaften mit einem zweiten Schweizer Team. Gleichzeitig gibt es mehr Erholungszeit für die Spieler.

Als Titelverteidiger nimmt HC Ambri-Piotta erneut teil. Der Tessiner Club, der mit seinen leidenschaftlichen Fans die Halle zum Beben bringt, ist ein Gewinn für das Turnier und schliesslich wie der HCD ein «Bergclub». Spannend ist jeweils, welche Teams aus anderen Ländern eingeladen werden neben den beiden Schweizern und dem Team Canada. Meist sind es Top-Teams aus europäischen Ligen, doch es gab auch schon Nationalmannschaften oder das AHL-Team Rochester Americans.

Dieses Jahr kehrt KalPa Kuopio zurück, welches das Turnier 2018 als Aussenseiter gewinnen konnte und als einzige finnische Mannschaft überhaupt, obwohl es nicht an grossen Namen gemangelt hat. Mit Dynamo Pardubice kommt ein Club aus Tschechien, der ebenfalls sein 100-Jahre-Jubiläum feiert und damit bestens zum Teilnehmerfeld passt. Ebenfalls mit dabei ist Frölunda. Der Club aus Göteborg zählt mit seinen vier CHL-Titeln in den letzten Jahren zweifellos zu den Riesen im europäischen Eishockeygeschäft, als grosse NHL-Talentschmiede und damit automatisch zu den Favoriten des mit Spannung erwarteten Turniers. Auch dass die Junioren-WM in den beiden Göteborger Hallen stattfindet, half Frölunda bereits vor knapp einem Jahr für den Spengler Cup zu verpflichten.

Nicht vergessen darf man im Rennen um die Favoriten aber natürlich das Team Canada, das zwar erst seit 1984 teilnimmt, mittlerweile aber mit 16 Erfolgen bei 37 Teilnahmen Rekordsieger des Spengler Cups ist nach den vier Siegen zwischen 2015 und 2019. Die Kanadier (und ihre Familien) lieben die Teilnahme im Davoser «winter wonderland» und Davos feiert dieses Jahr die Rückkehr des legendären Joe Thornton, der nach seinem offiziellen Karrierenende in der NHL als General Manager des Team Canadas an seine frühere Wirkungsstätte und Heimat seiner Ehefrau zurückkehrt.

Doch am liebsten wollen die meisten Fans in Davos natürlich den HCD erstmals seit 2011 ihr Heimturnier gewinnen sehen. Das ist schon derart lange her, dass bis auf Andres Ambühl kein HCD-Spieler einen Spengler-Cup-Sieg im Palmarès hat. Ob es diesmal klappt?

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Feier in den Bergen


Letztmals gewann der HC Davos sein Heimturnier 2011 im Finale gegen den lettischen KHL-Vertreter Dinamo Riga. Foto: Christoph Perren


Der HC Ambrì-Piotta kommt als Titelverteidiger nach Davos. Im Vorjahr besiegte er Sparta Prag im Finale. Foto: JustPictures.ch / Jari Pestelacci