Frauen-WM 2024 – eine Bilanz
Die Bilanz nach einem intensiven, 12-tägigen Turnier in den USA fällt aus Schweizer Sicht durchzogen aus. Die Leistungssteigerung während dem Turnier und die Tatsache, dass einige sehr junge und talentierte Spielerinnen ins Team eingebaut wurden, lässt für die Zukunft hoffen.
Da aber die anderen europäischen Nationen, allen voran Tschechien aber z.B. auch Deutschland, riesige Schritte vorwärts machen konnten, müssen sich die Verantwortlichen beim Verband Gedanken machen, wie sie die Nati in der Weltspitze halten wollen. Die Nati profitiert seit Jahren, dass wir in der Weltrangliste gut positioniert sind und deshalb bei diesem speziellen Turniermodus immer für den Viertelfinal gesetzt sind. Das wird auch bei der nächsten WM noch so sein, obwohl die Schweiz im neu erscheinenden Ranking 2024 vom dritten auf den fünften Platz zurückfallen wird, aber natürlich nicht für immer. Ausserdem ist vieles immer noch nicht professionell organisiert. Viel hängt noch von Personen ab, welche mit viel Herzblut, persönlicher Freizeit und ohne richtige monetäre Entschädigung ihren Einsatz zu Gunsten der Nati leisten. Nicht nur bei der WM – während dem ganzen Jahr. Aber das ist allgemein im Schweizer Fraueneishockey momentan Usus (mit gewissen Ausnahmen beim EV Zug und HC Davos). Der Schlüssel dürfte also auch in der Stärkung der Women’s League liegen.
Auch Coach Colin Muller sieht Handlungsbedarf: «Wenn wir besser und stärker werden wollen, braucht es mehr Spielerinnen, welche im Eishockey-Alltag mehr gefordert und gefördert werden. Sei es in der heimischen Women’s League oder im Ausland (Nordamerika oder Schweden). Der Schlüssel wird aber sein, dass alle Mädchen/Frauen wenigstens Teilzeit angestellt werden und so Zeit haben für ein gutes, intensives Training auf und neben dem Eis.»
Das Turnier
Zuletzt war man 2019 so schlecht klassiert. Man hatte die letzten drei Weltmeisterschaften und bei Olympischen Spielen immer den Halbfinal erreicht. Die Spiele gegen die grossen Nationen USA und Kanada waren gut und die Spielerinnen verkauften ihre Haut teuer, für einen Exploit reichte es jedoch nicht. Aber das ist ja bekanntlich allgemein eine Schweizer Stärke, gegen Favoriten mitzuhalten. Gegen die vermeintlich gleich starken Gegnerinnen (Tschechien, Finnland) klappte es nicht so gut. Man vergass das einfache Spiel und die eigenen Stärken und liess dem Gegner zu viel Eis. Ausserdem waren die jeweils sehr frühen Gegentreffer ein grosses Problem (37 Sek. gegen Tschechien, 42 Sek. gegen Finnland und 70 Sek. gegen Kanada). Einzig im Viertelfinal konnte man selbst in Führung gehen.
Die Stimmung im Team war aber jederzeit sehr gut und man spürte den Siegeswillen der jungen Frauen. Einzig die Umsetzung auf dem Eis klappte nicht immer ganz wie gewünscht. Aber man kämpfte bis zum Schluss. Und mit dem Sieg gegen Deutschland und der Sicherung des fünften Platzes und dem Verbleib in der oberen Gruppe A gab es doch einen versöhnlichen Abschluss.
Coach Colin Muller zieht wie folgt Bilanz:
«Mit dem Turnier können wir am Schluss glücklich sein. Wir haben gegen Kanada und USA sehr gut gespielt und auch gegen Finnland einen halben Match. Gegen Tschechien war es nicht so gut. Im Viertelfinal hätte ich vom Team ein wenig mehr erwartet. Aber gegen Deutschland haben wir, welches eine Turniermannschaft ist und auch riesige Fortschritte gemacht hat, nochmals super gekämpft und dank der Weltklasse von Alina Müller gewonnen.»
«Mit dieser jungen Mannschaft war es eine Herausforderung. Sowieso sind es die meisten nicht gewohnt, innert kurzer Zeit so viele Partien spielen zu müssen. Dann bekommen wir mental und physisch auch eher mal Probleme. Leider stehen uns einfach nicht mehr Spielerinnen zur Verfügung, welche auf diesem Niveau einigermassen mithalten können. Und mit dem Spielermaterial, welches vorhanden ist, müssen wir innert 5-6 Tagen eine starke Truppe bilden, welche plötzlich auf Weltklasselevel mithalten sollte. Nicht so einfach und auf die nächsten Jahre gesehen nicht realistisch. Während andere Nationen dauernd Fortschritte machen, sind wir eher stehengeblieben.»
«Aber nochmals, ich bin stolz auf alle Spielerinnen und was sie die letzten 3 Wochen geleistet haben.»
Captain Lara Stalder:
«Wir sind sehr stark ins Turnier gestartet. Gegen die zwei grossen (USA und Kanada) waren wir defensiv gut und auch im Spiel ohne Puck haben wir vieles richtig gemacht. Danach kamen Spiele, welche nicht so optimal liefen. Vor allem im Powerplay haben wir leider Schwächen gezeigt.» «Wir hatten immer eine positive Teamstimmung. Das war nicht so einfach, durften wir doch einige neue junge Spielerinnen mitnehmen, welche zum ersten Mal bei so einem Event waren. Und dann mussten sie gleich gegen die besten vier Teams der Welt antreten und wir verloren viermal. Nicht so easy… Da wir das ja im Vorfeld schon wussten, konnten wir uns entsprechend organisieren. Wir haben versucht den Alltag möglichst abwechslungsreich, mit coolen Aktivitäten oder sonstigem neben dem Eis zu gestalten. Und natürlich hat unser Staff, allen voran Colin Muller uns mental immer aufgebaut und sehr gut auf die Gegner eingestellt. Die Voraussetzungen hier in Utica waren hervorragend. Unterkunft, Garderobe, Trainingsmöglichkeiten etc. haben einfach gepasst. Ich denke, es war für alle eine gute, positive Erfahrung.»
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An der Schweizer Bande
Colin Muller, der Trainer der Schweizer Frauennationalmannschaft, gibt seinen Spielerinnen anweisungen. Foto: Simon Wüst