TV-Berichterstattung: Davos top, Ambrì flop

17.12.2012 - Von David Leicht

Die Spielzusammenfassungen des Schweizer Fernsehens SRF zeigen grosse Differenzen auf betreffend Sendezeiten der verschiedenen NLA-Klubs im deutschsprachigen Programm. Dies ergab eine statistische Auswertung der bisherigen Spielzusammenfassungen in der NLA. Neben einer verständlicherweise überdurchschnittlichen Berichterstattung über Deutschschweizer Clubs fallen vor allem zwei Tatsachen auf: Der HC Davos schwingt oben auf, der HC Ambrì-Piotta sackt klar ab.

Die Auswertung

Die erstellte Analyse umfasst 177 von 300 Spielen der NLA-Qualifikation 2012/13 (entspricht 59%). Analysiert wurde, wie viel Sendezeit jeder NLA-Klub auf den deutschsprachigen Kanälen von SF bekommt (Total Sendezeit, Anzahl Berichte über 4 Minuten und Anzahl Berichte unter 2 Minuten). Des weiteren werteten wir aus, wie oft über ein beliebiges Spiel eines NLA-Klubs „normal“ berichtet wurde, und wie oft im sogenannten „Update“ (Kurzformat, in dem nur Tore gezeigt werden). Eine Statistik sagt nur etwas aus im Rahmen dessen, was auch gemessen wird und darum ist jede Statistik nur begrenzt aussagekräftig. Unsere Statistik deckt nur den Bereich TV von SRF ab, sprich TV-Berichterstattung der NLA in der Deutschschweiz, und das auch nur für den oben genannten Zeitraum.

Die Resultate

Die detaillierten Resultate sind in der untenstehenden Tabelle „Hauptresultate“ aufgeführt. Am meisten Sendezeit im Durchschnitt bekommt der HC Davos mit 4 Minuten 40 Sekunden pro Runde, dicht gefolgt vom SC Bern (4 Minuten 19 Sekunden) und dem EV Zug und den ZSC Lions (4 Minuten 15 Sekunden). Am unteren Ende der Tabelle befinden sich hauptsächlich die Klubs aus dem Tessin und der Romandie, sowie den SCL Tigers. Klar am wenigsten Zeit bekommt im Schnitt der HC Ambrì-Piotta (2 Minuten 30 Sekunden), gefolgt vom HC Fribourg Gottéron (3 Minuten 14 Sekunden), den SCL Tigers (3 Minuten 21 Sekunden), dem HC Lugano (3 Minuten 28 Sekunden) und Genf-Servette HC (3 Minuten 41 Sekunden).

  Dauer
Bericht
Wahrsch.
langes Format
Wahrsch.
> 4 Min.
Wahrsch.
< 2 Min.
HC Davos 4.67 90% 59% 3%
SC Bern 4.32 80% 73% 10%
EV Zug 4.25 71% 61% 7%
ZSC Lions 4.24 83% 52% 10%
Rapperswil-Jona 4.20 77% 55% 6%
Kloten Flyers 4.01 70% 47% 17%
EHC Biel 3.85 60% 50% 10%
Genf-Servette 3.69 66% 45% 21%
HC Lugano 3.46 43% 30% 20%
SCL Tigers 3.35 48% 37% 26%
Fribourg 3.24 48% 38% 21%
Ambrì-Piotta 2.50 27% 10% 37%


SF sendet Eishockey-Zusammenfassungen in jeweils zwei Formaten. Eine vollständige Berichterstattung über ein Spiel, wir nennen es ein „Normalbericht“, umfasst Tore, Chancen, zum Teil Interviews und sonstige erwähnenswerte Ereignisse. Neben diesen Berichten gibt es auch noch die „Updates“ („Kurzberichte“), in denen (allermeist) nur die Tore eines Spieles zu sehen sind. „Normalberichte“ sind in der Regel mindestens doppelt so lange wie „Updates“. Unsere zweite Auswertung hat gemessen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass von einem NLA-Klub ein „Normalbericht“ gezeigt wird. Auch diese Statistik wird vom HC Davos mit 90% angeführt, gefolgt von den ZSC Lions mit 83% und dem SC Bern mit 80%. Am unteren Ende der Statistik sind wiederum hauptsächlich die Klubs aus dem Tessin und der Romandie auszumachen: Der HC Fribourg Gottéron und die SCL Tigers (beide mit 48% Wahrscheinlichkeit), der HC Lugano (43%) und wiederum klar auf dem letzten Platz der HC Ambrì-Piotta mit abgeschlagenen 27%.



Unsere dritte Analyse bezog sich auf die jeweilige Berichtlänge über 4 Minuten und unter 2 Minuten. Die grösste Wahrscheinlichkeit auf einen Bericht mit über 4 Minuten Länge hat der SC Bern mit 73%, gefolgt vom EV Zug mit 61% und dem HC Davos mit 59%. Die hinteren Plätze belegen der HC Lugano mit einer Wahrscheinlichkeit von 20% und der HC Ambrì-Piotta, bei welchem die Wahrscheinlichkeit auf einen Bericht über 4 Minuten gerade noch bei 10% ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bericht unter 2 Minuten lang ist, ist wiederum beim HC Davos am geringsten mit 3%. Der einzige Klub der ganzen NLA bei dem die Wahrscheinlichkeit auf einen Bericht unter 2 Minuten grösser ist als auf einen Bericht über 4 Minuten, ist wiederum der HC Ambrì-Piotta. Die untenstehende Grafik „Wahrscheinlichkeit von SF Bericht über 4 Min. / unter 2 Min“ verdeutlicht dies klar und zeigt auf, dass innerhalb der NLA markante Unterschiede in der Berichtlänge der Klubs auszumachen sind.



Das sagen die Betroffenen

Wir haben die Resultate mit direkt involvierten Parteien diskutiert, auf der einen Seite mit der Medienstelle der produzierenden SRF, zum anderen mit Sportchef Jean-Jacques Aeschlimann vom HC Ambrì-Piotta und mit Generaldirektor Raphael Berger vom HC Fribourg-Gottéron.

Generell versteht das Schweizer Fernsehen seine Aufgabe betreffend Berichterstattung gemäss der SRF-Medienstelle wie folgt: „Wir wollen in der Qualifikation alle Tore aller Spiele zeigen. Dies ist uns bisher auch gelungen. Über die Länge des Matchberichts wird nach programmlichen und journalistischen Gesichtspunkten entschieden. Wir bei SRF legen dabei natürlich das Schwergewicht auf die Deutschschweizer Klubs, bei RTS/RSI sind dies die welschen und Tessiner Vereine.”

Die SRF-Medienstelle verweist zudem auf die vielschichtige Berichterstattung, von der in unserer Statistik nur ein einziger Bereich (TV) erfasst ist: „Wir arbeiten seit diesem Jahr vollständig trimedial, das heisst, dass Radio DRS und unsere Multimediavektoren zentral in Zürich im Newsroom arbeiten und gemeinsam ein trimediales Programm mit TV, Radio und Online/SMS/Teletext/Social Media erstellen. Auch da wird koordiniert und es müssen nicht in allen Vektoren die gleichen Spiele und Klubs gleich gross behandelt werden, sondern hier wird ebenfalls in Gewichtung und Länge der Beiträge/Texte variiert.”

Auf die teils markanten Unterschiede zwischen den Berichterstattungen der verschiedenen Klubs angesprochen, äussert sich SRF: „Wir pflegen bei uns keinen Verein zu bevorzugen, respektive zu benachteiligen. Dass teilweise Matchberichte länger als geplant ausfallen, das hat damit zu tun, dass viele Tore fallen, was generell einfach mehr Zeit in der Berichterstattung generiert.”

Tatsächlich widerspiegelt die Statistik auch mehrheitlich die Tabellenlage der NLA, zumindest was die Deutschschweizer Klubs betrifft, und das gute Abschneiden von den Rapperswil-Jona Lakers, zum Beispiel, dürfte auf deren guten Saisonstart zurückzuführen sein. Die generierten Analysen suggerieren hingegen auch, dass neben den „programmlichen und journalistischen Gesichtspunkten“ und neben der Anzahl erzielten Tore, einige Klubs medienwirksamer zu sein scheinen als andere. Warum sonst würde der EHC Biel, der in dieser Saison über lange Zeit vor dem HC Davos klassiert war und auch, wie die Bündner, über sehr attraktive Lockout-Spieler verfügt, in allen Statistiken klar hinter den Bündnern klassiert sein (ein HCD-Bericht ist im Durchschnitt 21% länger als ein Spielbericht des EHCB, zudem ist die Wahrscheinlichkeit um 50% grösser, dass über ein HCD-Spiel ein „Normalbericht“ gesendet wird als bei einem Spiel des EHCB)?

Hingegen muss der neutrale Betrachter auch eingestehen, dass Erfolge von Klubs wie des HC Davos, SC Bern, EV Zug oder die ZSC Lions in den letzten Jahren sicherlich dazu beigetragen haben, dass diese Klubs die Sendezeiten-Statistiken anführen. Ist die Berichterstattung von SRF daher eine Konsequenz von solchen Leistungen, oder wäre es auch denkbar dass SF mit diesem Fokus auf erfolgreichere/“grössere“ Teams (teils entgegen deren Leistungen) die Medienwirksamkeit von solchen Teams weiter erhöht zu Lasten von anderen Teams? Der Fall des HC Davos ist unter diesen Gesichtspunkten besonders interessant. Die Bündner haben in dieser Saison bisher bestenfalls im unteren Mittelfeld mitgespielt, trotzdem führen sie die Statistiken der Sendezeiten klar an. Zudem wird auch in der Neujahreswoche während des Spengler Cups viel Sendezeit den Bündnern gewidmet.

Gibt es eine „HCD-Begünstigung“ bei SF? Nicht gemäss der SRF-Medienstelle, die das klar beste Abschneiden des HCD in den Statistiken wie folgt begründet: „Das ist ein absoluter Zufall, wie es ihn in jeder Saison geben kann (...) Die Erfolge des HCD in den letzten Jahren haben aber sicher dazu geführt, dass wir in grösserem Umfang über den Bündner Klub berichtet haben.” Auf den Spengler Cup angesprochen verweist die SRF-Medienstelle zudem auf die Tatsache, dass seit drei Jahren auch jeweils ein zweiter Schweizer Klub dabei ist, somit ist der Spengler Cup nicht eine einseitige Berichterstattung über den HCD.

Der von der SRF-Medienstelle angesprochene Fokus von SF auf Deutschschweizer Klubs wird in der Statistik deutlich: Die Tessiner und welschen Vereine bekommen bei TSI/RTS viel Sendezeit und dementsprechend weniger bei SF. Ein solcher Verein ist Fribourg-Gottéron. Fribourg liegt sozusagen „auf“ der Sprachgrenze und ist somit nicht ein rein welscher Verein und hat auch sehr viele Fans in der Deutschschweiz. Trotz diesen Tatsachen und sehr guten sportlichen Resultaten (momentaner Leader der NLA beim Zeitpunkt der Auswertung) ist Fribourg-Gottéron „unter dem Strich“ was die TV-Berichterstattung betrifft.

Gemäss Raphael Berger, Generaldirektor der Saanestädter, fühlt man sich aber dadurch nicht benachteiligt: „Natürlich zeigt die Statistik auf, dass wir in der Deutschschweiz weniger repräsentiert sind, dafür umso mehr auf RTS. Des weiteren ist eine solche Statistik vermutlich erst Ende Saison richtig aussagekräftig. Dann werden die Klubs, die schlussendlich auch weit kommen, dementsprechend abschneiden in der Statistik.“

Berger verweist uns auf eine Statistik von Medienbeobachter ZMS Monitoring Services AG, die aufzeigt, dass eine Analyse der Zuschauerzahlen auf SRF1, SRF2, RTS un, RTS deux, RSI LA1, RSI LA2 ergibt, dass Gottéron für den Zeitraum von September bis November 2012 knapp hinter den ZSC Lions und dem HC Davos den dritten Platz belegt. “Wir sind regelmässig in den Top-4 dieser Statistik, was gegenüber unseren (Werbe)Partnern klar den Wert und die Reichweite des Klubs aufzeigt.”

Weniger erfreut zeigte sich Jean-Jacques Aeschlimann, Sportdirektor des HC Ambrì-Piotta, als wir ihm unsere Resultate präsentierten: „Ich wusste schon, dass natürlich ein Unterschied zu Deutschschweizer Klubs besteht, aber war überrascht vom Ausmass dieser Differenz. Wir sind der einzige Klub mit einer Berichterstattung von unter 3 Minuten im Schnitt - auf die ganze Saison hinweg gesehen ist das ein markanter Unterschied.“

Aeschlimann bestätigt, dass eine Mehrheit der Ambrì-Sponsoren aus dem Tessin kommt und daher natürlich die Abdeckung durch RSI, wo beide Tessiner Klubs viel Sendezeit bekommen, prioritär ist. Trotzdem findet er, dass der Klub in der Deutschschweiz mehr Präsenz verdient hätte: „Rund ein Drittel unserer Fans kommen aus der Deutschschweiz - das Team hätte mehr Präsenz auf SF verdient, wenigstens im Rahmen der anderen Klubs. Das wäre fair gegenüber unseren Deutschschweizer Fans. Dies wäre auch ein wichtiger Schritt für uns im Bezug auf unsere Marketingstrategie, in der wir festgelegt haben, dass wir in Zukunft vermehrt in die Deutschschweiz vorrücken und uns dort besser etablieren wollen.“