Zu viel Kommerz schadet

18.2.2012 - Von Urs Berger

Die Europäer lieben ihr Eishockey wie es ist. Eine Vermarktung wie es die NHL in Nordamerika macht, wäre in Europa nicht denkbar. Der Sport steht im alten Kontinent zu sehr im Mittelpunkt, und nicht das Drumherum.

In einer Woche ging es von Bern nach New York und Toronto. Das Ziel: die NHL als Zuschauer zu erleben und aus erster Hand zu fühlen, wie die Zuschauer denken und was ein NHL-Spiel für einen neutralen Beobachter ausmacht. Bei diesem Experiment überwogen die kritischen Stimmen mehr, als die positiven. Kein Wunder. Denn die NHL ist zu sehr auf Kommerz ausgerichtet und in Nordamerika, anders als in Europa, steht das Spiel selber weniger im Zentrum des Interessens als hierzulande. Die Show auf dem Eis muss passen. Nicht aber das Produkt. So kann das Eishockey in Nordamerika nicht mit dem Produkt in Europa verglichen werden.

New York Rangers – Arroganz vor Herz

Steht man in Bern vor der PostfinanceArena und geht ein Spiel des SC Bern schauen, so hat man das Gefühl in einen Gefrierschrank einzutauchen. Anders im altehrwürdigen Madison Square Garden. Obwohl man vor den New York Rangers, ein Millionen-Club und Team der Original Six, steht, sieht und fühlt man von der Geschichte der Franchise wenig. Die Spieler der Rangers geben sich betont arrogant. Ihr Verhalten auf dem Eis kann von keinem Club aus der Schweiz überboten oder gar erreicht werden. Selbst der SC Bern, welchem manchmal Arroganz vorgeworfen wird, würde hier im Schatten stehen. Ein jeder Spieler strahlt Unnahbarkeit aus, welches sich auf die Zuschauer überträgt. Man konsumiert den Club und gibt sich zufrieden, wenn die Spieler das Pensum von 80 Spielen abspulen. Man fühlt weder Herzblut noch Freude an einzelnen Spielzügen der Rangers. Regelkenntnisse schienen den Fans des Clubs in Manhatten vollends zu fehlen. Anders sind die Fans der Schweiz. Diese fiebern mit ihrem Club mit und unterstützen diesen auch lauthals. All dies ist im Madison Square Garden nicht vorhanden. Fragend verlässt der stille Beobachter den Garden. Soll das die gelobte NHL gewesen sein?

Islanders schnuckelig und fein

Zwei Tage später besuchen wir Mark Streit und die New York Islanders. Nach einer nervenaufreibenden Fahrt hinaus aus Manhatten nach Long Island erreichen wir rechtzeitig die Halle der Islanders. Welch ein Kontrast! Umgeben von grossen Parkplatz-Flächen und viel Platz rund herum, scheint das Stadion angenehmer zu sein. Nichts von der alltäglichen Hektik in New York City. Beruhigend die Umgebung mit dem vielen Grün. Die Menschen nehmen sich Zeit und identifizieren sich auch mehr für Ihren Klub. Doch auch hier wird der Kommerz gross geschrieben. In den Spielunterbrüchen säubern die Ice Girls das Eis, welche selbstverständlich in knapper Bekleidung gehalten sind. Diese sind wohl eher zur Unterhaltung der männlichen Zuschauer denn der weiblichen angestellt worden. Auch die Pausenunterhaltung ist sehr auf die Crew der Ice Girls abgestellt. Das Spiel indes stösst auf mehr Interesse der Zuschauer. Und dennoch scheinen die Islanders, trotz attraktiven Eintrittspreisen, nicht richtig zu ziehen. Auch wenn der Gegner an diesem Donnerstag die renommierten Montréal Canadiens sind, bleibt die Halle weniger gut besucht. Auffallend ist auch hier, dass der Kommerz mehr zählt, als das Spiel selber.

Innerkanadisches Duell – Gute Stimmung

Als letztes Spiel haben wir uns ein innerkanadisches Spiel ausgesucht. Die Toronto Maple Leafs spielen gegen die Montréal Canadiens – eine der traditionsreichsten Rivalitäten im Eishockey. Auf dem Weg in das Air Canada Centre schlendern wir von der Union Station unterirdisch zum Stadion. Als wir die Türe aufstossen, empfängt uns auf der rechten Seite ein Basketball-Feld, auf welchem sich die Kinder im Körbeschiessen üben können und auf der linken Seite ist ein Eishockey-Feld zu sehen, auf welchem sich der Nachwuchs im Abschluss übt. Weiter vorne stossen wir auf einen grossen Fanshop. In diesem ist ein Gedränge, wie man es in Bern nur zu Zeiten des „Ziebelemärit“ erlebt. Draussen, in den Gängen des Air Canada Centres, sind die Verpflegungsstände in kurzem Abstand aneinander gebaut. Alles kann dort gekauft werden, was der Magen sich wünscht. Die Stimmung war, anders als in New York, gut. Man fühlte sich an einem Spiel und die Zuschauer waren sehr fachkundig. Trotz der Niederlage blieben die Anhänger untereinander friedlich und man nahm sich gegenseitig auf den Arm.

Spiele sind flau – Erwartungen zu hoch?

Das Spiel der Canadiens gegen die Leafs war trotz der Affiche eher flau denn unterhaltsam. Im Vordergrund steht auch hier das Konsumieren. Wäre nicht die Ehrung von Mats Sundin gewesen, man könnte keine einzige Szene nennen, welche das Prädikat sehenswert oder Weltklasse verdient hätte. Zu klar dominierten die Canadiens ihren Gegner. Nach dem Spiel stellen wir uns die Frage, ob wir vielleicht zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Vielleicht kann es auch sein, dass wir mit zu hohen Erwartungen an die Spiele gereist sind. Denn die NHL ist nicht mehr die Liga, die sie einmal war. Zu viel wurde verwässert, die sportliche Lücke zu den europäischen Ligen ist geschrumpft und zu viel wurde dem Element Show verschrieben. Ein Trend, welcher auch in der Schweiz langsam zu kommen scheint. Doch ob der Schweizer Anhang dies in der Zukunft noch weiter goutieren wird, steht in den Sternen. Sicher ist jedoch, dass in Europa ein Spiel noch ein Spiel ist und der Kommerz nicht zu sehr in den Vordergrund gestellt wird.