Hoffnung auf Ligaerhalt geht über Coach Wohlwend

6.9.2023 - Von Urs Berger

In der Ajoie wird Christian Wohlwend ein neues Betätigungsfeld antreten. Dieses ist anders als in Davos, als Wohlwend eine funktionierende Mannschaft übernommen hat. Er muss mit einer überalterten Mannschaft in die Saison starten und gleichzeitig im Hinterkopf haben, dass auf die Saison 2024/25 der grosse Umbruch beginnt.

Christian Wohlwend kann in der Ajoie vieles gewinnen. Aber noch mehr verlieren. Er kann sich zusammen mit Julien Vauclair in einem langsamen Aufbau als viertes Team der Westschweiz in der National League etablieren. Dazu braucht der Temperamentvolle Bündner eine schlagkräftige Mannschaft. In diesem Jahr ist der HC Ajoie dazu noch nicht fähig.

Als Christian Wohlwend beim HC Davos gehen musste, ging dies nicht in ohne Nebengeräusche ab. Es wurde gemunkelt, dass Jan Alston diesen Wechsel forciert hat. Die Frage ist nur, ob er mit Josh Holden den richtigen Mann für den HC Davos verpflichtet hat. Dies dürfte indes Wohlwend egal sein. Im Jura kann er sich wieder seiner Kernkompetenz widmen. Dem Ausbilden und Weiterentwickeln von Spielern. Wenn dann der Umbruch in der Ajoie eingeleitet ist.

In Julien Vauclair hat Wohlwend einen Vorgesetzten, der ihm viel Zeit lassen wird. Dies braucht der Klub auch. Nach Jahren in der Swiss League muss Vieles neu aufgebaut werden. Dies kann einige Jahre in Anspruch nehmen; vor allem weil in der Ajoie ein Umbau des Kaders beginnen muss. Nur der Meister aus Genf hat ein höheres Durchschnittsalter des Kaders als die Jurassier - 29.18 Jahre. Gleichzeitig ist das Kader auch der zweitschwerste nach dem Lausanne HC. Zieht man die Erfahrungswerte der Spiele in der National League heran, stehen die Ajoulots auf dem zweitletzten Platz vor dem EHC Kloten. Dies alles wirft Fragen auf. Fragen, welche in dieser Saison beantwortet werden müssen. Kaum ein neuer Spieler wird in die Ajoie geholt werden können, um gegen den Abstieg zu spielen.

Wichtig ist für Wohlwend, dass er von Beginn an eine klare Linie hat. Dass er diese auch gegenüber den Spielern durchsetzen kann, hat er schon in Davos und mit der U20-Nationalmannschaft bewiesen. Nicht umsonst haben sich die einen oder anderen Spieler über seine direkte und oft auch verletzende Art geäussert. Wobei dies auch immer auf die Perspektive, die ein Spieler einnimmt, ankommt. Sicher ist, dass Wohlwend eines nicht mag: nicht alles für den Erfolg geben oder sich nicht an seine Vorgaben halten.

Womit wir bei den Sensibelsten in diesem Sport sind. Die Torhüter. Tim Wolf wird keine Probleme mit Wohlwend haben. Er ist robust genug, um sich nicht unterkriegen zu lassen. Der Zürcher ist auch gestählt aus dem Auf- und Abstiegskampf und kann in den Playouts einer der wichtigsten Einzelspieler werden. Seinen Wert zeigte der Torhüter im letzten Jahr. Mit einem Durchschnitt von 3,29 Gegentoren in 30 Spiele in der Qualifikation und einer markanten Steigerung in der Ligaqualifikation auf 1,62 Gegentore pro Spiel.

Mit Damian Ciaccio hat Ajoie eine klare Nummer zwei. Nicht nur statistisch gesehen ist Ciaccio die Nummer zwei. In den Spielen wirkt er oft zerbrechlich und nach einem Gegentor verlor er öfters den Fokus. Ciaccio hat noch einen bis 2025 laufenden Vertrag in der Ajoie. Ob dieser indes erfüllt wird, steht in den Sternen. Mit derselben Leistung des letzten Jahres dürften wohl die Signale auf Abschied gestellt werden. Nicht nur weil ein neuer Trainer an der Bande steht.

Noah Patenaud dürfte an der Position von Ciaccio in der Ajoie kratzen. Der junge und talentierte Schlussmann wuchs beim EHC Biel zu einem stabilen Torhüter, ehe er sich für einen Wechsel in die kanadische Juniorenliga QMJHL zu den Saint John Sea Dogs entschied. Zu Beginn bekundetet er Mühe und musste Lehrgeld zahlen. In seiner letzten Saison konnte er indes solider werden und hatte eine Fangquote von 91,4 Prozent. Diese bestätigte er in der letzten Saison bei den Ticino Rockets in der Swiss League mit 92,5 Prozent. Damit scheint der Kampf um die neue Nummer zwei eröffnet zu sein.

In der Verteidigung wird der HC Ajoie ein anderes Gesicht zeigen als dies in der Vergangenen Saison der Fall war. Mit Jannik Fischer (Ambrì), Joel Scheidegger (Fribourg), Adam Rundqvist (Thurgau) und Éric Gélinas (Bern) stossen vier neue Spieler zu den Jurassiern. Vor allem Fischer und Gélinas verleihen der Abwehr neue Impulse. Mit Alain Birbaum, T.J. Brennan, Kevin Fey und Thomas Thirry sind wichtige Eckpfeiler geblieben. Mit diesen Spielern kann Wohlwend an guten Abenden die Gegner wohl zur Verzweiflung bringen. Interessant wird zu sehen sein, welche von den zehn Verteidigern der Trainer des Öfteren aus der Aufstellung streichen wird. Am ehesten könnte dies Valentin Pilet und Bastien Poully treffen. Somit ist auch gesagt, dass Wohlwend mehrheitlich mit acht Verteidigern agieren wird oder Rundqvist in Angriff beordert.

Im Sturm gingen Martin Bakos (unbekannt) und Ian Derungs (Biel). Vor allem bei Derungs könnte sich sein Abgang als Eigentor für die Ajoulots weisen. Für den defensiv ungenügenden Bakos wurde von Lausanne Daniel Audette geholt. Der amerikanisch-kanadische Doppelbürger gewann mit Lukko Rauma vor zwei Jahren die finnische Meisterschaft und gilt als defensiv verlässlicher Center.

Kopfzerbrechen dürfte Wohlwend die beiden «unzertrennlichen» Partner Philip-Michael Devos und Jonathan Hazen bereiten. Beide sind, wie Bakos, defensiv nachlässig, füllen aber nach vorne die Netze. Soll er sie also zusammenlassen oder trennen und mit jeweils einem defensiv ausgerichteten Partner spielen lassen? Diese Frage könne ein entscheidender Punkt für den HC Ajoie sein. Mit Frédérik Gauthier und Guillaume Asselin stehen Wohlwend zwei weitere Kanadier zur Verfügung, die Tore schiessen können. Und müssen. Den ansonsten scheint es düster zu sein.

Natürlich verfügten die Jurassier mit Gergory Sciaroni, Ueli Huber, Kevin Bozon und Reto Schmutz auch Schweizer Torschützen. Die Frage ist indes, können sie über eine Rolle in der dritten Linie kommen und die nötige Verantwortung übernehmen?

Wie in der Verteidigung hat Wohlwend auch im Sturm die Qual der Wahl. Auch hier drängt sich die Frage auf, wer von den 15 Stürmern das Spiel von der Tribüne aus sehen werden. Lässt der Coach mit acht Verteidigern spielen, wird es drei Spieler treffen. Aus dem Quartett Gilian Kohler, Lilian Garessus, Kevin Bozon oder Matteo Romanenghi wird der Trainer einen glücklichen wählen, der mittun kann.

Für die Jurassier steht in diesem Jahr erneut der Gang in die Ligaqualifikation oder zumindest in die Playouts an. Interessant ist, dass das Kader sehr tief ist und Coach Wohlwend die Option hat, dem einen oder anderen Spieler eine «Denkpause» bei fehlender Leistung zu verpassen. Dies heizt wiederum den Kampf um die Plätze in der Aufstellung an, was zur Verbesserung der Trainingsqualität führen dürfte. Gleichzeitig kann aber der Unmut der Spieler, die nicht aufgeboten werden für das Team, zum Problem werden. Julien Vauclair wird sicher während der Meisterschaft den einen oder anderen Transfer vornehmen müssen. Nicht um Wohlwend zu stärken, sondern um der Mannschaft zu zeigen, dass er, wie sein Trainer, bedingungslosen Einsatz verlangt.

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