WM mit gemischten Erwartungen

9.5.2024 - Von Martin Merk

Nach neun Jahren kehrt die WM zurück, wo der Zuschauerrekord erstellt wurde: Prag und Ostrava in Tschechien. Die Schweiz tritt mit einem guten Kader und gemischten Erwartungen an in einer Weltmeisterschaft begleitet von Enthusiasmus auf den Rängen.

Als Topfavorit starten die Schweizer nicht in die Gruppe. Kanada und Finnland, die Nummern 1 und 2 der Weltrangliste, sind in der Prager Gruppe topgesetzt. Aufgrund der Resultate der vergangenen Jahre ist die Messlatte zumindest für die Gruppenphase trotzdem hoch angesetzt. Letztes Jahr waren die Schweizer Erster mit sechs Siegen in sieben Spielen, 2022 gewannen sie alle Spiele, 2021 waren sie Zweite mit fünf Siegen.

Etwas gedämpft wurden die Erwartungen durch die lange Niederlagenserie in der Saison. An der Euro Hockey Tour schaute nur ein Sieg im letzten der zwölf Spielen heraus. In der WM-Vorbereitung schafften die Schweizer aber den Turnaround, zeigten, dass sie Gegner wie Frankreich und Lettland schlagen müssen und auch gegen die «Grossen» ein Sieg herausschauen kann (aber nicht muss), wie sie letzten Sonntag gegen den Gastgeber Tschechien gezeigt haben. Unter diesen Voraussetzungen sind die Plätze 2-4 in der Gruppe die realistische Bandbreite. Wenn es perfekt läuft und die NHL-Verstärkungen einschlagen, ist ein Gruppensieg kein Ding der Unmöglichkeit.

Die Frage, welche die Hockeyschweiz und den Nationaltrainer Patrick Fischer seit langem beschäftigen, ist, was nach der Gruppenphase geschieht. Mit Deutschland (2021, 2023) und den USA (2022) erhielten die Schweizer dank ihrer starken Vorrunde auf dem Papier bezwingbare Viertelfinalgegner, scheiterten aber im entscheidenden Moment. Spielen die Schweizer in Prag ähnlich stark und klassieren sich unter den ersten Zwei, könnten sie im Viertelfinale auf einen Gegner wie die Slowakei, Deutschland oder Lettland treffen. (Die «grossen Namen» der anderen Gruppe sind Schweden und die USA.) Hier lastet der grosse Druck des Siegenmüssens, mit dem die Schweizer in den vergangenen Jahren Probleme hatten.

Positiv ist, dass mit Roman Josi und Nino Niederreiter zwei NHL-Veteranen dabei sind, die bei beiden WM-Silbermedaillen 2013 und 2018 nicht nur teilnahmen, sondern eine entscheidende Rolle spielten. Zusätzlich mit Jonas Siegenthaler, Philipp Kurashev und dem Devils-Captain Nico Hischier sind die Schweizer bezüglich NHL-Kräften für ihre Verhältnisse gut bestückt. Fischers Kader entspricht nahezu dem Optimum, auch wenn es mit Denis Malgin, Timo Meier und wohl auch Kevin Fiala grössere Absenzen im Sturm gibt. Die gibt es anderswo aber auch.

Als Drittgesetzte bekommen es die Schweizer zum Start mit Teams gemischter Stärken zu tun. Am Freitag gilt es das norwegische Bollwerk zu überwinden, am Sonntag kommt es zum Nachbarschaftsduell mit Österreich, das vom Schweizer Roger Bader trainiert wird, dem Vater des voraussichtlich überzähligen Schweizer Nationalstürmers Thierry Bader. Schon am Montag kommt es zum Wiedersehen mit den Tschechen, die etwas weniger NHL-Glück hatten, gefolgt von Grossbritannien und Dänemark. Es wäre keine Überraschung, wenn die Schweizer bis zu diesem Zeitpunkt unbesiegt wären, auch wenn es dafür zuerst harte Arbeit braucht.

Erst zum Schluss kommen die vermeintlich härtesten Brocken Kanada und Finnland. Gerade die als Titelverteidiger antretenden Kanadier dürften stärker sein als sonst. Mit der Rückkehr der NHL-Spieler an den Olympischen Winterspielen 2026 überlegen sich angefragte NHL-Spieler eine Absage zweimal.

Trainer Fischer hatte auf einigen Positionen harte Entscheide zu treffen. Der wohl nicht 100% gesunde Dominik Egli und der Stürmer Tanner Richard gehören zu dem prominentesten und meistdiskutierten «Cuts». Hat Fischer die Rollen optimal besetzt? Mit durchschnittlich 185 cm und 89 kg haben die Schweizer jedenfalls ein robustes Team, das nicht so einfach zu rumschubsen ist und die Physis hoffentlich auch im Viertelfinale umsetzen kann. Letztmals so gross und schwer waren die Schweizer beim letzten Medaillengewinn von 2018. Ein weiteres gutes Omen.

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Niederreiter & Josi


Ein Bild wie im Silberjahr 2018 ist in Prag wieder möglich: Die Schweizer NHL-Veteranen Nino Niederreiter und Roman Josi gegen den finnischen Biel-Torhüter Harri Säteri. Foto: Andreas Robanser