U18: Gutes Turnier trotz Widrigkeiten
Die U18-Nationalmannschaft der Schweiz hat ein mehr als nur anständiges Turnier abgeliefert. Mit dem Sieg gegen Kasachstan wurde die Pflicht erfüllt. Der Punktgewinn gegen Schweden ging über das zu Erwartende hinaus. Auch gegen Kanada und die USA konnte man sich mindestens phasenweise gut präsentieren. Trotzdem kam man nicht über den Viertelfinal heraus. Das lag nicht an der Teamleistung, sondern an der individuellen Klasse der Spieler, welche bei den Topnationen mehr als nur ein Bisschen höher ist.
Das Turnier wurde von den Kanadiern gewonnen. In der Vorschau haben wir sie noch nicht zu den Topfavoriten gezählt. Das lag unter anderem daran, dass sie kurz vor Turnierstart noch einmal sechs Spieler nachmeldeten, welche das Kader deutlich verstärkten. Sie waren über das Turnier gesehen der würdige Gewinner und hatten mit der USA den würdigen Gegner im Finale. Beide Teams hätten Gold nicht gestohlen. Schweden hatten wir auch etwas besser eingeschätzt. Leider zeigte sich, dass sie zu sehr von zwei Spielern abhängig waren, um die beiden Topnationen herauszufordern. Trotzdem reichte es für die Bronzemedaille. Die grösste Überraschung war aber bestimmt der vierte Platz der Slowakei. Glückwunsch an dieser Stelle, auch wenn sich ein vierter Platz nie richtig gut anfühlt.
Und die Schweiz?
Patrick Schöb, sein Staff und die Spieler können sich nur sehr wenig vorwerfen, wenn überhaupt. Die Mannschaft war bereit und man holte die erforderlichen Punkte. Defensiv war das Team optimal auf alle Gegner vorbereitet. Auch das Boxplay mochte zu gefallen. Da hat Jan von Arx einen hervorragenden Job gemacht. Besonders auffällig war, wie sehr die Mannschaft Verletzungen oder Sperren wegstecken konnte. Immer wieder musste das Team auf wichtige Spieler verzichten und man merkte es der Mannschaft nicht an. Leon Muggli bspw. war der klar beste Spieler in den 3 Spielen, wo er der Mannschaft zur Verfügung stand. Dass hat man in der Defensive aber gar nicht gemerkt. Das ist nicht als Kritik an Muggli zu verstehen, sondern als Kompliment an den Rest der Mannschaft, wie sie seinen und auch alle anderen Ausfälle super kompensierten.
Offensiv war es aber eine viel zähere Angelegenheit, wo man den Unterschied zu den Topnationen klar festmachen kann. Da fiel der Ausfall von Muggli mehr auf. Der diesjährige Jahrgang galt als einer der besseren in den letzten Jahren. Das heisst aber auf gut deutsch gesagt: Man wird von dem Amerikaner im Viertelfinale nicht abgeschlachtet, scheidet aber trotzdem klar aus. Defensiv kann man gut mit dem System und Einsatz Mängel kaschieren. In der Offensive geht das nur bedingt. Das fängt bei den läuferischen Qualitäten an. Da hinkt die Schweiz nicht ganz so schlimm hinterher. Trotzdem sah man wesentlich häufiger Spieler, welche sich auf das Eis legten, ohne Fremdeinsatz, als bei anderen Topnationen. Und im Schnitt schien der Topspeed niedriger als bei den anderen Nationen.
Stocktechnisch sieht man die Mängel deutlicher. Die Schweizer spielten viel häufiger Pässe in die Schlittschuhe statt der Schaufel oder konnten die Scheibe nicht festmachen. Ein einfaches Beispiel: Im Mitteldrittel gegen Schweden sah man bei einem Schweizer die Scheibe mehr als 10-mal bei der Puck Annahme verspringen. Bei den Schweden sah man das genau einmal im ganzen Spiel. Insbesondere rückhands fiel das auf. Da sind die grossen Nationen der Schweiz in der Grundausbildung einiges voraus. Selbst die finnischen und schwedischen Spieler an der U18-WM, welche keine Chance auf einen Draft haben, sind in diesen Bereichen top ausgebildet. Genau so die Amerikaner und die Tschechen. Von den Kanadiern brauchen wir gar nicht erst zusprechen. Da macht es nur schon die Menge an Junioren aus.
Besonders fiel auch der Tempounterschied vor allem ohne die Scheibe auf. Wenn man es mit Norwegen oder Lettland vergleicht, ist das gut. Mit Schweden, USA und so weiter sind es aber wieder Welten. Da sieht man auch in welcher Liga die Spieler spielen. Nebst dem, dass die Juniorenligen im Norden oder in Tschechien ein höheres Niveau haben, spielen viel mehr bereits in der U20 des jeweiligen Teams. Aber auch bereits in der höchsten oder zweithöchsten Männerliga. Die Schweizer kam auf knapp 76 Spiele in der National League, davon fielen allein rund 50 auf Leon Muggli. Es war kein Zufall, dass er in dieser Hinsicht der Beste war mit einem Schweizer Kreuz übergestreift. Aber um den Vergleich abzuschliessen: Bei den Finnen waren es 230 «Liiga»-Spiele. Das zeigt einerseits, dass diese Nationen mehr Plätze frei behalten für ihre Junioren, andererseits aber auch, dass sie früher bereits das Niveau erreichen, dass sie mit den Erwachsenen bereits mithalten können. Diese Zahlen werden bei der U20-WM sogar extremer. Bei der Schweiz gehen die Zahlen nur minimal nach oben in der Regel und bei den anderen Nationen schiessen sie durch die Decke. Zwar werden bei der U20 die Differenzen gemäss Physis kleiner und oft kann die Schweiz auch da eher positiv überraschen, doch sind wir auch auf dieser Altersstufe bezüglich Tempo besonders ohne Scheibe weit weg von den grossen Nationen. Wenn wir uns auch zu diesen zählen wollen, muss etwas geschehen. Ansonsten können wir noch lange von der Goldmedaille an einer Herren-WM träumen. Wenn wir nicht regelmässig mindestens 4-5 NHL-Drafts pro Jahrgang produzieren oder zumindest die Grundausbildung auf das Level der Nordländer anheben, wird das eher ein Traum bleiben und die Schweiz muss auf ein perfektes Team mit vielen NHL-Spielern hoffen und gleichzeitig von Absagen anderer Nationen profitieren.
Lösungsansätze, Problemfelder?
Die Probleme sind jedes Jahr an den Junioren-Weltmeisterschaften sichtbar. Auf Verbandsstufe wurde bereits einiges in die Wege geleitet. Die Schweiz profitiert auch von guten Trainern aus Tschechien, welche hier arbeiten, aber die bringen ihre eigenen Philosophien ein. Da hilft es sicher, wenn der Verband vermehrt seine Swissness einbringen kann. Das passiert bereits. Es schadet sicher nicht, dass Patrick Schöb auch in diesem Bereich als Senior Manager Talentsport engagiert ist und seine Erfahrungen in internationalen Bereichen einbringen kann. Hilfreich wäre auch, wenn die National League zurück in den Schoss des Verbands kehren würde. Die Clubs arbeiten alle gut bis sehr gut auf der Juniorenstufe, aber es gibt keine klare Linie. Der Kantönligeist ist das sehr verbreitet. In Finnland arbeiten alle Teams eng mit dem Verband zusammen. In Schweden ist jeder Juniorentrainer verpflichtet, nach dem Trainingshandbuch des Verbands zu arbeiten. Egal auf welcher Stufe. Da dürfen wir Schweizer uns gerne eine Scheibe abschneiden. Für mich zieht auch das Argument mit der Deutsch-, französisch- und der italienischsprachigen Schweiz kommen viele verschiedene Kulturen zusammen, die schwierig zu verbinden sind. Der Fussballverband kriegt es auch hin. Die Schweizer Fussballnationalmannschaft war noch nie so breit besetzt wie in den letzten Jahren. Weshalb soll das im ähnlich populären Eishockey nicht auch möglich sein?
Ausserdem hat die Abspaltung die Swiss League kaputt gemacht. Einerseits wurden mehrere Teams der Swiss League entzogen und die NL auf 14 Teams aufgeblasen, anderseits schwimmen der SL die Felle davon. Olten denkt auch bereits über eine freiwilligen Abstieg nach aus finanziellen Gründen. Die Versenkung von Clubs wie Olten oder wie es bei Langenthal bereits passiert ist, im Amateurhockey ist eine Katastrophe. Da wird sehr viel gute Arbeit auf Juniorenstufe geleistet, welche schwierig ist, weiter zu finanzieren. Es kann nicht sein, dass die höchste Liga aus 14 Teams besteht, und darunter haben wir aktuell 10. Eine Pyramide, welche an der Spitze breiter ist, kann nicht auf lange Sicht bestehen. Mit einem umgekehrten Verhältnis hätte es mehr Platz für Junioren in der SL. Die Schweden machen da sehr gute Erfahrungen. Das man auch aus der zweiten schwedischen Liga zum NHL-Star reifen kann, zeigt Elias Pettersson der Vancouver Cannucks eindrücklich. Warum sollte das in der Schweiz nicht auch funktionieren? Es ist aber leider illusorisch zu glauben, dass dies geschehen wird in naher Zukunft. Zu viel Geld steht auf dem Spiel für die Clubs in der NL. Versuchen sie einmal den Fans und den Sponsoren zu erklären, dass ihr Club absteigt zum Wohle des gesamtschweizerischen Eishockeys. Vielleicht würde ein fixer Auf- und Absteiger helfen, die finanzielle Angst zu nehmen? Gleichzeitig würde dies auch die Spannung im Keller der NL erhöhen. Diese ganze Situation macht es enorm schwierig, auf gutem Niveau Spieler herauszubringen.
Abschliessend soll noch erwähnt werden: Die Schweiz ist seit 2007 Stammgast bei der U18-WM. Das ist eine starke Leistung, auch wenn man sich mehrmals im Abstiegskampf musste. Das zeigt sicher auch, dass nicht alles schlecht ist, was im Juniorenbereich getan wurde. Wenn man aber mehr will, müssen viele Dinge angepackt werden. Die Kluft nach oben wurde aber in den letzten Jahren eher grösser und nach unten eher kleiner. Einiges wird bereits getan. Was man heute umsetzt, sieht man leider oft erst 5-10 Jahre später auf dem Eis bei den Erwachsenen. Es gibt viel zu tun, wenn man eines Tages wieder eine Goldmedaille holen will oder überhaupt eine Medaille bei den Junioren.