U18-WM: Jenni blickt zurück und sieht viele Hebel

7.5.2022 - Von Fabian Lehner

Mit ein paar Tagen Abstand haben wir uns nochmals mit Marcel Jenni unterhalten über die vergangene U18-Eishockey-Weltmeisterschaft in Deutschland. Wir sprachen mit ihm über sein Fazit und wo er Verbesserungspotenzial sieht.

Marcel Jenni: Wie lautet das Fazit zu dieser U18-WM?

Durchzogen. Licht und Schatten haben sich abgewechselt. Viele wertvolle Erfahrungen, welche wir als Mannschaft sammeln durften. Man hat gesehen, wo wir uns steigern müssen, damit wir die Top-Nationen schlagen können. Wir konnten teilweise gut mithalten, aber abgesehen vom Spiel gegen die Letten nie über die vollen 60 Minuten. Wir sind es uns nicht gewohnt unter diesen Bedingungen zu spielen. Rhythmus und Intensität können wir noch nicht über 60 Minuten gegen Top-Nationen halten. Die Mehrheit der Spieler unserer Gegner spielen in den jeweiligen Top-Ligen ihrer Länder. Bei uns bekommen die Jungen diese Chance nicht. Wir haben sehr hart trainiert und alles rausgeholt was in dieser kurzen Zeit möglich war. In solchen Spielen kannst du dir wenig bis nichts erlauben. Fokus, Intensität und taktische Disziplin sind der Schlüssel zum Erfolg.

Bis zum Viertelfinal konnten wir einigermassen mithalten dann kam leider schon der Einbruch. Was es sicher noch zu sagen gilt, ist die Art und Weise wie wir spielen wollen, hohe lauf Bereitschaft und eine aktive Spielweise wird von unserer Seite her verlangt. Wir wollen den Gegner permanent unter Druck setzen und bei Scheibenbesitz mit spielerischen Lösungen angreifen, was teilweise auch sehr gut gelang. Dies verlangte den Spielern jedoch alles ab und brachte sie an ihre Grenze, teilweise auch darüber hinaus. Physisch und mental sind wir noch nicht da.

Wir bei den Nationalteams, von der U16 bis zu den Herren, werden aber dran bleiben und den eingeschlagenen Weg konsequent weitergehen. Was sicher helfen würde, wäre wenn unsere jungen Spieler mehr Eiszeit in der Swiss oder National League bekämen. Bei den Schweden, Finnen und Tschechen ist das der Fall. Die meisten unserer Spieler sind Dritt- oder Viertlinienspieler in der U20 Elite. Da sind die Unterschiede riesig. Mit sechs Ausländern in der NL wird es aber noch schwieriger, den Jungen in der höchsten Liga Verantwortung zu geben. Die Jungs müssen richtig Gas geben und zeigen, dass sie die Zukunft sind des Schweizer Eishockeys. Die Clubs stehen ebenso in der Verantwortung. Da darf man nicht nur kurzfristig denken, sondern im Interesse unseres Eishockeys handeln. Ein Spieler wie Louis Füllemann zum Beispiel sollte nächste Saison unbedingt in der NL spielen können. Sein Skating ist international klasse.

Was sind denn noch andere Hebel, bei denen man ansetzten muss? Und wo besteht sonst noch Aufholbedarf?

Ufff… da gibt es eine Menge Baustellen, wie zum Beispiel die Ligastärkung, Fitnesslevel, taktische Ausbildung, Ernährung, Eigenverantwortung, Knowhow-Transfer top-down in den Clubs, Trainerausbildung und so weiter. Das Wichtigste aber ist Teamwork. Wenn wir die Lücke schliessen wollen, geht das nur zusammen.

Der wichtigste Punkt bleibt die Intensität. Wir brauchen ein perfektes Spiel bei der U18, um eine Chance zu haben. In der Juniorenmeisterschaft wird eine schlechte Entscheidung im Forechecking oder ein nachlässiges Zuspiel nicht bestraft, international schon. Gute Angewohnheiten müssen Standard werden. Ich sprechen da von «Habits». Stand jetzt reicht es gerade mal für ein, zwei gute Spiele, aber über vier, fünf Spiele auf Top-Level wird es schwierig.