Hier noch der gestrige BZ-Artikel zum Thema:

Wer hat Schuld?

Teile der SCL- Fans fuühlen sich von offizieller Seite schlecht behandelt. Deshalb haben sie ein Abkommen gekündigt. Jetzt nehmen der Verein, die Polizei und der Verband dazu Stellung.

In den letzten Wochen hat sich das Klima in der Fankurve merklich abgekühlt. Nicht etwa, weil die Supporter mit den Leistungen der Spieler unzufrieden sind, sondern aufgrund der Zusammenarbeit mit dem Verein. Sie wurden zu stark angepackt, standig uberwacht und mit willkürlichen Stadionverboten von ihrem Lieblingshobby, den Spielen des SCL, weggesperrt. An einer Sitzung von letzter Woche machten die Fans ihrem Ärger Luft (wir berichteten). Dann beschlossen sie, ihre Vereinbarung mit dem Verein zu kündigen. Es war eine Vereinbarung zwischen dem Fan-Dachverband und dem SC Langenthal, die gewisse Verbindlichkeiten regelte. Etwa, wie sich die Supporter korrekt zu verhalten haben und was sie dafür im Gegenzug erhalten. Etwa Fankarten zur Mitgliederwerbung, eine Parkkarte so- wie einen Lagerraum, um Fanma- terial zu verstauen. Auch einen Beitrag für die Choreokasse stellte der Verein den Fans in Aus- sicht. Damit soll nun Schluss sein.
Die Fans wollen zwar weiterhin die Spiele des SCL besuchen, dies allerdings, ohne dabei Verpflichtungen einzugehen. Darüber hinaus braucht nun der Verein einen neuen Fandelegierten, denn die beiden bisherigen, die dieses Amt gemeinsam führten, traten unlängst zurück.

Klartext reden
Der SCL selber lässt bezüglich Stadionverboten nicht mit sich diskutieren. Die Vorwürfe der Fans, dass Rückendeckung fehle oder Verbote willkürlich ausgesprochen würden, bestreiten die Verantwortlichen: «Uns scheint, das Problem liegt darin, dass die Fans ihren Fokus verloren haben», sagt Angela Kölliker, Leiterin Marketing & Kommunikation beim SCL. Der Verein begrüsse gute Stimmung an den Spielen. Dass dort klare Spielregeln gälten, verstünde sich von selbst. «Als grösster Veranstalter der Region wollen und müssen wir auch Sicherheitsmassnahmen einhalten», sagt Kölliker.
Dem pflichtet Leo Locher bei. Er ist seit mehreren Jahren Sicherheitschef beim SCL und in ständigem Austausch mit Fans und Fandelegierten. Die Reglemente der Swiss Ice Hockey Federation seien aufgrund der grossen Dichte an professionellen Sportclubs streng. «Wir haben diese Reglemente bei uns noch nie ausgereizt. Im Gegenteil: Der SCL ist mehr als einmal vor seine Fans hingestanden, als die Grenzen des Kavalierdelikts schon fast überschritten waren», sagt er. Dass der Verein gegenüber den Suppor- tern heuer einen forscheren Ton führt, verneint Locher nicht. «Am Anfang der Saison reden wir jeweils Klartext. Wir helfen, den Fans die Grenzen aufzuzeigen», sagt er. Denn die Vorgaben seitens National League und Polizei seien streng, aber für die allermeisten Matchbesucher nachvollziehbar.

Jeder wird kontrolliert

Der SCL sieht das Problem also bei den Fans. An der Chemie der Kurve liege es schon auch, sagen deren Vertreter. Dies sei aber, weil die Polizei und der SCL so viele Stadionverbote gesprochen hätten. Einer der abgetretenen Fandelegierten, Samuel Ramseier, sagt: «Die jüngsten Verbote kamen für uns absolut unerwartet.» Es habe in dieser Qualifika- tion nicht einen negativ behafteten Vorfall wie etwa Sachbeschädigungen oder Handgreiflichkeiten gegeben. Man habe dem Verein zudem stets alle wichtigen Fanaktivitäten rechtzeitig kommuniziert. Trotzdem sei dies of- fenbar nicht genug gewesen.
Ähnlich sieht das auch Adrian Hächler, langjähriger Fan und stets darum bemüht, Stimmung in der Kurve zu entfachen. «Was uns nicht passt, ist, dass wir alle unter Generalverdacht gestellt werden.» Als er mit einem ehemaligen Schulkollegen einmal ein Spiel im Schoren besuchte, habe sich dieser bei drei Polizisten prompt ausweisen müssen – und das gehe jedes Mal so. «Nur weil er mit mir unterwegs war», sagt Hächler. Er und die anderen Fans seien es leid, sich stets für alles rechtfertigen zu müssen, wenn es nichts zu rechtfertigen gebe. «Wir werden nicht behandelt wie normale Matchbesucher.»

Mehr Fingerspitzengefühl

Hächler vergleicht die Fankurve mit einer Art Jugendbewegung. «Da steckt viel Zeit und Herzblut drin. Es ist auch absolut normal, dass mal einer übers Ziel hinausschiesst.» Diesbezüglich habe man mittlerweile auch eine gute Selbstregulierung eingeführt. Gehe beispielsweise einmal etwas zu Bruch, werde dies anstandslos aus den Taschen der Fans bezahlt, und der Schuldige trage die Konsequenzen.
Auch ein anderer Fan, Thomas Hirsbrunner, nennt drei Punkte, die ihn seitens Polizei und SCL stören: Unverhältnismässigkeit, Bevormundung und Generalverdacht. «Jeder kennt jeden beim SCL, auch die Polizei kennt uns – sogar mit Namen.» Da wäre doch in den meisten Fällen erst das Ge- spräch anstelle eines direkten Stadionverbots zielführender für alle Parteien. «Schliesslich sind genau die so oft angeprangerten Fans auch verantwortlich für jede Choreografie, die Kurvenzeitung, Mottoshirts und vor allem die Stimmung an den Spielen.»
Die beiden Fans und der ehemalige Fandelegierte sind sich einig: Es fehlt den Verantwortlichen an Fingerspitzengefühl.

Entscheid liegt beim Verein

Eine klare Haltung zu aus Sicht der Betroffenen ungerechtfertigten Stadionverboten hat Sicherheitschef Locher. «Willkür gibt es hier nicht.» Verbote, um einzelne Fans aus den Schweizer Stadien zu verbannen, stelle zwar der SCL aus, allerdings geschehe dies jeweils in Absprache mit der Polizei und der National League. Im Minimum sind Fans für zwei Jahre von den Spielen ausgeschlossen. Je nach Vergehen auch länger.
Welchen Einfluss hat die Kantonspolizei Bern auf Stadionverbote? Selber aussprechen kann man laut Mediensprecher Christoph Gnägi keines. «Es ist aber korrekt, dass wir gestützt auf Feststellungen sowie Reglemente ein Stadionverbot beantragen können.» Darüber definitiv entscheiden würde jedoch der Verein oder der Verband, in diesem Fall Swiss Ice Hockey. Gnägi hält weiter fest: «Sämtliche Anträge auf Stadionverbote in Langenthal betrafen Kriterien, die im Reglement aufgeführt sind.»

Liga verweist auf Reglement
Ein Blick ins Verbandsreglement unter Artikel 18 zeigt Fälle, die mit Stadionverbot bestraft werden können: Nötigung, Landfriedensbruch, Verstösse gegen das Waffengesetz, Raub oder sonstige schwere Vergehen. Verbale Provokation ist nicht darunter. Doch gerade dafür wurde Anfang Dezember ein SCL-Fan beim Derby bestraft. Darauf angesprochen sagt Gnägi, dass er zu Einzelfällen keine Stellung beziehen könne. Betroffene Fans, die mit dem Entscheid nicht einverstanden seien, könnten ja das Beschwerderecht nutzen.
Nimmt am Ende also der Verband selber starken Einfluss auf Stadionverbote? Dem ist nicht so. Der Medienverantwortliche bei der Swiss Ice Hockey Federation, Janos Kick, sagt: «Im konkreten Fall sind wir nicht involviert.» Vielmehr verweist er auf das Reglement, das besagt: Der jeweilige Heimclub ist für das Ausstellen eines gesamtschweizerischen Stadionverbots zuständig. Also doch der SC Langenthal.

«Sonst passiert nur Seich»

Der SCL sucht nun gemäss einer gestrigen Mitteilung einen neuen Fandelegierten. Einer, der diese Aufgabe jahrelang innehatte, ist Dean Mesina. Heute ist er zuständig für Ticketing, Spielbetrieb & Events. Er will mit den Fans das Gespräch suchen, um Klarheit zu schaffen. «Der Informationsfluss ist wichtig für beide Seiten. Denn wenn keine Informationen fliessen, passiert nur noch Seich.» Der Verein weise niemanden zurück, die Türen aller Verantwortlichen stünden immer offen. Sie alle hätten eine Vision, was für eine Art von Fan sie wollten. Einen, der den Club lauthals unterstützt, sich fair verhält, sich aber nicht immer und bewusst in Konflikten verfängt. Mesina sagt: «Uns tut jeder, der nicht in den Schoren kommen kann, weh. Aber nicht um jeden Preis.»
Die drei betroffenen Seiten, Fans, Club und Polizei, schieben sich die Schuldfrage gegenseitig zu. Heute spielt der SCL sein letztes Spiel vor der Weihnachtspause gegen La Chaux-de-Fonds. Einige der Supporter haben sich trotz aller Unstimmigkeiten entschieden, der Partie beizuwohnen und ihr Team nach vorne zu peitschen. Denn am Ende schlägt das Herz der Fans und dasjenige der Clubverantwortlichen ja gleich: für den SCL.
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