Nicht in Form und trotzdem Leader

vom Zaugg Klausi

Wir erleben einen der erstaunlichsten Stilwechsel der Neuzeit. Seit dem Aufstieg im Frühjahr 1980 hat Fribourg-Gottéron immer mit dem Feuer der Offensive und der Emotionen gespielt. Und dabei so manchem Titanen heimgeleuchtet, auch dem SCB oder den ZSC Lions, um am Ende doch die defensiven Finger zu verbrennen: Fribourg-Gottéron gilt als bestes Team, das noch nie Meister geworden ist (1992, 1993 und 1994 drei Finalniederlagen)

In November 2011 spielt Gottéron nicht mehr ein gefährliches Spiel mit, sondern eines ohne das Feuer der Offensive und der Emotionen: So unspektakulär, gut strukturiert, cool und defensiv stabil wie in der ersten Hälfte der Qualifikation 2011/12 hat Gottéron in seiner Geschichte wohl noch nie gespielt.

Am wenigsten Treffer kassiert

Das ist die vielleicht grösste Überraschung bei Halbzeit der Qualifikation: Statt an einen Hockey-Zirkus mahnt Gottéron jetzt mehr an ein Bundesamt für Landvermessung: Das geradlinige, präzise, disziplinierte und emotionslose Hockey mahnt manchmal mehr an Arbeit als an Spiel. Es scheint fast so, als sei unter dem neuen Trainer Hans Kossmann aus einem unberechenbaren Schauspiel eine logische Wissenschaft geworden. Diese Systematik im Spiel mahnt an Davos, Kloten oder den SC Bern der guten Tage. Fribourg hat in der laufenden Meisterschaft nur am fünftmeisten Tore erzielt, aber am wenigsten Treffer kassiert. Die Defensive gewinnt Meisterschaften, die Offensive einzelne Spiele: Deshalb ist Zug (mit dem stärksten Sturm) heute im Spitzenkampf gegen Gottéron Favorit.

Gegen den SC Bern hatte Gottéron am letzten Samstag zu emotionslos und berechnend gespielt, den Spitzenkampf 1:4 verloren und die Meisterprüfung nicht bestanden. Das gefährliche Spiel ohne Feuer mündete in eine sang- und klanglose Niederlage.

Der Ausfall von Benjamin Plüss

Doch gegen Biel hat die Mannschaft den Sieg wieder mit der Unerbittlichkeit einer Maschine eingefahren. Die Bieler waren nahezu gleichwertig und pflegten ein ähnlich stoisches Systemhockey. Die Differenz für Fribourg-Gottéron machte die Linie mit Julien Sprunger, Andrej Bykow und Benjamin Plüss. Das Trio, das in der NLA-Skorerliste die Positionen zwei, drei und elf belegt, zelebrierte die beiden Tore zum vorentscheidenden 2:0. Am Ende hiess es 5:3. Aber nicht Ende gut, alles gut: Im zweiten Drittel fiel Benjamin Plüss nach einem Check in die Bande durch eine Blessur der linken Schulter aus. «Die Verletzung der Bänder in der Schulter ist nicht gravierend, aber gegen Zug wird er wohl noch nicht spielen können» sagt Trainer Hans Kossmann. Plüss (24 Skorerpunkte) ist für den Rest des Spiels durch Sandro Brügger (null Skorerpunkte) ersetzt worden und Kossmann war zufrieden: «Er wird wohl auch gegen Zug auf dieser Position spielen.» Brügger ist am 11. November 20 geworden und eine «Flohfräse» (170 cm/68 kg) am Flügel.

Der Ausfall von Benjamin Plüss hat das Spiel von Fribourg-Gottéron verändert. Auch wenn dies letztlich oben auf der Resultattafel (5:3) keine Folgen hatte. Ohne Plüss schien es nämlich, als sei in Gottérons wundersamen Mechanismus ein Teilchen zerbrochen. Noch gelingt das 3:1 – doch dann gerät das Spiel im Schlussdrittel phasenweise aus den Fugen. Die Bieler werden mutiger, frecher und offensiver. Gottéron biegt sich, bricht aber nicht.

Und nun tritt Fribourg-Gottéron in Zug ohne Plüss an. Trainer Kossmann hofft zwar auf eine Rückkehr von Leitwolf Sandy Jeannin, der lange Zeit verletzt war und erst 15 Partien bestritten hat. Aber eben: Ohne Plüss wird Gottérons erstem Sturm, der besten Linie der Liga, exakt ein Drittel der Feuerkraft fehlen.

Offensivpotenzial nicht ausgeschöpft

Und doch ist Fribourg-Gottéron, ganz unabhängig vom Ausgang des Spitzenspiels in Zug, langfristig höher einzustufen als der EVZ: Die Mannschaft hat nämlich, anders als der EVZ, das offensive Potenzial noch nicht einmal annähernd ausgeschöpft.

Um Christian Dubé und seinen Freund Simon Gamache gibt es nur deshalb keine Polemik, weil die Mannschaft so gut funktioniert und auf Platz 1 steht. Aber Dubé, der in zwölf Jahren in der NLA mit einer Ausnahme (2005/06) immer mehr als einen Punkt pro Spiel produzierte, hat bisher in 16 Partien erst 12 Punkte (2 Tore/10 Assists) auf seinem Konto. Und Simon Gamache steuerte in dieser Saison in 26 Spielen bloss 8 Tore und 9 Assists bei. Auch sein Potenzial liegt bei einem Punkt pro Spiel.

Trainer Hans Kossmann hat bis Ende Februar Zeit, um die Treffsicherheit seiner offensiven Schillerfalter Christian Dubé und Simon Gamache zu justieren und auch Sandy Jeannin wieder in Form zu bringen. Gelingt ihm das, wird er der einzige Trainer der Liga (und einer der wenigen ausserhalb der NHL) sein, der sieben Stürmer zur Verfügung hat, die mehr als einen Punkt pro Spiel zelebrieren können (Bykow, Plüss, Sprunger, Rosa, Dubé, Gamache und Jeannin). Bei Zug sind es nur fünf (Brunner, Metropolit, Holden, Pirnes und Christen) und einer davon sitzt in der Regel auf der Tribune.

Fribourg-Gottéron ist noch gar nicht richtig in Form und behauptet sich doch an der Spitze: So spielen Meisterkandidaten im November