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Zulassungsantrag nach positiven Daten
Impfstoff-Hersteller verspricht mehr als 90-prozentigen Schutz

Ist das der Durchbruch im Kampf gegen Corona? Biontech und Pfizer teilen mit, ihr Impfstoff sei wirksam. Die Börsen jubeln, Donald Trump frohlockt.

sda/reuters 9.11.2020




Erstmals gibt es zu einem für Europa massgeblichen Corona-Impfstoff Zwischenergebnisse aus der für eine Zulassung entscheidenden Studienphase. Das deutsche Unternehmen Biontech und der Pharmakonzern Pfizer teilten am Montag mit, ihr Impfstoff biete einen mehr als 90-prozentigen Schutz vor der Krankheit Covid-19.




Schwere Nebenwirkungen seien nicht registriert worden. Biontech und der Pharmariese Pfizer wollten voraussichtlich ab der kommenden Woche die Zulassung bei der US-Arzneimittelbehörde FDA beantragen. «Das ist die erste Evidenz, dass Covid-19 durch einen Impfstoff beim Menschen verhindert werden kann», sagte Biontech-Chef Ugur Sahin zu Reuters. Man habe einen «entscheidenden Meilenstein» zur Kontrolle von Covid-19 erreicht.

Beschleunigter Prozess

Der Impfstoff BNT162b2 war von Biontech im Projekt «Lighspeed» (Lichtgeschwindigkeit) seit Mitte Januar entwickelt worden. Die für eine Zulassung entscheidende Phase-3-Studie begann ab Ende Juli in verschiedenen Ländern. Inzwischen haben mehr als 43 500 Menschen mindestens eine der beiden Impfungen bekommen, die im Abstand von drei Wochen verabreicht werden. Ein Impfschutz wird nach Angaben der Hersteller eine Woche nach der zweiten Injektion erreicht.

In der Studie wurden demnach bis Sonntag insgesamt 94 Fälle der Krankheit bestätigt. Die Ergebnisse werden den Angaben zufolge erst dann abschliessend ausgewertet, wenn insgesamt 164 Fälle erreicht sind. Zudem werde geprüft, in welchem Mass die Impfung nicht nur vor Covid-19 schützt, sondern auch vor schweren Verläufen der Krankheit. Insgesamt sollen sowohl die Schutzwirkung als auch etwaige Nebenwirkungen über einen Zeitraum von zwei Jahren beobachtet werden.

Die Unternehmen schlüsselten nicht genau auf, wie viele der Erkrankten den Impfstoff erhielten. Gemäss der Wirksamkeitsrate müssen aber acht oder weniger der 94 Krankheitsfälle in der Gruppe mit den geimpften Teilnehmern verzeichnet worden sein und der Rest in der Kontrollgruppe, die ein Placebo erhielt.




Für den Corona-Impfstoff gilt wegen der besonderen Dringlichkeit ein beschleunigter Zulassungsprozess. Bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA können Arzneimittelhersteller schon vor dem kompletten Zulassungsantrag einzelne Teile zu Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit eines Präparats einreichen. Ein solches Rolling-Review-Verfahren hat neben Biontech auch das britisch-schwedische Unternehmen Astrazeneca bereits vor einiger Zeit für seinen Impfstoff-Kandidaten gestartet. Astrazeneca hat bisher noch keine Phase-III-Daten veröffentlicht. Zum Zeitplan dafür lasse sich noch nichts sagen, teilte eine Sprecherin am Montag mit.

50 Millionen Dosen bis Ende Jahr

Das Biontech-Präparat ist ein sogenannter RNA-Impfstoff. Es enthält genetische Informationen des Erregers, aus denen der Körper ein Viruseiweiss herstellt – in diesem Fall das Oberflächenprotein, mit dessen Hilfe das Virus in Zellen eindringt. Ziel der Impfung ist es, den Körper zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Protein anzuregen, um die Viren abzufangen, bevor sie in die Zellen eindringen und sich vermehren.

Biontech und Pfizer rechnen damit, noch in diesem Jahr weltweit bis zu 50 Millionen Impfstoff-Dosen bereitstellen zu können, im kommenden Jahr kalkulieren sie mit bis zu 1,3 Milliarden Dosen. Zahlreiche Regierungen haben sich bereits Millionen Dosen der Impfung vorab gesichert, darunter die USA, Japan und Grossbritannien.




Zwar haben schon Länder wie Russland, China und kürzlich erst Bahrain andere Impfstoffe mit Einschränkungen freigegeben und impfen damit bereits Teile der Bevölkerung. Aber wie gut diese Impfungen tatsächlich schützen und welche Nebenwirkungen sie haben können, ist derzeit weitgehend offen.

Spahn zurückhaltend, Trump freut sich

Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn sagte, er freue sich, dass gerade ein deutsches Unternehmen so weit sei. Da es aber immer Rückschläge bei der Impfstoff-Entwicklung geben könne, rechne die Regierung vorsichtiger damit, dass ein Impfstoff erst im ersten Quartal 2021 zur Verfügung stehen werde.

Weniger Zurückhaltung gab es an den Börsen: Die Nachricht zum Corona-Impfstoff liessen sie weltweit jubeln. Der SMI kletterte um rund 2 Prozent hoch, der Dax schnellte gar binnen weniger Minuten um 4,5 Prozent in die Höhe auf 13.035 Punkte, der EuroStoxx50 machte 4,4 Prozent gut und notierte auf 3346 Zähler. Die Biontech-Papiere gewannen in Frankfurt 20 Prozent, die Pfizer-Titel im vorbörslichen US-Handel sechs Prozent. US-Präsident Donald Trump frohlockte auf Twitter, der Impfstoff werde bald kommen. Deswegen seien die Aktienmärkte stark im Plus.