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Moritz Bill

Mitte März hatte der EHC Zuchwil noch den Meistertitel in der 1. Liga Zentralgruppe gefeiert, jetzt steigt der Klub freiwillig in die 4. Liga ab. Was ist geschehen?
Der Neustart in der tiefsten Amateurliga ist die Folge eines Dominoeffekts. Den Stein ins Rollen brachte die Schaffung der Mysports League (MSL) vor einem Jahr. Die zwischen der Swiss League (ehemals NLB) und der 1. Liga installierte Liga war schon auf dem Papier einigen Amateurklubs ein Dorn im Auge gewesen. Durch die nationale Ausrichtung befürchtete man einen grösseren zeitlichen Aufwand und Mehrkosten durch längere Anfahrtswege. Gleichzeitig waren Einbussen bei den Eintritten zu erwarten;die von weit angereisten Gegner bringen keine Zuschauer. Darum entschieden sich damals die beiden 1.-Liga-Klubs aus der Region, Zuchwil und Lyss, gegen die neue Liga.
Da es aber mit Basel, Brandis, Thun und Wiki-Münsingen gleich vier Mannschaften der Zentralgruppe in die MSL zog, schrumpfte die ohnehin schon dezimiert gewesene Liga auf sechs Teams. Dank dem Einbezug Reinachs konnte vergangene Saison immerhin eine Miniatur-Meisterschaft gespielt werden. Damit glücklich war aber niemand. Auf kommende Saison musste eine Lösung her. Der Verband, beziehungsweise das Nachwuchs- und Amateurkomitee (NAC), entschied, die Zentralgruppe aufzulösen und die verbleibenden Teams in die Ost- und Westgruppe aufzuteilen. Während aus dem Kanton Bern Lyss, Burgdorf, Unterseen-Interlaken und Adelboden der Westgruppe zugeteilt wurden, hätte Zuchwil in der Ostgruppe antreten müssen. «In der Westgruppe hätten wir weitergemacht», sagt Präsident Walter Ulrich, «aber die Ostgruppe kommt für uns wegen des Zusatzaufwands und dem Wegfallen der Derbys nicht infrage.»

Geografische Kriterien
Laut Paolo Angeloni, Direktor der Regio League, sei die Gruppenzuteilung nach geografischen Kriterien erfolgt, wie er gegenüber der «Solothurner Zeitung» sagte. «Die Vereine in der Mitte wurden von uns vorzeitig informiert. Mit Herrn Walter Ulrich hatten wir Mitte März ein sehr konstruktives Gespräch. Der Entscheid von Zuchwil hat uns überrascht.» Ulrich sagt, dass er schon vor der Einteilung ein grosses Fragezeichen hinter die Ostgruppe gesetzt habe.
Auch mit einem weiteren Anliegen fand der EHC Zuchwil kein Gehör, beziehungsweise hielt der Verband auch hier schlicht am Reglement fest. Die Solothurner wollten «nur» in die 2. Liga absteigen. Ein freiwilliger Rückzug aus der 1. Liga hat aber den Gang in die 4. Liga zur Folge, wenn der Antrag nicht spätestens vor Beginn der Playoffs eingereicht wird. Ulrich hat dafür kein Verständnis, er sagt: «Zu diesem Zeitpunkt wussten wir ja noch nicht, in welcher Gruppe wir spielen sollen.» Auch missfällt ihm, dass in der 2. Liga nach dem Rückzug von Münchenbuchsee ein Platz frei wäre. «Das Ganze ist eine tragische Geschichte», sagt Ulrich, der den Verein seit 20 Jahren präsidiert und alimentiert. «Ich habe schon damals befürchtet, dass die MSL Probleme in den unteren Ligen schafft.»

Andere Sichtweise
Ulrichs Pendant beim SC Lyss und Namensvetter Walter Mengisen vertritt eine andere Sicht der Dinge. Zwar war auch er von Anfang an skeptisch gegenüber der MSL eingestellt. «Doch der Entscheid zugunsten der neuen Liga war gefallen und dann muss man sich halt mit den neuen Gegebenheiten arrangieren. Von Zuchwil kam wenig Engagement, eine Lösung zur Rettung der Zentralgruppe zu finden», sagt Mengisen, der auch unterstreicht, dass der Verband frühzeitig die Gruppenauflösung kommuniziert habe. «Man kann dann nicht einfach einlenken, nur weil ein einziger Verein mit der Einteilung unzufrieden ist. Hätte es uns getroffen, wären wir in der Ostgruppe angetreten.»
Diesen Vorwurf lässt Ulrich nicht gelten. Im Gegenteil sei er es gewesen, der während der vergangenen Saison die anderen Präsidenten zu einer gemeinsamen Lösungsfindung motivieren wollte, doch keine Rückendeckung gespürt habe. Aussage gegen Aussage.

Auf Spielersuche
So oder so: Die Leittragenden sind die Spieler und die Trainer, die sich nun einen neuen Klub suchen müssen. Zu einem Zeitpunkt, wo die Kader für nächste Saison schon zusammengestellt sind. Vom Meisterteam macht keiner den Neustart in der 4. Liga mit, wie Ulrich bestätigt. Auf der Website sucht Zuchwil per Annonce Spieler. «Wir werden nun versuchen, Schritt für Schritt die Treppe wieder hochzusteigen und auf den eigenen Nachwuchs setzen», so Ulrich.

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«Schade um die Derbys»

SC-Lyss-Trainer Patrick Glanzmann betrachtet den Rückzug des EHC Zuchwil in erster Linie aus sportlicher Sicht. «Das ist natürlich schade um die Derbys. Wir hatten immer gute und spannende Matches geliefert. Aber die Duelle wären auch weggefallen, wenn Zuchwil in der Ostgruppe angetreten wäre.» Die auf nächste Saison zum SCL stossenden Spieler (siehe Box)haben schon lange vor dem freiwilligen Abstieg ihren Wechsel ins Seeland zugesichert. Glanzmann erhielt in den letzten Tagen etliche Telefonate von Unterschlupf suchenden Spielern, «aber wir haben eigentlich keine freien Plätze mehr». Einzig bei einem jungen Spieler werde man je nachdem noch eine Lösung anstreben. bil

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Transfers SC Lyss 2018/19
Zugänge: Marco Müller, Yanick Kohler, Joel Röthlisberger (alle Zuchwil), Sven Inniger (Ruhestand), Yannic Schlup (Dragon/Thun Elite B), Alex Bieri (Biel, Elite A).
Abgänge: Jonas Schmid (Pause), Marco Schlup (Beruf), Robin Schwab (Meinisberg), Dominique Robert (Beruf), Simon Kühni (Burgdorf), Eric Hojac (Bucheggberg), Nicolas Wälti (2. Mannschaft), Robin Weber (Burgdorf). mt/bil

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Kommentar:

Ein Verlust, aber auch ein Eigentor

D er freiwillige Abstieg des EHC Zuchwil ist ein Verlust für die 1. Liga. Das steht ausser Frage. Die Solothurner spielten meistens vorne mit, holten sich mehrere Titel und lieferten sich insbesondere mit dem SC Lyss packende Duelle. Doch: So tragisch der Zusammenbruch des Traditionsvereins auch ist – gänzlich unschuldig ist er selbst daran nicht.
Zweifelsohne ist die Mysports League eine Retortenliga. Den Beweis ihrer Legitimation muss sie noch erbringen. Erst in ein paar Jahren wird sich zeigen, ob dieses Modell sinnvoll ist. Ob es diese nationalausgerichtete Semi-Amateurliga im Schweizer Eishockey überhaupt braucht. Einen negativen Einfluss auf die unter ihr angesiedelten Ligen hat sie jedenfalls schon ausgeübt. Nun müssen die Hobbyspieler im Zuge der Auflösung der Zentralgruppe mehr Aufwand aufbringen, um an die Auswärtsspiele zu reisen. Den meist ehrenamtlich geführten Vereinen entgehen Derby-Einnahmen.
Unter diesem Gesichtspunkt ist Zuchwils freiwilliger Abstieg nachvollziehbar. Wenn man aber um die im Vergleich zu andern Klubs hohen Spesenentschädigungen weiss, die in der Vergangenheit in Zuchwil an die Spieler bezahlt wurden, verwundert dieses finanzielle Argument. Zudem war die Ausgangslage klar: Nicht alle werden ihrer Wunschgruppe zugeteilt werden. Und auch die Westgruppe hätte lange Auswärtsfahrten in die Romandie beinhaltet. Sogleich die Opferkarte auszuspielen, zeugt deshalb von mangelndem Sportsgeist. Es gibt immer Gewinner und Verlierer.
Der Fakt, dass einige Spieler schon – unabhängig der Gruppenzugehörigkeit – längst ihren Abgang kommuniziert hatten, lässt die Vermutung aufkommen, dass die Zuchwiler kommende Saison sowieso nicht mehr an der Spitze der 1. Liga hätten mithalten können. Der freiwillige Abstieg in die 2. Liga auf den sturen Verband zu schieben, hätte nach aussen besser ausgesehen. Nur ging der Fall ungebremst bis in die tiefste Liga, weil man Vorgaben und Reglemente ausser Acht liess und auf den Goodwill des Verbands hoffte. Ein Eigentor, wie sich jetzt zeigt.


Bearbeitet von rouge+jaune-1939 (04/05/2018 21:52)