Unsichere Zeiten im Emmental

22.9.2020 - Von Simon Wüst

Nicht wegen der Corona-Pandemie, sondern vor allem aus sportlicher Sicht steuern die Tigers aus Langnau in unsichere Zeiten. Die Wechsel im Führungsstab mit internen Rochaden lassen viele Fragen offen: Hat der bisherige Assistent das Zeug zum führungsstarken und erfolgreichen Headcoach? Ist Ivars Punnenovs bereit für eine "Solo"-Saison unter dem neuen Goalie-Trainer Viktor Alm? Vermag Marc Eichmann die Rolle des Sportchefs auszufüllen?

Im Emmental, mit seinen doch begrenzten finanziellen Mitteln, ist es wichtig die kleinen Dinge besonders gut zu machen. Dies ist in den vergangenen Jahren recht gut gelungen und nur so konnte man mit dem Rest der Liga mithalten. Und dazu gehört nicht nur das aktive Kader auf dem Eis, sondern auch der Führungsstab im Hintergrund. Aber gerade dort musste auf die neue Saison hin einiges umgebaut werden. Bandengeneral Heinz Ehlers, welcher erfolgreich humorloses Defensivhockey zelebrieren liess, ist weg. Sein Assistent Rikard Franzén hat das Steuer übernommen. Seine Erfahrungen als Hauptverantwortlicher im Profibereich beschränken sich aber auf eine halbe Saison in Schweden, ansonsten war er bisher "nur" Assistent, Sportchef oder U20-Coach. Aber gerade die Erfahrung im Juniorenbereich könnte sich langfristig als Glücksfall erweisen. Denn die Zukunft bei Langnau muss stärker im Einbezug der Eigengewächse liegen, dies hat gerade die jetzige Situation aufgezeigt. Franzén könnte ein Händchen dafür haben...

Marc Eichmann heisst der neue Sportchef, welcher eigentlich vom SC Langenthal als Goalie-Coach engagiert wurde, aber mangels Alternativen und aus Kostengründen noch vor Amtsantritt zum Sportchef befördert wurde. Eine eher spezielle Vorgehensweise, welche aber nicht zwingend zum Scheitern verurteilt sein muss, bringt er doch ein wenig Führungserfahrung mit. Grosse Transferaktivitäten waren wegen Corona sowieso nicht möglich und bei den SCL Tigers unter Peter Jakob steht seit vielen Jahren die Wirtschaftlichkeit sowieso an oberster Stelle. Also wurde auf unnötige Ausgaben verzichtet und so konnte der neue Sportchef auch noch wenig falsch machen...

Kader:

Dass die Langnauer scheinbar nur mit zwei oder vielleicht drei Ausländern in die Saison starten, könnte ihnen das Genick brechen. Robbie Earl hat seinen Zenit schon längst überschritten und ist zudem verletzungsanfällig, ausserdem auch kein Leader wie Chris DiDomenico oder einst Todd Elik. Aber einen solchen bräuchte das Team um Captain Pascal Berger dringend. Vielleicht vermag sich Ben Maxwell in diese Richtung zu entwickeln, ein Garant für Tore ist er allemal und bestimmt auch einer der meist unterschätzten Ausländer der Liga. Die Hoffnungen im Emmental ruhen auf seinen Schultern. Aber das wars dann auch schon.

Die restlichen Akteure mit Schweizer Pass vermögen die Lücke der fehlenden Ausländer kaum zu füllen. Auch hier ist die Qualität nur beschränkt vorhanden. Die Zuzüge von Flavio Schmutz (Fribourg) und Gianluca Zaetta (EVZ Academy) sind zudem kein Ersatz für Ciaccio, Cadonau und vor allem Pesonen, Gagnon und DiDomenico. Wenigstens versucht man seit langem wieder einmal auf die Jugend zu setzen und hat drei Spieler aus dem Nachwuchs befördert. Bleibt die Hoffnung, dass diese tatsächlich Potenzial haben und sich zu National-League-Spielern entwickeln, und nicht nur aus Kostengründen nominiert wurden.

Defensiv konnte man das bescheidene Niveau von letzter Saison halten. Das System steht und fällt aber mit der Form und der Stabilität von Goalie Ivars Punnenovs. Der Lette mit Schweizer Lizenz ist die Lebensversicherung der Emmentaler, und er ist dazu verdammt eine Top-Saison abzuliefern. Gelingt ihm dies, geht es einerseits den SCL Tigers gut, und andererseits empfiehlt er sich für grössere Aufgaben. Sei es in der NHL oder bei einem grossen Club der National League (wahrscheinlich ist es nur Corona zu verdanken, dass man ihn überhaupt noch halten konnte). Falls er versagt, steigen zwar die Langnauer glücklicherweise nicht ab, aber er verliert persönlich an Marktwert und vielleicht wertvolle Jahre seiner Karriere.

Offensiv ist die Mannschaft deutlich schwächer einzustufen als letzte Saison. Auch falls der Coach den Stürmern mehr Freiheiten und weniger defensive Verpflichtungen geben sollte, wird es schwierig, denn es fehlt an qualitativer Substanz. Die fehlenden Skorerpunkte des Duo Pesonen/DiDomenico werden in der Endabrechnung bestimmt fehlen. Die Neuverpflichtungen der letzten Jahre (Neukom, Diem, Sturny, In-Albon, Schmutz) müssten nun Verantwortung übernehmen und ihre bisherigen Leistungen klar steigern.

Auf die Unterstützung des zahlreichen Heimpublikums mit der speziellen Ilfis-Atmosphäre können sie zu Beginn nicht zählen. Nur mit einem Effort jedes Einzelnen und einer überzeugenden Teamleistung haben die Emmentaler die Chance nicht Tabellenletzter zu werden. Eine Playoff-Qualifikation scheint diese Saison nicht realistisch.

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