Lausanne zwischen Rock und Ballade
In Lausanne trifft Eishockey auf Musik: Shania Twain – die kanadische Country-Rock-Ikone, seit Jahren am Genfersee zuhause – und Bastian Baker – der Westschweizer Schmuse-Pop-Sänger und frühere Hockey-Verteidiger. Zwei, die sich nicht nur die Region teilen, sondern auch die Bühne: Baker eröffnete als Vorgruppe Twains Las-Vegas-Show. Später beschrieb sie ihn in einem Interview fast wie einen Bruder oder Sohn. Und Twain selbst brachte im Stanley-Cup-Finale 2024 in Edmonton die Halle zum Kochen. Genau dieser Kontrast – laut, kompromisslos und voller Energie bei Twain, sanft, kontrolliert und melodiös bei Baker – ist der Schlüssel für die neue Saison des Lausanne HC: ein Orchester zwischen Rock und Ballade. Eines, das auch reif für den Titel ist?
Lausanne rückt näher an die ZSC Lions – das Finale liegt erneut im Bereich des Möglichen. Am Genfersee, wo Shania Twain (Country-Power) und Bastian Baker (Schmuse-Pop) sinnbildlich aufeinandertreffen, hat John Fust das Kader trotz zahlreicher Abgänge geschickt ergänzt. Geoff Ward dirigiert das Ganze – als Arrangeur mit viel Fingerspitzengefühl für Tempo, Dynamik und Einsätze.
Welche Musikrichtung könnten die Positionen im Tor des Lausanne HC am besten für sich beschreiben? Shania Twains Country Rock oder Bastian Bakers Pop-Balladen? Je nach Aufstellung verändert dies das Gesicht der Ausrichtung auf das Spiel. Mit Rückkehrer Connor Hughes, der eher den Country Rock beschreibt (Organisation Montréal Canadiens / Laval Rocket), wird der zuletzt oft eingesetzte Kevin Pasche entlastet. Dabei ist Pasche der ruhigere Torhüter, der wohl am besten mit Schmuse-Sänger Baker verglichen werden kann. Fust setzt bewusst auf Konkurrenz im Tor. Hughes absolvierte eine solide AHL-Saison. Es gelang ihm indes nicht, die Canadiens in 29 Partien nachhaltig zu überzeugen. Jetzt tritt er erneut ins Duell mit Pasche. Dieser übertraf vergangene Saison alle Erwartungen und war in Lausanne klar die Nummer eins. In seinen 42 von 50 Einsätzen und einem Gegentorschnitt von 2.09 pro Partie rangierte der Waadtländer hinter Stéphane Charlin (SCL Tigers) auf Platz zwei.
Es wäre nicht überraschend, wenn einer der beiden – Pasche oder Hughes – im Saisonverlauf unzufrieden wird und auf dem Transfermarkt landet. Zusätzlich steht Thibault Fatton bereit. Dieser wird mit grosser wahrscheinlichkeit seine Saison mit dem HC Sierre in der Swiss League bestreiten. Bei Bedarf oder Verletzung einer der beiden Torhüter wird er von Sierre nach Lausanne beordert. Das Crossover im Tor könnte daher sehr gut funktionieren. Nicht nur Twain und Baker haben dies in Las Vegas vorgemacht.
Die Verteidigung ist die Stärke von Bastian Baker. Der ehemalige Captain der U20 der Lausanner (2009/10) war selbst Abwehrspieler. Da erstaunt es nicht, dass wir die Abwehr in seinen Wirkungsbereich des sanften Pops schieben. In dieser ist solides Handwerk gefragt. Die Ausländerfraktion wurde komplett erneuert. Lawrence Pilut sucht nach seiner Verletzung einen neuen Klub, Gavin Bayreuther wechselte nach einem Jahr in der Schweiz zurück nach Nordamerika (Organisation Carolina Hurricanes), David Sklenicka schloss sich innerhalb der Liga dem EV Zug an.
Aus der Organisation der Vancouver Canucks kommt Erik Brännström. Ihn als reinen Defensivspezialisten zu etikettieren, wäre eigentlich ein No-Go, jedoch ist er von seinen besten offensiven Tagen einige Schritte entfernt. Gelingt der Reset, kann er Lausannes Spiel aus der Abwehr beleben und im Powerplay helfen – Fragezeichen bleiben.
Von EHC Kloten kam Sami Niku (52 Spiele / 30 Punkte, +/-: +5). In Kloten überzeugte er vor allem im Powerplay. Die Erwartungen an ihn werden in Lausanne steigen. Da könnte Anspruch und Taktzahl auseinanderdriften oder zu einem möglichen frühen Abgang führen.
Damit setzt Lausanne auf eine solide und gute Verteidigung. Bastian Baker hätte seine Freude daran. Ruhiger Aufbau, kaum Rauschen im Getriebe und dennoch eine saubere Grundmelodie.
Eine komplett andere Musikrichtung schlägt Fust in der Offensive an. Country Rock vom feinsten, Orchestriert nach dem Willen von Shania Twain. Wucht, Speed, Kompromisslosigkeit und eine Priese Extrovertierheit stehen bereit. Mit den Ausnahmekönnern Dominik Kahun und Austin Czarnik, der erstere kam während der Saison vom SC Bern der letztere auf die neue an den Genfersee, kommen Speed und Spielwitz, aber auch defensive Verlässlichkeit. Der grösste Pluspunkt dürfte für Ward sein, dass beide beim SC Bern bereits zusammen Erfahrung gesammelt haben. Diese Chemie stach in der stärksten Phase der Berner ins Auge. Dies dürfte auch dem Lausanne HC zugutekommen. Mit Drake Caggiula erhielte die Linie zusätzliches Tempo. Um die Offensiv-Ausflüge abzusichern, dürfte Ward einen der Finnen Ahti Oksanen oder Antti Suomela in diese Reihe stellen.
Die Abgänge – Gian-Marco Hammerer, Ronalds Kenins, Brandon Perlini, Michael Raffl, Lauris Pajuniemi (zu den Malmö Redhawks, SHL) – sind grösstenteils aufgefangen, teils besser ersetzt. Kein Wunder wirkt dieser Sturm durchaus wie der ironische Titel von Shania Twain - «Men – I feel like a Women» - stark, sarkastisch und unverblümt.
Bei den Schweizern wog der Aderlass jedoch schwerer: Andrea Glauser (Fribourg), Lukas Frick (Davos) und Joël Genazzi (Rücktritt). Die Decke ist dünner. Die Jungen Iñaki Baragona, Cédric Fiedler, Nathan Vouardoux und der 18-jährige Gaël Haas haben aber bereits NL-Reife angedeutet. Via HC Sierre bleiben Leihen eine Option zur Lastverteilung.
Mit Ordnung hinten (Baker-Modus), Tempo und Direktheit vorne (Twain-Crossover) und einer klaren Torhüter-Rollenverteilung (Hybrid-Track) ist die Final-Reprise realistisch. Das Kader wirkt – abgesehen von der Tiefe in der Verteidigung – stärker als vor Jahresfrist. Geoff Ward hält den Taktstock und findet, wie dies gute Dirigent tun, immer wieder einen Weg zum Sieg. Vielleicht diesmal mit dem besseren Ende für den Lausanne HC?
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13.
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