Ein Leak, das Genf ins Playout treiben könnte

07.09.25 - Von Urs Berger

Die Calvin-Stadt am Ende des Genfersees hat schon vieles erlebt: Aufstiege, Meistertitel, Champions Hockey League. Letzte Saison dann der tiefe Fall – nicht einmal die Playoffs wurden erreicht. Die Ursachen? Abseits vom Eis würde man in Genf sprechen von Briefkastenfirmen, Leaks und Papiere, die nicht hielten, was sie versprachen. Und dieses Jahr? Sagen wir es, wie es ist: ein Hochglanzprospekt, der über den Inhalt hinwegtäuscht. Oder noch pointierter: Den Genfern drohen schlimmstenfalls die Playouts. Titelträger von gestern – Abstiegskandidat von morgen?

Mit dem Torhüter-Duo Robert Mayer und Stéphane Charlin stehen die Genfer auf den ersten Blick solide da. Doch Mayer wirkt zunehmend wie eine alte Offshore-Struktur: mehrfach geprüft, stoisch zuverlässig – aber in entscheidenden Momenten nicht mehr belastbar. Immer wieder rutscht ihm ein Schüsschen durch die Schonern: kleine Leaks, die Gegner gnadenlos ausnutzen. Die Folge: Mayer droht zur Nummer zwei zu werden.

Stéphane Charlin dagegen ist die mögliche Zukunft der Calvin-Städter. In Langnau hat er bewiesen, wie viel Substanz er mitbringt. Doch kann er seine beste Saison ausgerechnet am Genfersee bestätigen? Für Servette ist das ein Hochrisiko-Investment – chancenreich, aber ohne Sicherheitspuffer. Fällt einer der beiden aus, muss Marc Gautschi liefern. Für den General Manager keine einfache Ausgangslage.

Die Verteidigung präsentiert sich mit zwei Ausländern als Aushängeschildern – pardon: als Hochglanz-Broschüren, die strukturelle Probleme kaschieren sollen. Jan Rutta und Vili Saarijärvi sind die Namen, die Vertrauen schaffen sollen. Rutta wirkt wie ein grosser Trust: substanziell, standfest, aber träge, sobald er überlastet wird. Saarijärvi hingegen gleicht einem kreativen Steuerkonstrukt: flink, trickreich, aber oft zu kompliziert in der Ausführung – was seine Vorstösse nach vorne unberechenbar, aber nicht immer nützlich macht.

Tim Berni ist für einen Verteidiger noch jung, bringt viel Ordnung ins System und hat das gewisse Etwas, um zu wissen, wann er sich sicher in die Offensive einschalten kann. In der Bankenwelt wäre er der geborene Compliance-Anwalt – einer, der für Stabilität sorgt.

Mit Roger Karrer und Simon Le Coultre stehen zwei verlässliche Schweizer Assets auf dem Eis. Sie sichern ab, halten das System zusammen und glänzen mit punktuellen Akzenten nach vorne. Anders Dave Sutter: ein limitierter Stay-at-Home-Verteidiger, wie eine massive Holding, die seit Jahrzehnten am selben Steuerstandort verharrt – stabil, aber unbeweglich.

Der Sturm ist ein grosses Risikopapier. Markus Granlund und Sakari Manninen sind clevere Spieler, die immer wieder zu grossen Aktionen ansetzen. Ihre Kälte im Angriff gleicht einer nordischen Holdinggesellschaft: lange unsichtbar, dann im entscheidenden Moment gnadenlos zuschlagend. Die Frage, die sich aufdrängt: Reicht das für Genf? Auf dem Papier ja. Aber in der Realität?

Auch Jesse Puljujärvi verspricht Spektakel. Aber für wen? Eher für die Zuschauer oder für den Gegner, der sich die Tore des finnisch-schwedischen Doppelbürgers einschenken lässt? Es würde nicht verwundern, wenn Puljujärvi wie ein riesiger Werbeprospekt erscheint. Nur: ob er tatsächlich Rendite auf dem Eis umsetzt, ist ungewiss.

Marco Miranda, Vincent Praplan und Luca Hischier sind für eine Überraschung gut. Das Trio wird jedoch mehrheitlich als dritte Linie agieren und dem Team die dringend nötige Stabilität verleihen. Vor ihnen auf dem Papier dürften Jason Akeson, Taylor Beck, Josh Jooris und unter Umständen Marc-Antoine Pouliot stehen. Alle vier haben die Grenze von 30 Jahren überschritten. Reicht das in einer Tempoliga wie der National League? Es scheint, als sei dieses Quartett wie alte Fonds: sie laufen noch, zahlen vielleicht Dividende – aber Wachstum ist kaum mehr drin.

Dazu passt, dass mit Jimmy Vesey ein weiterer Börsenimport in die Calvin-Stadt stösst. Glamourös im Prospekt, aber es bleibt offen, ob er sich in der schnellen NL behaupten kann.

Zusammengehalten wird das Team von Noah Rod. Der 29-jährige Captain muss ein alterndes Ensemble zusammenhalten, Neuzuzüge integrieren und die jungen Spieler anleiten. Es scheint, als bereite er sich still und heimlich auf seine nächste Rolle nach der Eishockey-Karriere vor: CEO einer Holding im Umbruch. Doch die Frage bleibt: Ist die Last für einen Einzelnen nicht zu gross?

Es gibt indes auch Lichtblicke im Kader. Finanzmarktexperten würden von Venture Capital sprechen. Der litauisch-amerikanische Doppelbürger Simas Ignatavicius (Jg. 2007) könnte eine der grössten Überraschungen der Liga werden. In der vergangenen Saison überzeugte er in der Elite U20 mit 50 Punkten in 45 Spielen – ein Leistungsausweis, der auf enormes Potenzial hindeutet. Oder auf eine Blase, die platzen kann. Beides ist in diesem Alter möglich.

Das Fazit für Genf ist ernüchternd: Kaum Blue-Chips, die sich für die Zukunft aufdrängen. Ein alterndes Kader, der wie ein dünnes Fundament an Briefkastenfirmen wirkt. Die Rendite, die einst so schön war – Meistertitel, Champions Hockey League – ist verbraucht. Darunter kommt die nackte Wahrheit hervor: Für eine Playoff-Gala wird es kaum reichen. Früher oder später wird es ein grosses Leck geben. Die einst strahlende Holding steht vor der Implosion.

Swiss Secrets, Panama Papers – am Genfersee ist der nächste Leak wohl nur eine Frage der Zeit.
 

hockeyfans.ch-Ranglistentipp
1.
2. SC Bern
3.
4.
5. HC Davos
6.
7. HC Ambrì-Piotta
8. Fribourg-Gottéron
9.
10. SCL Tigers
11. HC Lugano
12. Genf-Servette
13.
14. HC Ajoie

 

Zum Saisonstart: Slapshot Hockey-Guide 2025/2026

Jetzt vorbestellen! Der Guide erscheint kurz vor Saisonstart!
CHF 20 (zzgl. Porto)

Bestellung

Verwandte Hintergrund Artikel