Winterthur wird Eishockey-Zentrum
Die Nationalliga-Clubs haben einstimmig ihr Segen gegeben, womit die letzte sportpolitische Hürde überstanden ist: Winterthur wird zum Eishockey-Zentrum und dabei den Verband und seine Eishockey-Akademie beherbergen. Wir bringen die Hintergründe zum Projekt.
Es ist ein ambitiöses Projekt, das in Winterthur entsteht. Und für beide Seiten ist es ein Glücksfall, dass sich das Schweizer Eishockey und das geplante Internationales Zentrum für Leistungs- und Breitensport (IZLB) gefunden haben. Das 50 Millionen Franken teure Projekt mit zwei Dreifachturnhallen, ein Krafttrainingsbereich, eine Indoor-Rennbahn und Unterkünfte für bis zu fünf Teams und einer Reha-Klinik in der Nähe wird nun auf geschätzte 65 Millionen Franken aufgestockt und auch fünf Eisfelder beinhalten. Die vor wenigen Jahren eröffnete Eishalle Deutweg, in deren Umgebung gebaut werden soll, steht bereits und bietet auch Platz für 3500 Zuschauer. Neu sollen zwei Trainingshallen kommen mit Zuschauerrängen für bis zu 1000 Zuschauern, wobei für ein Feld NHL-Masse vorgesehen sind. Dazu sind zwei Aussenfelder geplant. Die zwei Dreifachturnhallen können zudem zu einer Eventhalle mit bis zu 1200 Zuschauern umgestellt werden für die lokalen Handball- und Unihockey-Clubs, die ebenfalls vom Zentrum Gebrauch machen werden.
Für den Eishockey-Bereich gibt es drei Funktionen in Winterthur. Wenn alles rechtzeitig abläuft, wird der Verband (Swiss Ice Hockey Association) 2013 seine Räumlichkeiten von Zürich-Oerlikon nach Winterthur umziehen. Dazu entsteht ein Nationales Ausbildungszentrum nicht nur für Spieler, sondern auch Trainer, Schiedsrichter, Manager und Funktionäre. Winterthur wird damit zukünftig auch die Basis für sämtliche Schweizer Nationalteams. Und dann wird auch das Academy-Team dort spielen.
Akademie als ambitiöses Sportprojekt
Das sportlich ambitiöseste Projekt und dessen Herzstück ist die „Hockey Academy“, welche von Ueli Schwarz geleitet wird - in der NLA bekannt durch seine Trainer- und Manager-Tätigkeiten in Basel, Bern und Fribourg. Dafür weilte er auch mehrere Wochen beim Vorbild dieser Idee, dem Nationalteam-Entwicklungsprogramm des US-amerikanischen Eishockeyverbandes in Ann Arbor (Michigan). In den USA werden die besten Talente eines Jahrgangs zusammengezogen und eine Saison lang in U18- und U17-Nationalteams konzentriert, die ausgebildet werden und gegen ältere Gegner spielen. Das U17-Nationalteam spielt in der höchsten Juniorenliga USHL mit, das U18-Team spielt auch gegen Universitätenteams. Seither haben die Amerikaner mehr Talente produziert und mehr Erfolg bei den U20- und U18-Weltmeisterschaften gehabt.
„Wir wollen 25 Spieler im Alter von 15 bis 17 Jahren nach dem Austritt aus der obligatorischen Schule sich im Sinne eines 10. Schuljahres während elf Monaten voll auf Eishockey setzen zu können“, sagt Schwarz. „Wir setzen auf Eishockey, aber auch für Life Skills, die der Spieler brauchen kann, selbst wenn er später nicht auf Eishockey setzt.“ Die schulische Bildung soll dabei nicht zu kurz kommen. Passend zur Herkunft des Sports könnten dabei Englisch-Lektionen eine Rolle spielen.
Die Hockey Academy in Winterthur soll die schweizerische Antwort auf das amerikanische Programm werden. In diesen „elitären“ Auswahl mit den Besten des Jahrgangs können die Talente mehr lernen als in der breiten Masse an Juniorenteams mit hohem Leistungsgefälle. Die Ligen der Alterskategorien Elite und Novizen sollen damit nicht direkt konkurriert werden, sondern die nationalen Spitzenspieler eines Jahrgangs stärker gefördert werden und gestärkt zu ihren Clubs zurückkehren.
Mitfinanziert soll das Academy-Jahr dabei auch von Elternbeiträgen werden, die sich jedoch im tragbaren Rahmen halten sollen, wie Schwarz sagt. Die besten 25 Spieler sollen selektiert werden nach verschiedenen Kriterien, wobei die U16-Nationalmannschaft gewiss eine grosse Rolle spielen wird.
In ihrem Akademie-Jahr sollen sie auf eine mögliche Eishockey-Karriere vorbereitet werden, jedoch auch eine Lebensschule erhalten, falls sie einen anderen Weg einschlagen sollten. Die Mannschaft soll ab 2013/14 in der Elite A, der höchsten Juniorenliga der Schweiz, gegen die dortigen U20-Auswahlen der besten Schweizer Clubs spielen bis vor den Playoffs. Mit Playoff-Beginn sollen sie zu ihren Clubs zurückkehren. Ein Clubwechsel soll nicht möglich sein, damit für die Clubs der Anreiz, den Spieler nach Winterthur zu schicken, nicht verloren geht. Für das Academy-Jahr werden die Ausbildungspunkte mit dem Club geteilt, das heisst im Erfolgsfall erhält die Academy einen kleinen Teil der Ausbildungsentschädigungen, welche die Clubs für jeden Kaderspieler bezahlen und für selbst ausgebildete Spieler wieder zurückerhalten.
Meilenstein für Schweizer Eishockey
Hocherfreut über das einstimmige Ja der NLA- und NLB-Clubs zeigte sich der Verbandspräsident Philippe Gaydoul, selbst wenn er im anderen Teil - der Zusammenlegung von Verband und Liga in Winterthur - vorderhand eine Niederlage einstecken musste.
„Es ist ein spezieller Tag für das Schweizer Eishockey“, sagte Gaydoul. „Es ist unter Ziel, die strategischen Aufgaben im Schweizer Eishockey zukünftig zu bündeln, mit den Nationalmannschaften Medaillen zu gewinnen, die Begeisterung für den Sport markant zu steigern und die Wertschöpfung zu erhöhen. Wir wollen den Abstand zu den grossen Eishockey-Nationen verkleinern. Als Basis dazu soll das Ausbildungszentrum gelten.“
Mit seinem „eigenen Domizil“ wird für den Verband selbst eine neue Ära mit mehr häuslicher Prestige eingeleitet und Winterthur zukünftig zum sportpolitischen Eishockeyzentrum, selbst falls die Liga einer Zusammenlegung ablehnen sollte und im Berner Vorort Ittigen im Haus der Sports von Swiss Olympic bleiben sollte anstatt im „House of Hockey“ in Winterthur.
Vorhandenes Projekt gab den Ausschlag
Bereits vor 18 Monaten hatte die SIHA mit dem Projekt gestartet und es standen zahlreiche Orte zur Auswahl. Winterthur war mit Huttwil und Zürich im „Finale“ der Detailprüfung. Auch Biel, Kreuzlingen, Sursee und Zuchwil waren unter den Kandidaten. Doch vor allem weil es ohnehin die Pläne mit dem IZLB gab und dieser sich in flexibler Manier um die Eishockeyaner warb, fiel der Entscheid auf Winterthur. Die Kosten für das Bauprojekt werden sich dadurch von 50 auf etwa 65 Millionen Franken erhöhen.
„Ganz wichtig war die baldige Umsetzbarkeit und Synergiemöglichkeiten. In der Summe aller Kriterien ist die Wahl klar auf Winterthur gefallen. Winterthur ist am schnellsten bereit, in zwei Jahren steht das Projekt. Das Finanzierungskonzept in Winterthur war für uns perfekt“, sagt Gaydoul.
Der Verband beteiligt sich über eine neue Stiftung mit einem Kapital von zwei Millionen Franken an das Kapital über sechs Millionen Franken der IZLB Betriebs AG und hofft, dass diese nach drei bis vier Jahren Gewinn erwirtschaftet, der ausgeschüttet werden könnte und so an die SIHA, das Ausbildungszentrum und die Academy ginge.
Das Bauprojekt selbst wird von der eigenständigen IZLB Immobilien AG in Angriff genommen, die durch Fonds und Pensionskassen finanziert werden dürfte und die Räumlichkeiten als Vermieterin übergibt.
Banker als Initiator
Initiator des Internationales Zentrum für Leistungs- und Breitensport ist der seit einigen Jahren in der Schweiz lebende Deutsche Ulrich Knopp, ein ehemaliges Kadermitglied der Banken UBS, Credit Suisse und Sarasin.
„Wir haben vor vier bis fünf Jahren mit dem Projekt gestartet für ein polysportives Zentrum, das den Sport von Anfang an unterstützen soll und auch entsprechende Netzwerke bieten soll“, sagt Knopp. Eishockey-Spieler werden so etwa auch von Athletik-Trainern und Sportmedizinern profitieren können.
Wie in seiner bisherigen Branche übrig, steht aber auch die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund. „Wir sind mit den Behörden in Kontakt gewesen, national wie auch lokal für den Bau, aber wir wollen es nicht als staatliches Zentrum betreiben, sondern als ein wirtschaftliches Projekt“, erklärt Knopp.
Der Banker hat während seiner Studienzeit am Boston College selbst Eishockey gespielt. Ursprünglich war Eishockey aber nicht eingeplant, bis die Initiatoren von den Plänen um die Eishockey-Akademie erfuhren und das Projekt entsprechend anpassten.
„Eishockey wird der Primärsport und Hauptmieter sein, aber wird sind auch offen für andere Sportarten“, sagt Knopp. Etwa Fussball, Leichtathletik, Handball und Unihockey sind ebenfalls eingeplant sowie allenfalls weitere Hallensportarten. Wie die SIHA wird auch Knopp zu den Investoren der IZLB Betriebs AG gehören zusammen mit Partnern und einer Klinik, deren Präsentation noch nicht spruchreif ist.
Baueingabe durch Pete Sampras
Am 9. März soll das Baugesuch eingereicht werden. Symbolisch für die Polysportivität wird der ehemalige Tennis-Star Pete Sampras anlässlich eines Tennis-Turniers die Baueingabe übergeben. Vor Einsprachen haben die Investoren keine Angst, zumal man städtebaulich auf die Nachbarschaft Rücksicht genommen hat und mit dieser ein erfreuliches Treffen hatte. Ausserdem gehört der Boden ohnehin der Stadt Winterthur. Der Stadtrat hat den positiven Entscheid aus dem Eishockey daher mit Freude zur Kenntnis genommen. Im Sommer soll mit dem Bau begonnen werden und das Schweizer Eishockey ab 2013 sein neues Zentrum erhalten.
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… von Martin Merk
Internationales Zentrum für Leistungs- und Breitensport
So soll das Internationales Zentrum für Leistungs- und Breitensport in Winterthur aussehen. Foto: IZLB
Der Standort des zukünftigen IZLB bei der Eishalle Deutweg. Foto: Google