Neue Ära lanciert

10.11.2014 - Von Martin Merk

Die neue Ära der Schweizer Nationalmannschaft ist gestartet. Nach 17 Jahren mit bloss zwei Trainern hofft Glen Hanlon, dass auch er das hiesige Eishockey nachhaltig prägen kann. Von seinen Vorgängern unterscheidet ihn einiges, doch eines bleibt: Der Deutschland Cup ist für die Schweizer vor allem ein Sichtungsturnier für die Zukunft. Nur wenige Spieler haben echte Chancen, bei der IIHF Eishockey-Weltmeisterschaft im Mai dabei zu sein.

Der Deutschland Cup war für die Schweizer ein Turnier mit Hochs und Tiefs, oder chronologisch besser ausgedrückt: mit Tiefs und Hochs. Gegen die aufgrund ihres klar auf Turniersieg angesetzten Aufgebots favorisierten Deutschen sahen die Schweizer im Startspiel nicht gut aus, konnten sich jedoch im Turnierverlauf steigern zu einem glückhaften Sieg gegen Kanada und einem „richtigen“ Erfolgserlebnis gegen die Slowakei.

„Wir sahen einen Fortschritt durch das Turnier während die Spieler das System lernten“, sagt Hanlon nach dem Turnier und lobte den Charakter der jungen Garde wie auch der Routiniers, die den jungen Spielern halfen. „Ich bin glücklich, nicht in erster Linie über die Siege, sondern dass wir jedes Spiel besser wurden. Ich bin vor allem glücklich für die Neulinge.“

„Das Wichtigste, was ich gelernt habe für die Zukunft, ist, dass diese Spieler mit Herz spielen. Sie wollen gewinnen und haben Charakter. Von den Spielern, die ich hier sah, ist das Niveau in der NLA sehr gut. Niemand hier war ausser Form. Ich habe hier keinen Spieler gesehen, der etwas getan hat, das seine WM-Chancen reduzieren würde für die Zukunft. Vielleicht nicht diese Saison, aber das heisst nicht, dass sie es nicht schon jetzt schaffen können.“

Hanlon ist ein Hockeydiplomat. Schon bei seinen früheren Jobs hat er sich den Ruf als hochanständiger Trainer erarbeitet. Deswegen hütet er sich davor, Einzelkritiken preiszugeben, denn einige Spieler dieses Teams mit elf Neulingen haben nach dem Turnier durchaus wenig Aussichten auf eine WM-Teilnahme in Prag. Gerade in der Abwehr wirkten einige Spieler mit wenig Erfahrung auf diesem Niveau überfordert und müssen sich deutlich steigern, um vielleicht in ein, zwei Jahren ein Thema zu sein. Am auffälligsten wirkte hinten Clarence Kparghai, zur Entdeckung wurde Cédric Hächler.

„Er hat sich im Turnierverlauf so stark gesteigert. Ihr hättet ein Foto von ihm machen sollen mit seinem Lächeln im Gesicht, das er für immer zu haben schien. Wegen solcher Beispiele liebe ich es Trainer zu sein“, sagt Hanlon nach dem Slowakei-Spiel über den Lakers-Verteidiger.

Auf der Torhüterposition zeigte sich, dass diese weiterhin eine der Stärken des Schweizer Eishockeys ist, wie auch Hanlon wohltuend feststellen konnte. Sowohl Daniel Manzato wie auch der Neuling Sandro Zurkirchen konnten sich für weitere Aufgebote empfehlen.

„Wir hatten während allen Spielen weltklasse Torhüterleistungen. Sie kassierten in drei Spielen nur fünf Gegentore“, so Hanlon. „Die Spieler spielten ihr System gut, aber am Schluss braucht es auch solche Torhüterleistungen.“

Im Sturm waren es vor allem zwei Blöcke, die zu überzeugen vermochten, während andere Offensivkräfte noch dazulernen oder aus ihrem generellen Formtief (Bodenmann) finden müssen.

Romano Lemm konnte sich etwa dreieinhalb Jahre nach seinem letzten WM-Auftritt und der Tortur eines Hirnnerventumors wieder für das Nationalteam empfehlen. Als Center führte er eine Linie an, in der auch Reto Suri und Lino Martschini überzeugen konnten. Schon zu seinen Juniorenzeiten hatten wir bei Martschini Vergleiche mit dem ebenfalls kleingewachsenen Martin St-Louis herangezogen. Diesen Vergleich musste er auch während des Deutschland Cups immer wieder hören, was er aber als Kompliment auffasst. Er kennt seine Stärken und Schwächen und lässt sie in seine Spielweise einfliessen, die durchaus in Hanlons System passt und mit viel Lob vom Trainer belohnt wurde.

Hanlon arbeitete vermehrt am Transitionsspiel und will sich die läuferischen Fähigkeiten der Schweizer zu Nutze machen.

Eine Entdeckung war auch der „Davoser Sturm“ um den Center Samuel Walser und die Flügel Dino Wieser und Dario Simion. Walser wurde zum einzigen Schweizer Doppeltorschützen am Turnier, während Wieser für seinen Einsatz Extra-Lob erhielt und als Belohnung das Captain-Amt im Abwesenheit Lemms im letzten Spiel.

„Er arbeitet in jedem Einsatz als ob es der letzte Einsatz seines Lebens wäre. Er ist ein guter Leader“, zeigt sich Hanlon beeindruckt.

Auffällig war auch wie sich Hanlon als nordamerikanischer Trainer modernen Verschnitts in den Verband einfügte. Liessen Ralph Krueger durch sein Charisma und Sean Simpson durch seine Garstigkeit eine Aura des Unantastbaren entfalten, die letztlich auch zum Abbruch der Vertragsverhandlungen des Letzteren führte, so gliedert sich Hanlon in den Verbandsapparat ein wie in einer NHL-Organisation, schaut bei Medienanlässe gerne mal zu seinem Chef (Ueli Schwarz) oder dem Kommunikationsmanager rüber um sicherzugehen, ob er eine Neuigkeit schon preisgeben darf.

Fleissig erkundigt er sich nach geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen des Schweizer Eishockeys für seine Aufgebote, lässt Spielpläne und in der Champions Hockey League und im Spengler Cup ausgelastete Clubs in seine Planspiele miteinbeziehen wie dies zuletzt schon Simpson tat.

„Die Regeln werden alle auf einem anderen Level gemacht und ich wähle die Spieler aus sobald ich weiss, was ich machen darf“, sagt er im Stile eines Mitarbeiters des Monats. Ein wahrer Hockeydiplomat eben, der für seine Entourage pflegeleichter und berechenbarer zu sein scheint als sein Vorgänger. Wie sich sein anderer Stil im Coaching auswirkt, muss sich hingegen erst noch weisen. Ein erstes Fazit kann nicht nach dem ersten Sichtungstermin gezogen werden, dafür aber nach der WM. Dort wird erwartet, dass er wie zuletzt Weissrussland auch die Schweiz ins Viertelfinale führt.

„Wenn das ein Marathon war, sind wir erst beim Start. Erst wenn die Weltmeisterschaft vorbei ist, können wir wirklich ein Fazit ziehen“, sagt denn auch Hanlon.

Offen zeigt sich Hanlon in der Kommunikation mit den Nationalteam-Veteranen. Altgediente Spieler wie einen Mathias Seger oder Martin Plüss muss er bei solch frühen Sichtungsterminen nicht unbedingt dabei haben. Sie bleiben auch so WM-Kandidaten, während Hanlon die Termine im Herbst und Winter dazu nutzen möchte junge Spieler auszuprobieren.

„Unsere Routiniers die schon mitten in den 30ern sind müssen nicht hier sein. Ich habe keine Altersgrenze, gehe aber mit meinem Bauchgefühl. Ich sagte ihnen: ‚Spiele hart, sei effektiv, sei ein Leader in deinem Team, bringe dein Team soweit du kannst in den Playoffs und ruhe dich in den Pausen aus. Wenn die Saison vorüber ist kommen wir und sprechen mit dir‘“, erklärt Hanlon.

In wenigen Wochen geht es mit der Arosa Challenge (19./20. Dezember) auf heimischem Eis weiter. Das Aufgebot hat Hanlon höchstens in groben Massen im Kopf, da er Kandidaten zwischen den November- und Dezember-Anlässen aufteilte. Er hofft, dass jene Abwehrspieler, die für München kurzfristig absagen mussten (Blum, Du Bois, von Gunten) in Arosa dabei sein können.

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Hanlon

Glen Hanlon gab am Deutschland Cup sein Debut als Schweizer Nationaltrainer. Foto: Christoph Perren
 
 

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