Wer beerbt Sean Simpson?

04.03.14 - Von Martin Merk

Was muss ein Nationaltrainer mitbringen? Er muss modernes Hockey zelebrieren, um den mutigen Weg Sean Simpsons weiterführen können. Er sollte nicht vorbelastet sein und die Mentalität des Schweizer Eishockeys kennen. Grosse Nationen haben Nationaltrainer aus dem eigenen Eishockey, oftmals bringen nur kleinere Länder (mit der Ausnahme von Norwegen) Trainer von aussen ein.

Im sensiblen Schweizer Eishockey-Netzwerk ist Kommunikation und Mehrsprachigkeit wichtig. Der Trainer muss mit Spielern, aber auch mit der Führung umgehen können, ebenso mit Clubs. Jede kleine Kommunikationspanne kann in der Schweiz zu Polemik führen. Trotzdem muss er die gewisse Autorität und das gewisse Ego haben, das es auf höchster Ebene braucht. Er darf jedoch weder vorbelastet sein, noch Interessenskonflikte mitbringen. Ein Nebenamt für einen Clubtrainer stellt der Job aus Verbandssicht daher nicht dar, dafür sollte man möglichst auch noch die U20-Nationalmannschaft übernehmen. So wollen das die Verbandsführung und die dahinter stehenden mächtigen Clubs.

Unser Verband könnte bald Dutzende Bewerbungen erhalten. Hier sind unsere Top-12-Kandidaten von den Namen, die derzeit herumgeistern oder herumgeistern werden:

Patrick Fischer

Patrick Fischer hat in Lugano Wundersames vollbracht. Dort wo Eishockey bei Palmen gespielt wird, scheiterten in den letzten Jahren Trainer im Takt weniger Monate. Fischer schafft es nun erstmals seit vielen Jahren, Konstanz an der Bande einzubringen. Obwohl er in der NLA zu den Grünschnäbeln unter den Trainern gehört, hat er sich eine gewisse Autorität aufgebaut. Er bringt zweifellos Ego, Mut und Selbstvertrauen mit, ist mehrsprachig und kann sich mit der Führung arrangieren. Den Verbandskittel hatte er als Assistent von Sean Simpson sowie bei den Junioren-Nationalmannschaften bereits an.

Nachteil: Will er in seinem relativ jungen Traineralter überhaupt den HC Lugano verlassen, wo er doch etwas aufbauen will? Auch wird die Clubführung um Vicky Mantegazza zweifellos alles unternehmen, um den Verbleib in Lugano schmackhaft zu machen. Nationaltrainer kann Fischer immer noch später werden.

Kevin Schläpfer

Auch Kevin Schläpfer ist ein Aufsteiger unter den Trainern. Einer, der den Geruch der Eisbahn liebt und mit vollem Elan dabei ist. Er macht im zweisprachigen Umfeld Biels glänzende Arbeit. Als Trainer eines Nicht-Spitzenclubs (Biel) und dem Baselbiet als Herkunft ist er unter den mächtigen Eishockey-Regionen neutraler als neutral und ohne Vorbelastung. Mit dem Erreichen der Playoffs mit dem EHC Biel hat er Wunder vollbracht, sich die Bezeichnung als Flachland-Del-Curto verdient und vermochte während des Lockouts auch mit grossen Stars umzugehen.

Nachteil: Schläpfer ist als Trainer ein Quereinsteiger, der zwar mit Biel mehr erreicht hat, als ihm oder dem Club zugetraut wurde, doch ausser als Gegner hat er keine Trainererfahrungen mit Spitzenteams. Das Nationaltraineramt wäre ein sehr rasanter Aufstieg.

Arno Del Curto

Die ewige Versuchung. Wenn immer der Verband, Journalisten oder Fans einen Nationaltrainer ersetzen wollen, taucht der Name Arno Del Curto auf. Wieso sollte der erfolgreichste Clubtrainer der Schweiz nicht dieses Amt übernehmen? Kaum ein Trainer in der Schweiz personifiziert das Eishockey so wie Del Curto. Er steht für Erfolg, sprudelt voller Elan, lässt attraktives Eishockey spielen und bringt Spieler weiter.

Nachteil: Del Curto ist ein Provinzfürst, dessen Wünsche in Davos erfüllt werden und Eigenheiten verzeiht werden. Es ist Davos-personifiziert, was bei einigen Clubs als negativ betrachtet werden könnte. Die Kommunikation in anderen Sprachen als Deutsch hält sich in Grenzen. Beim Verband müsste er sich den Strukturen unterordnen. Plötzlich wären ein Präsident und CEO sein Chef und nicht umgekehrt. Könnt ihr euch Del Curto in Anzug und Krawatte des offiziellen Partners an der Bande vorstellen, oder an einem Sponsorenanlass? Das Risiko ist da, dass der Engadiner Alpenvulkan auch weit weg vom Eis ausbrechen könnte.

Slava Bykov

Vor allem aus der Romandie wird der Name Slava Bykov portiert, der immer noch im Freiburgerland wohnt. Die internationalen Erfolge sind unbestritten. Er holte das russische Eishockey aus dem Dornröschenschlaf mit den Weltmeistertiteln 2008 und 2009. Der spätere Misserfolg in Vancouver 2010 und an der WM 2011 kostete ihn aber den Job. Seither wollte ihn in Russland auch im Club-Eishockey niemand mehr engagieren. Derzeit ist er zu haben und arbeitet lediglich als Berater an und hinter der Bande der polnischen Nationalmannschaft.

Nachteil: Deutsch gilt als wichtigste Sprache unter Nationalspielern, Englisch als wichtig in der Clubszene. Bykov spricht nur Russisch und Französisch. Zudem gab es ihn in den letzten Jahren nur im Doppelpack mit Igor Zakharkin, was die Sache auch nicht einfacher macht. Er beobachtet zwar das Schweizer Eishockey, seine Trainererfahrungen beruhen aber vor allem auf Russland.

Felix Hollenstein

Felix Hollenstein ist ein weiterer aufstrebender Schweizer Trainer. Er kennt das Schweizer Eishockey als langjähriger Spieler und Trainer. Obwohl er Mr. Kloten ist, geniesst er auch anderenorts ein hohes Ansehen. Ihm läuft es in Kloten nach den turbulenten Zeiten besser als viele angenommen haben. Still und heimlich könnten die Flyers die Qualifikation auf dem zweiten, mindestens aber auf dem dritten Rang abschliessen. Er weiss auch mit jungen Spielern umzugehen und arbeitete als U18-Nationaltrainer.

Nachteil: Seine Arbeit in Kloten ist noch lange nicht fertig. Dort kann er etwas aufbauen und hat nun - besser spät als nie - die Unterstützung der milliardenschweren Clubführung. Er wird den Club, wo er mit viel Herzblut dabei ist, kaum so schnell verlassen. Zudem endete seine Zeit als Verbandangestellter nicht ganz ohne Nebengeräusche.

Larry Huras

Der Kanadier, der drei Schweizer Landessprachen beherrscht, ist seit knapp einem Jahr ohne Trainerjob. Er kennt das Schweizer Eishockey aus zwei Jahrzehnten als Trainer und hat schon bei deutsch-, französisch- und italienisch-sprachigen Clubs trainiert. Ihm kann man keinen Club zuordnen, holte er seine drei NLA-Titel doch bei drei verschiedenen Teams – den ZSC Lions, dem HC Lugano und dem SC Bern.

Nachteil: War zuletzt nicht mehr im "Trainerkarussell" der NLA, sprich: seine Karriere hatte seit dem letzten Titel 2010 einen Knick. Er kennt das internationale Eishockey vor allem von der Kommentatorentribüne.

Bengt-Ake Gustafsson

Der Trainer mit den grössten internationalen Erfolgen an der Bande schlummert in der NLB bei den SCL Tigers. Bengt-Ake Gustafsson führte Schweden in Turin 2006 zum Olympiasieg und holte als einziger Trainer der Eishockeygeschichte im selben Jahr auch noch WM-Gold. Er war vier Jahre lang Assistenztrainer der Schweizer Nationalmannschaft unter Ralph Krueger.

Nachteil: Seit er das Dreikronenteam 2010 verliess, war er erfolglos. 2010/11 wurde er beim ZSC ebenso während der Saison ersetzt wie nach wenigen Monaten beim KHL-Team Atlant Mytischi und bei den Nürnberg Ice Tigers. Dass die Schweden in Turin 2006 nach Aussagen einiger Spieler ein Gruppenspiel verlor, um im Viertelfinale auf die Schweiz zu treffen, sowie seine gegenüber dem Schweizer Eishockey respektlosen Aussagen dazu in den Medien brachten ihm hierzulande nicht nur Freunde ein.

Anders Eldebrink

Ein weiterer Schwede in der Schweiz. Anders Eldebrink war zu Gustafssons Erfolgszeiten dessen Assistent in der schwedischen Nationalmannschaft. Er kennt das Schweizer Eishockey von den Kloten Flyers her – vier Jahre als Spieler, sieben Jahre als Trainer. Dort schlug er sich sowohl auf dem Eis wie auch hinter der Bande beachtlich.

Nachteil: Seit er Kloten verliess, rennt er früheren Erfolgen hinterher. Beim AIK Stockholm wurde er entlassen und landete letzte Saison bei den Rapperswil-Jona Lakers. Die Resultate dort sprechen nicht für ihn.

Ralph Krueger

Eine Zeitung aus der Romandie schlägt vor, bei Ralph Krueger anzuklopfen. Der Mann, der die Nationalmannschaft von 1997 bis 2010 trainierte und die Schweiz zur Top-8-Nation machte. Mangelnde Erfahrung kann man ihm gewiss nicht vorwerfen und sein "Feind" Philippe Gaydoul ist nicht mehr Verbandspräsident, der Weg scheint frei.

Nachteil: Kruegers Zeit lief mit Abnutzungserscheinungen ab, in sein Konzept passten einige Spieler nicht, wie der an der letzten WM glänzende Julien Vauclair. Verbände, die frühere Trainer zurückholen, haben nicht unbedingt Erfolg – siehe Tschechien, wo sich die letzten zehn Jahre zwei Trainer regelmässig abwechselten. Das weiss auch Krueger, der eine neue Herausforderung im Fussball beim FC Southampton angenommen hat.

Doug Shedden

Auch Doug Shedden wurde in der Presse schon ins Spiel gebracht. Er führte Finnland 2008 zu WM-Bronze und war auch schon beim kanadischen Verband engagiert. Seit 2008 ist er im Schweizer Eishockey mit dem EV Zug und sein Club würde ihn anhand der jüngsten Entwicklungen wohl gehen lassen.

Nachteil: Shedden hat beim EV Zug in seinen Jahren nie das erreicht, wovon der Club träumt, nämlich ins Playoff-Finale vorzudringen. Der Hitzkopf ist schwierig zu führen und würde ein gewisses Konfliktpotenzial mit sich bringen auch im Umgang mit den Clubs.

Jakob Kölliker

Einer der grössten lebenden Spielerlegenden des Schweizer Eishockeys ist derzeit ohne Job. Er arbeitete 12 Jahre lang für den Verband als U20-Nationaltrainer und als Assistent von Ralph Krueger, ist sprachlich gewandt, war danach ein Jahr lang Trainer der deutschen Nationalmannschaft, wo der Erfolg jedoch ebenso ausblieb wie bei seiner Rückkehr bei den SCL Tigers, die mit dem Abstieg endete.

Nachteil: Hat sich als Cheftrainer im Herren-Eishockey nicht etablieren können. Ihm wäre ein Job im Club-Eishockey zu gönnen, um sich doch noch dafür empfehlen zu können.

Kent Ruhnke

Ein weiterer Mann mit Schweizer Eishockey-Erfahrung, der noch zu haben ist. Kent Ruhnke gewann als Trainer Meistertitel mit Biel, dem ZSC und Bern, war während drei Jahrzehnten in der höchsten Schweizer Liga involviert und kennt die Szene.

Nachteil: Seit er Basel 2006 als Aufsteiger in die Playoffs führte, blieb der Erfolg aus – sowohl in Lugano, Biel wie auch in Olten. Sein letzter NLA-Job liegt vier Jahre zurück. Seine Spielweise gleicht er eher Krueger-Hockey als Simpson-Hockey und mit seinen Vorgesetzten kam es auch schon zu Krach.

Verwandte Hintergrund Artikel