Hartley: „Ich habe mich in die Schweiz verliebt“
Der Name Bob Hartley ist in aller Munde. Während er in Nordamerika immer wieder als Trainerkandidat auftaucht, will man in Zürich längerfristig auf ihn setzen. Mit der erfolgreichen Playoff-Kampagne nach einer miserablen Qualifikation macht der einstige Stanley-Cup-Sieger beste Werbung in eigener Sache und steht ab Dienstag im Finale dem SC Bern gegenüber.
Seit Beginn der NHL-Saison 2011/12 wird darüber spekuliert, zu welchem Klub Bob Hartley wechseln wird. Sein Zweijahresvertrag mit den ZSC Lions wird in Nordamerika nicht wirklich ernst genommen. Er sei in den europäischen Ferien, wird hinter vorgehaltener Hand getuschelt.
Scott Burnside von ESPN bringt Hartley immer wieder mit den Calgary Flames in Verbindung, da mit Jay Feaster ein guter Freund des ZSC-Trainers bei den Flames General Manager ist. Feaster und Hartley kennen sich aus der gemeinsamen Zeit bei den Hershey Bears. 1997 gewannen sie zusammen, Feaster als General Manager und Hartley als Head Coach, den Calder Cup. Zum Team von Hershey zählten damals auch Josef Marha, Christian Matte und Yves Sarault.
Ob Jay Feaster jedoch in der nächsten Saison noch General Manager der Calgary Flames sein wird, steht in den Sternen. Nach einer enttäuschenden Saison werden im Westen Kanadas Veränderungen nötig. Doch die Flames sind nicht der einzige mögliche Abnehmer von Bob Hartley. Im Umfeld der Montréal Canadiens wird über das Interesse an den Diensten des Lions-Coachs spekuliert. Einer der Hauptgründe dafür ist, dass Hartley Französisch spricht. Ein Trainer ohne Französischkenntnisse ist in Montréal nicht denkbar und Hartley ist einer der wenigen fähigen Leute mit dieser Qualifikation, der noch nicht in Montréal gearbeitet hat.
Fakt ist aber: Bob Hartley ist noch ein weiteres Jahr in Zürich unter Vertrag. Eine Ausstiegsklausel gibt es nicht und die Zürcher Führung will ihn unbedingt behalten. Trotzdem wird es ein heisser Sommer in Oerlikon.
Wie gefällt es Bob Hartley in der Schweiz?
„Sehr gut“, sagt der in Ontario geborene Frankokanadier. „Alles war natürlich völlig neu für mich. Ich hatte keine grosse Ahnung von der Schweiz und der Hockeyszene hier. Ich habe nur ein paar Spieler gekannt. 2005 wurde ich als Ehrenpräsident zum Piccolo Turnier in Fribourg eingeladen. Wir hatten ein paar Tage Zeit, die Gegend zu erforschen. Damals habe ich mich in die Schweiz verliebt. Jean-Pierre Vigier, Serge Aubin und David Aebischer, die ich alle gecoacht hatte, haben mir erzählt, wie schön es hier sei. Nun habe ich selber viel von diesem grossartigen Land und der Liga kennen gelernt. Es ist eine sehr schöne Erfahrung für mich.“
Auch über das Schweizer Eishockey weiss Hartley nur Gutes zu berichten: „Die National League A ist wohl eines der bestgehüteten Geheimnisse der Welt. Es ist eine unglaubliche Liga. Die Fans sind fantastisch. Es wird auf einem hohen Niveau Eishockey gespielt.“
In der NHL hat Bob Hartley schon alles gewonnen. Dazu holte er auch die Meistertrophäen in der AHL und QMJHL.
Nun will er bereits in seinem ersten Jahr in der Schweiz den Meistertitel nach Zürich holen. Seit ihrem letzten Titel 2008 haben es die Lions nie mehr in den Halbfinal geschafft. Überzeugen konnten sie auf nationalem Eis nicht, während sie gegen internationale Gegner brillierten und die Champions Hockey League und den Victoria Cup gewannen.
Mit Bob Hartley wollten die Zürcher endlich wieder in der NLA Glanzpunkte setzen. Doch die Auftritte in der Qualifikation blieben dürftig. Oft wurden die Spieler vom eigenen Publikum ausgepfiffen und beschimpft. Wenige Runden vor den Playoffs deutete nichts auf einen Sieg der Lions in einem Spiel in den Viertelfinals hin. Die Angriffe waren planlos und ohne Druck. Gegen den späteren Viertelfinalgegner HC Davos verloren sie zu Hause nach einer 3:0-Führung noch 3:4.
Mit dem ersten Puckeinwurf in den Playoffs wurde alles anders. Die Lions stehen ohne Niederlage im Final. Bob Hartley hat es rechtzeitig geschafft, aus dem Hühnerhaufen eine Mannschaft zu bilden, in der jeder seine Rolle perfekt ausübt.
Grund genug, ihn nach den Unterschieden zwischen der NHL und der NLA zu fragen: „Die Geschwindigkeit und die Stocktechnik sind sehr ähnlich. Das körperbetonte Spiel macht den Unterschied aus. Die Spieler in der NHL sind im Durchschnitt grösser und kräftiger. Vielleicht hängt es auch mit der Grösse der Eisfelder zusammen. Bei weniger Platz gibt es mehr Kontakt. In Nordamerika werden schon die Junioren dazu erzogen, körperlich zu spielen.“
Einen Unterschied liess er unerwähnt. Die Fights – die Faustkämpfe Mann gegen Mann. Vermisst er die gar nicht? „Nein, überhaupt nicht. Ich habe nichts gegen Fights, wenn sie aus einem Grund passieren, nach einem üblen Foul oder nach versteckten Fouls. Ein Fight kann eine Rache durch einen hohen Stock verhindern. Kleinere Spieler sind vielleicht etwas mutiger, wenn sie keinen Fight fürchten müssen. Trotzdem finde ich, dass es im Hockey auch ohne Fights geht.“
Bob Hartley entschuldigt sich, dass er sich nicht mehr Zeit für uns nehmen kann. „Wir trainieren viel, um den Rythmus hoch zu halten und haben jede Menge Sitzungen. Es ist momentan nicht leicht, mich zu erreichen.“
Die ZSC Lions werden sehr gut vorbereitet in die Finalserie mit dem SC Bern steigen. Sie haben zuerst die beste Verteidigung der Qualifikation und den Titelverteidiger mit 4:0-Siegen in die Ferien geschickt und danach den besten Sturm der Qualifikation zum Verzweifeln gebracht. Der HC Davos konnte 4 Tore erzielen und erhielt 13. Der EV Zug kam auf ein Tor mehr, musste aber 17 Gegentore hinnehmen.
Die Bilanz der ZSC Lions aus zwei Runden Playoffs ist beeindruckend: 8:0 Siege, 30:9 Tore.
Bisher haben es zwei Mannschaften ohne Niederlage in die Playoffs geschafft. Die Kloten Flyers (33:13 Tore) scheiterten 2009 im Final an Davos in sieben Spielen. Der HC Davos (36:10 Tore) gewann 2011 den Final gegen Kloten in sechs Spielen.
