Kommentar: Wie gut ist die NHL?

28.10.11 - Von Thomas Roost

Nicht zuletzt der grossartige Zuger Sieg im Show-Match gegen die New York Rangers hat die Diskussion um die Stärke unserer Liga resp. die Stärke der NHL erneut angeheizt. Einige auch in den Medien veröffentlichte Meinungsäusserungen sind aus meiner Sicht zwar gut geschrieben, leserfreundlich und bieten beste Unterhaltung, verführen aber zu einer Verblendung der Tatsachen. Wenn ich von Deklassierung eines NHL-Teams lese, wenn ich lese, dass die NHL-Spieler läuferisch überfordert waren und wenn ich lese, dass unsere Spieler läuferisch und technisch besser sind als die NHL-Spieler, dann provoziert dies eine Reaktion, denn diese meinungsbildenden Artikel sind sehr gefährlich für die Entwicklung unseres Eishockeys, sie bilden das Totengräberfundament für das Ziel, der Weltspitze näher zu rücken.

Dies vorab:
Die NHL ist die beste Liga der Welt, es spielen in der NHL die besten Spieler der Welt, die Stadien, die Franchise-Organisationen, das Marketing und das Umfeld bis hin zu den Schiedsrichtern, Statistikern und Betreuern, dies alles ist schlicht und einfach "State of the Art" und deutlich professioneller, sprich besser als in unserer Liga. Jeder Spieler und jeder Funktionär der je in einem NHL-Team unter Vertrag war wird dies bestätigen.

Wieso ist das so? Bleiben wir bei den Spielern. Jedes Jahr werden die besten 18-Jährigen Talente von ca. 500 Scouts weltweit und bei jeder erdenklichen Gelegenheit beobachtet und beurteilt. Am Ende des Jahres gibt es einen Draft und die Rechte der vermeintlich besten 210 Spieler in dieser Alterskategorie gehen an die einzelnen NHL-Teams. Dasselbe gilt für ältere Spieler, die noch nicht gedraftet sind, auch sie werden regelmässig beobachtet und allenfalls unter Vertrag genommen. Selbstverständlich gibt es immer Ausnahmen. Gute Talente die im Nachhinein zu Unrecht nicht gedraftet wurden, gute Spieler die auch im hohen Alter NHL-Niveau aufweisen und trotzdem keinen Vertrag erhalten. Aber es sind und bleiben Ausnahmen. Das Netz der Scouts ist ziemlich feinmaschig. Alle gedrafteten und unter Vertrag stehenden Spieler erhalten wiederholte faire Chancen, sich für das NHL-Team aufzudrängen. Kein NHL-Team erlaubt es sich, einen schlechteren Spieler einem besseren vorzuziehen, diesbezügliche Verschwörungstheorien und abenteuerliche Begründungen wieso dieser und nicht jener gehören ins Reich der Märchen, der Bessere spielt. Weil das "Schlechter" und "Besser" nur subjektiv beurteilt werden kann, gibt es auch auf dieser Stufe Fehler. Diese Fehler sind wiederum die Ausnahme und nicht die Regel. Die NHL bezahlt die besten Gehälter, bietet die professionellsten Umfelder und hat das höchste Prestige. Aus diesem Grund gibt es kaum Spieler, die entsprechende Offerten ausschlagen, ausser etwa ein Dutzend Spieler in der KHL und Einzelfälle. Dies alles führt dazu, dass man mit Fug und Recht behaupten darf oder eingestehen muss, dass in der NHL die besten Spieler der Welt engagiert sind.

Allerdings gibt es von oberflächlichen Beobachtern der Sportszene ziemlich romantische und verklärte Ansichten über das "Besser und Schlechter".

Hierzu folgendes:
Ein Eishockeyspiel ist ein fairer Wettkampf. Für beide Teams gelten exakt dieselben Regeln, beide haben exakt dieselben "Werkzeuge" (Schlittschuhe, Stock und Ausrüstung) und in unserer Liga sind ebenso Profis engagiert wie in der NHL, d.h. unsere Profis trainieren genau so viel wie ein NHL-Profi. Logische Konsequenz: Die Leistungsunterschiede sind - ja sie müssen es sein - oberflächlich betrachtet kaum feststellbar. Auch in unserer Liga gibt es Spieler, bei denen ich glaube, dass sie in dieser oder jener Hinsicht in der NHL mithalten könnten. Es gibt nicht viele Spieler auf diesem Planeten, die schneller sind als Peter Guggisberg und Fabian Schnyder, aber... und jetzt schlage ich die Brücke zu meiner Argumentation... es gibt in der NLA nur sehr wenige Spieler, die schneller sind als der NLB-Spieler Philipp Wüst... und trotzdem spielt er in der NLB und nicht in der NLA und trotzdem spielen Guggisberg und Schnyder in der NLA und nicht in der NHL. Zug hat in einem Testspiel gegen die Rangers gewonnen (Zug bereits voll im Meisterschafts-Saft und die Rangers am Schluss der Vorbereitung), in den Testspielen vor der Saison haben aber viele NLB-Teams NLA-Teams geschlagen und trotzdem höre ich - zu Recht - kaum Stimmen, dass die NLB gleich gut oder gar besser ist als die NLA... Die Leser können mir glauben, dass ich auf allen Stufen (NHL, AHL, NLA, internationale Spiele, Juniorenspiele, NLB und sogar 1. Liga) jedes Jahr Spiele besuche und selbst in unserer 1. Liga stelle ich manchmal fest, dass das Niveau sehr respektabel ist, dass die Unterschiede gar nicht so gross sind zur NLA. Auch die NLB- und 1.Liga-Spieler können Schlittschuh laufen und nicht wenige können einigermassen gut mit dem Puck umgehen... und trotzdem... bei genauer Betrachtung gibt es selbstverständlich Gründe, wieso jemand in der 1. Liga und nicht in der NLA spielt, selbstverständlich gibt es Gründe wieso jemand in der NLA und nicht in der NHL spielt. Die Unterschiede sind zwar fein (z.B. Positionsspiel, Körperspannung, Schussqualität, Passqualität, Stickhandling, Balance, Physis), aber für Experten klar erkennbar. Die Unterschiede sind nicht 0 gegen 10 sondern eher z.B. NLA 7 von 10 und NHL 8-9 von 10 und dies ist logisch. Die Unterschiede dürfen nicht grösser sein, ansonsten müssten wir uns ernsthafte Fragen über unsere Trainingsgestaltung gefallen lassen.

Fazit: Es gab und gibt sehr romantische Vorstellungen über die NHL, vermutlich auch wegen den horrenden Salären der Starspieler. Viele haben das Gefühl, dass die NHL-Spieler um Welten besser sein müssen als die unsrigen. Das sind sie aber nicht. Die NHL-Spieler sind keine Götter und die NLA-Spieler sind keine Idioten, aber die NHL-Spieler sind spürbar besser. Sie schiessen ein wenig besser, sie passen ein wenig besser, sie sind im Durchschnitt die besseren Stickhandler und sind auch physisch und psychisch etwas robuster. Trotzdem kann ein NLA-Team ein NHL-Team in einem Show-Kampf besiegen. In einer bedeutenden Best-of-7-Serie würde sich aber auch das schwächste NHL-Team gegen jede NLA-Mannschaft relativ locker durchsetzen, garantiert. Vergessen wir nicht, dass der Niveauunterschied zwischen dem schwächsten und besten NHL-Team gering ist, dies bedingt durch das Salary-Cap-System einerseits und dem Draft andererseits. Weit über 90 Prozent der aktuellen NHL-Spieler - nicht eingerechnet sind ehemalige, energie- und motivationslose NHL-Cracks - wären klare Verstärkungen in unserer Liga, sofern gewährleistet ist, dass man nicht beispielsweise einen Skorer sucht und einen "Goon" holt oder umgekehrt... was mitunter vorkommt. Wer das verkennt tut unserer Eishockeyentwicklung einen schlechten Dienst. Der Unterschied ist nicht schwarz zu weiss, sondern dunkelgrau zu hellgrau und dies hat seine Logik. Die Logik des selben Trainingsaufwands, der (nahezu) gleichen Regeln und der gleichen Ausrüstung. Es ist ja nicht so, dass NHL-Spieler mit Stealth-Bombern und NLA-Spieler mit Hellebarden in die "Schlacht" ziehen, alle sind mit vergleichbarem Stockmaterial ausgerüstet und alle sind Vollprofis.

Zum Schluss: Es schadet unserem Eishockey wenn wir unser Niveau verklären und schönreden, zudem haben wir das gar nicht nötig, wir dürfen und müssen selbstbewusst genug sein, unser Niveau sachlich zu beurteilen. Wir müssen uns vor niemandem verstecken, auch nicht vor der Wahrheit.

Ich habe ein kleines Scouting-Mandat bei der NHL. Auf dieses Mandat bin ich sehr stolz und es macht mir unheimlich viel Freude. Dieser Sachverhalt gehört zur Transparenz in dieser Diskussion.

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