Eishockey von Medienlandschaft vernachlässigt
Die Medien und vor allem das Fernsehen versuchen uns vorzugaukeln, dass Fussball in der Schweiz die klare Nummer 1 unter den Teamsportarten sei. Dabei belegen die Zahlen etwas anderes. Nur: Wann realisieren die Fernsehmacher am Leutschenbach und die Zeitungsverlage diese Zahlen?
Das Eishockey in der Zuschauergunst vorne liegt, mögen folgende Zahlenspielereien verdeutlichen. Im Eishockey besuchten im letzten Jahr 2,94 Millionen Zuschauer die Spiele der NLA und der NLB. Im Fussball waren dies in den beiden höchsten Ligen 2,45 Millionen, wobei der Fussball vier Clubs mehr hat. Die Schweizer National League absolvierte inklusive Play-offs und Play-outs dieses Jahr 634 Spiele. Der Fussball kam auf 420 Partien. Im Eishockey wurden also 214 Partien mehr als im Fussball ausgetragen. Durchschnittlich besuchten 4629 Personen ein Spiel im Eishockey. Im Fussball betrug dieser Schnitt 1208 Zuschauer mehr, also 5837 Personen. Betrachtet man dagegen die Stadionauslastung der beiden Sportarten, ergibt sich für den Fussball ein vernichtendes Urteil. Trotz einiger topmodernen Stadien in der Super League fällt die Stadionauslastung von knapp 50% mickrig aus. Im Eishockey, in denen gerade mal die ZSC Lions, der SC Bern und der EV Zug ein gehobeneres Mass an Komfort anbieten, beträgt die Auslastung satte 78%.
Medien puschen Fussball – vernachlässigen Eishockey
Obwohl diese Zahlen je nach Sichtweise ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Zuschauergunst widerspiegelt, dominiert der Fussball die Sportseiten der Zeitungen und die Sendezeiten im Fernsehen. Gerade zu Beginn der Fussballsaison war es erstaunlich, welchen Aktivismus die verschiedenen Verlage zeigten. Ganze Spezialhefte und ganze Dossiers widmeten sich dem Thema Super League. Zählt man im deutschsprachigen Raum alle Fussballhefte, welche am Kiosk zu kaufen sind, zusammen, wird man auf etwa zehn Hefte kommen. Zählt man diejenigen des Eishockeys zusammen sind es im Kiosk bestenfalls drei Hefte, welche sich mit der schnellsten Mannschaftssportart der Welt auseinander setzen.
In der grössten Bezahlzeitung der Schweiz, dem Blick, kam man zum Saisonstart auf grandiose sieben Seiten Fussball pro Ausgabe. Dazu kam das Sonderheft und ein Sticker-Album. Ähnliches Volumen wird man zu Beginn der Eishockey-Saison auch dieses Jahr vergebens suchen. Gerade Mal eine Doppelseite pro Ausgabe und ein Magazin, das die vorherigen Beiträge aus der Zeitung zusammenfasst, sind für den Blick genügend. Für fachkundige und ausgiebige Analysen eines Spieles hat es keinen Platz. Anders als bei den Fussball-Artikeln wird gegeizt.
Der Blick ist jedoch nur ein Beispiel, das sich in grossen Teilen der Schweizer Presselandschaft – insbesondere in der Deutschschweiz – fortsetzt. Auch bei regionalen Zeitungen ist dieser Trend leider vermehrt festzustellen. Eine richtige Saisonvorschau, wie dies beim Fussball gemacht wird, ist in den grossen Zeitungen der Schweiz kaum zu finden. Dies deckt sich auch mit der Berichterstattung des Schweizer Fernsehens ab, diesen gebührenfinanzierte, mächtige und meinungsbildende „Service public“.
Schweizer Fernsehen hat kein Interesse an Eishockey
In der vergangenen Saison berichtete das Schweizer Fernsehen mehr über den Fussball als über das Schweizer Eishockey. Einzig während der nahezu sportlosen Altjahreswoche wird der Spengler Cup in Davos von den Fernsehmachern als einer Art Quotenfüller genutzt und hebt so die Sendeminuten des Eishockeysports an. Von der nationalen Meisterschaft oder Länderspielen sieht man dagegen im Vergleich zum Fussball relativ wenig.
Wird im Fussball auch noch so jedes unwichtige Freundschaftsspiel gegen Malta und Konsorten zu einem Event von nationaler Bedeutung gepusht, sieht dies im Eishockey anders aus. Das Schweizer Fernsehen überträgt nicht einmal die Freundschaftsspiele der Eisgenossen vor der eigenen Türe. Und in der spannendsten Phase der Meisterschaft, den Playoffs, bleibt SRF bis zum jeweils dritten Spiel der jeweiligen Serie aussen vor. Auch eine Übertragung eines Spieles im SRF in der Deutschschweiz während der Saison suchte man in der letzten Saison vergebens. Obwohl das SRF die Möglichkeit hätte, vier Spiele pro Saison im freien Fernsehen zu übertragen. Einzig in den französisch- und italienisch-sprachigen Senderketten wird davon aber Gebrauch gemacht. Mit Cinetrade konnte man sich in der Vergangenheit nicht über die Übertragung der Spiele einigen konnte.
Desweiteren sind die Spielzusammenfassungen des SRF während der Meisterschaft im Durchschnitt drei Minuten lang, währenddem eine Fussball-Zusammenfassung gut fünf Minuten dauern kann.
Ob sich dies ab 2012 ändern wird, muss sich zuerst weisen. Denn Cinetrade hat das Schweizer Fernsehen im Kampf um die Fussballrechte der Super League ab nächste Saison ausgebootet und zahlt künftig rund 30 Millionen Franken pro Saison an die Liga, und somit an die Clubs. Von solchen Millionenbeträgen konnten die Eishockey-Clubs und zuvor die Fussballer bislang nur träumen, auch wenn etwa für die Übertragungsrechte der schwedischen Eishockey-Liga vergleichbare Werte bezahlt werden. In der Schweiz war dies bislang anders, doch bald beginnen die Verhandlungen zwischen Swiss Ice Hockey mit dem SRF und Cinetrade.
Ob Eishockey für die Fernsehmacher objektiv betrachtet wirklich so viel weniger attraktiv ist als Fussball, darf hinterfragt werden. Bis zu 581 000 Zuschauer (38,5 Prozent Marktanteil) sahen dieses Jahr das entscheidende Spiel des Playoff-Finale zwischen dem HC Davos und den Kloten Flyers. Die letzte Meisterschaftsrunde, als der FC Basel und der FC Zürich um den Meisterpokal kämpften, sahen bis zu 543 000 Zuschauer (36,3 Prozent) – und dies, obwohl die grössten Städte der deutschsprachigen Schweiz involviert waren. Soviel zum Interesse der nationalen Meisterschaften im Eishockey und Fussball. Die Zahlen zeigen, dass man viel Potenzial im Eishockey brachliegen lässt.
In internationalen Wettbewerben dagegen liegt der Fussball vorne. Als 2009 die Eishockey-WM in der Schweiz stattfand, waren 530 800 Zuschauer die höchste Zahl der Eishockey-WM (Schweiz-USA), während die Spiele der WM-Qualifikation bis zu 1,16 Millionen Zuschauer (Schweiz-Israel) vor die Fernsehbildschirme lockten. Doch auch hier zeigt sich, dass Eishockey unterschätzt wurde und man sich zu oft verrechnet. So schauten auf SF2 beachtliche 431 900 Zuschauer den WM-Final Russland-Kanada, auf dessen Übertragung man in den Jahren davor konsequent verzichtet hatte, obwohl man dafür die Übertragungsrechte besass. Am Leutschenbach dachte man, dass sich kaum jemand für einen Eishockey-Final interessiert, bis man dem Druck von verschiedenen Seiten vor zwei Jahren nachgab.
Auf Ebene Champions League sahen 410 000 Zuschauer das Finale ZSC Lions gegen Metallurg Magnitogorsk im mittlerweile leider eingestellten Wettbewerb, auf dessen Übertragung das Schweizer Fernsehen ursprünglich komplett verzichten wollte. Auch hier sprach man nationales Interesse ab. Im Fussball war in jenem Jahr FC Zürich gegen Real Madrid mit 637 000 Zuschauern das meistgesehen Spiel.
Eishockeyjunioren haben keine Lobby
Eine weitere Besonderheit ist, dass den Junioren im Eishockey keine Bedeutung zugemessen wird. Wurde in diesem Jahr die Fussballweltmeisterschaft der U21 live in die Wohnzimmer übertragen, so sucht man Fernsehbilder der Junioren-Weltmeisterschaften im Eishockey vergebens.
Wurde in den früheren Jahren noch das eine oder andere Tor gezeigt, ist dies heute Wunschdenken, obwohl die U20-Nationalmannschaft es 2010 ins Halbfinale schaffte.
Doch nicht nur das SRF hat Probleme mit den Eishockeynachwuchs. Auch Zeitungen haben die Junioren nur bei einer erfreulichen Leistung und einer besseren Klassierung als Rang sieben in ihren Blättern. Erst in den letzten Jahren und dem Hype mit Nino Niederreiter und Sven Bärtschi erschienen einige wenige Artikel über die jungen Eisgenossen in den Zeitungen. Meistens jedoch blieb es bei der Ehrenmeldung des Resultates, schliesslich sind die Medienschaffenden von hockeyfans.ch normalerweise die einzigen aus der Schweiz, die sich unter Dutzenden von Journalisten in Medienzentren finden lassen.
Dabei zeigen gerade die Zahlen im Internet, dass ein Interesse am Eishockey vorhanden ist. hockeyfans.ch ist die meistbesuchte private Sportseite der Schweiz, noch vor allgemeinen Sportseiten oder Fussballseiten. Während der Saison hat hockeyfans.ch gar mehr Zugriffe als der FC Basel, den Sportclub mit der grössten Fanmasse, wie etwa der Vergleichsdienst Alexa zeigt.
Fussball wird überschätzt, Eishockey unterschätzt
In der Schweiz wird der Fussball von den Medien überschätzt. Natürlich ist der Fussball keineswegs unwichtig und es ist nichts einzuwenden gegen eine ausgewogene Berichterstattung des Fussballs. Dass jedoch gewisse Medien das Eishockey in einer Nebenrolle der Mannschaftssportarten sehen, ist bedenklich, denn die Zuschauerzahlen beweisen, dass das Eishockey ebenso attraktiv ist wie der Fussball und von der Bevölkerung auch so wahrgenommen wird.
Für die Medien ist aber eine Vermarktung des Eishockeys schwieriger. Dies nicht nur wegen der Komplexität des Regelwerks, sondern auch, weil das Eishockey wenige Reizfiguren kennt. Dazu kommt, dass man im Eishockey einen Helm trägt. Und so kann man einen einzelnen Spieler weniger gut vermarkten wie dies im Fussball der Fall ist. Würde man mit Alex Frei und Reto von Arx durch die Stadt Zürich flanieren, die Mehrheit der Passanten würden wohl Frei erkennen, jedoch nicht von Arx, obwohl beide in ihrer jeweiligen Sportart polarisieren. Und genau dies verdeutlicht den Krux des Eishockeys. Und wieso Eishockey trotz aller Beliebtheit in der Medienwelt nicht so einfach aus dem Schatten des Fussballs treten kann.
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