5. Mai 2005 // 20:15 Uhr.

WM 2005, 3. Vorrundenspiel Gruppe D

1:5
(1:1, 0:1, 0:3)
Deutschland Schweiz


Matchtelegramm

 

Stadion: Stadthalle, Wien. - 7900 Zuschauer.
Schiedsrichter: Andersson (SWE), Doucette (CAN)/Lesnjak (SLO).
Tore:
      ·  05:39 Rüthemann (Streit/Ausschluss Hecht) 0-1.
      ·  15:10 Furchner (Lewandowski) 1-1.
      ·  28:28 Plüss (Rüthemann, Streit/Ausschluss Kopitz) 1-2.
      ·  48:33 Fischer (Streit/Ausschluss Felski) 1-3.
      ·  52:00 Plüss (Streit, DiPietro) 1-4.
      ·  52:55 Forster (ins leere Tor) 1-5.

Strafen: 6-mal 2 Minuten plus 5 Minuten (Benda) plus Spieldauerdisziplinar-Strafe (Benda) gegen Deutschland, 10-mal 2 Minuten gegen die Schweiz.

Deutschland: Jonas (Ersatz: Jung); Bakos, Renz; Ehrhoff, Schauer; Kopitz, Retzer; Pyka, Sulzer; Lewandowski, Furchner, Boos; Martinec, Fical, Benda; Hecht, Kreutzer, Goc Marcel; Felski, Barta, Morczinietz.

Schweiz: Gerber (Ersatz: Aebischer); Keller, Streit; Seger, Forster; Bezina, Blindenbacher; Vauclair; DiPietro, Plüss, Della Rossa; Rüthemann, Ziegler, Paterlini; Fischer, Jeannin, Wichser; Ambühl, Conne, Lemm; Romy.

Schussverhältnis: 26:30 (9:12, 12:9, 5:9).

Bullys gewonnen: 36:43 (11:15, 11:12, 13:17).

Powerplay: Deutschland: kein Tor in 16:41, Schweiz: 4 Tore in 11:32.

Bemerkungen: Pfostenschüsse: 47:54 Wichser, 57:50 Hecht. – 52:38 Time-out Deutschland, danach bis 52:56 ohne Torhüter und mit sechstem Feldspieler. – Beste Spieler: Eduard Lewandowski / Ivo Rüthemann.

Schweizer überstehen Hürde, Deutschland im Abstiegskampf

Von Martin Merk, Fotos von Melanie Beyli

Die Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft hat wie schon im Vorjahr das Schlüsselspiel gegen den Erzrivalen Deutschland für sich entscheiden können und sich damit mit den "erwarteten" vier Punkten und dem zweiten Rang für die Zwischenrunde qualifizieren können. Nach einem lange umkämpften Spiel siegten die Schweizer zum Schluss mit 5:1.

Schon vor dem Spiel hing der Haussegen bei den Deutschen schief. Nach der Blamage gegen den Aussenseiter Kasachstan machte das Abstiegsrunden-Gespenst in den Medien unseres nördlichen Nachbars die Runde und auch vor dem Spiel gegen die Schweiz waren die deutschen Fans in Wien nicht wirklich in Partylaune. Die deutsche Nationalmannschaft von Greg Poss war auch auf dem Eis nicht wirklich in bester Stimmung. Zwar war der Stilwechsel unter Poss zu einem offensiveren, attraktiveren Eishockey spürbar, doch gelang zu Beginn weder der DEB-Auswahl noch den Schweizern viel. Beide Mannschaften traten in etwa gleich an wie zuletzt. Das heisst die Schweiz wie bisher mit Martin Gerber im Tor. Bei den Deutschen wurde Jan Benda in die Paradeformation befördert, weil Poss sich im letzten Spiel mit ihm zufrieden zeigte. Eine Nomination, die sich im Nachhinein nicht auszahlte. Ausserdem gab es eine erneute Torhüter-Rotation: Robert Müller musste nach einem Spiel wieder dem Meistergoalie Oliver Jonas weichen. Dieser musste sich jedoch schon bald geschlagen geben. Nach vier Minuten scheiterte Paul Di Pietro mit einer aussichtsreichen Chance, dafür musste Jochen Hecht wegen Behinderung auf die Strafbank. Genau 120 Sekunden später brachte Ivo Rüthemann die Schweizer in Führung.

Der Präsident des SEHV Fredy Egli sagte nach dem ersten Drittel: "Wir haben immer noch das alte Problem und brauchen zu viele Chancen um ein Tor zu erzielen. Zudem macht mir die Arbeit der Verteidigung Sorgen, welche nicht immer sattelfest ausgesehen hat. Dies stimmt mich nachdenklich."

Wir erinnern uns an letztes Jahr, als das 1:0 der Schweizer, damals durch Valentin Wirz, bereits das Gamewinning-Goal war. Damals liess der Ex-Bundestrainer Hans Zach eine Mannschaft spielen, die weniger auf eine aktive Spielgestaltung ausgerichtet war. Diesmal übte Poss während der gesamten Saison das Spielemachen, wenn auch mit mässigem Erfolg. Trotzdem war klar, dass die Schweizer mit Resultathalten heikle Momente überstehen müssten. Sie gaben das Spiel deshalb zwar nicht aus der Hand, vermochten es aber auch nicht zu kontrollieren und holten zu viele Strafen. Den Ausgleich kassierten sie schliesslich nach rund 15 Minuten, weil Gerber einen Weitschuss zur entfernten Torumrandung Sebastian Furchners nicht zu halten vermochte und nicht mehr mit letzter Konsequenz Forechecking betrieben wurde. Das Resultat war damit ausgeglichen und das Spiel ohnehin schon davor offen.

Es war eine Partie auf mässigem Niveau zweier Mannschaften, die weit weg von einem Medaillen-Traum waren mit Fehlern, Chancen, Checks und Strafen hüben wie drüben. Auffallend: Auch die Kampf-Kultur unter Zach schien untergegangen zu sein. Die Deutschen wirkten wie Lämmer, ihre hochgelobten physische Qualitäten spielten sie gegen die weniger robusten Schweizer kaum aus. Dies, obwohl ihre Mannschaft im Schnitt um drei Zentimeter grösser und ein Kilogramm schwerer war. Mit Furchtlosigkeit vermochten die Schweizer dieses Manko meist wettzumachen. Einzig vor dem gegnerischen Gehäuse zeigte man insbesondere bei Abprallern mangelndes Durchsetzungsvermögen.

Im Mitteldrittel hatten wiederum die Schweizer leichte statistische Vorteile. Sie drückten im Powerplay, waren bei Gleichstand eher besser und kamen in Unterzahl zu Kontermöglichkeiten. Eine weitere Powerplay-Möglichkeit wurde in der 29. Minute ausgenutzt. Paul Di Pietro und Martin Plüss konnten sich vor Jonas durchtanken, Plüss brauchte nach der Vorlage seines Teamkollegen nur noch zur erneuten Führung einzuschieben.

Nun kam langsam in der stimmungsvollen Wiener Stadthalle mit vielen deutschen und noch mehr schweizerischen Fans Derbystimmung auf. Julien Vauclair verletzte mit einem Check gegen die Bande seinen Gegenspieler Daniel Kreutzer und musste in die Kühlbox. Deutschlands Star-Center Jan Benda wusste im Powerplay bei einem Konterversuch der Schweizer jedoch nichts besser zu tun, als Flavien Conne mit dem Stock ins Gesicht zu schlagen und erhielt folgerichtig eine Fünfminutenstrafe. Einem Routinier wie ihm hätte bekannt sein müsse, dass sich diese Art von Revanche kaum auszahlen kann. Die fünfminütige Überzahlsituation über zwei Spielabschnitte verteilt mochten sie zwar nicht auszunutzen, konnten dafür im Schlussdrittel zunehmend von Abwehrnachlässigkeiten der Deutschen profitieren. In der 48. Minute kam man in Überzahl, ohne dass jedoch wirklich eine Powerplay-Formation entstand. Adrian Wichser scheiterte mit einem Schuss an den Pfosten, mit dem nächsten Angriff bezwang Patrick Fischer den Torhüter Jonas zwischen den Schonern. Die vier Powerplay-Tore der Schweizer wurden durch das 1:5 in der 53. Minute (!) ins leere Tor und in Unterzahl von Beat Forster komplettiert.

Die Schweizer haben die Hürde Deutschland in Richtung Viertelfinale damit erneut überstanden und konnten sich unliebsame Rechnereien ersparen. Zur Viertelfinalqualifikation gilt es nun gegen Russland, die Slowakei und Weissrussland zwei bis drei weitere Punkte zu holen, dann stehen die Chancen für ein erneutes Erreichen der "Top 8" nicht schlecht. Ein Schlüsselspiel dürfte jenes vom 9. Mai gegen Weissrussland sein, das wie Kasachstan punktelos in die Zwischenrunden-Gruppe E startet (Tschechien: 4, Slowakei/Russland je 3, Schweiz 2). Zuerst gilt das Augenmerk aber morgen Abend Russland und am 8. Mai der Slowakei.

Bei den Deutschen war der Fall in die Abstiegsrunde und damit das Abrutschen in der Weltrangliste auf Rang 10 nicht ganz unüberraschend. Das "undeutsche" System von Greg Poss konnte sich noch nicht so schnell etablieren und es darf mit Spannung beobachtet werden, ob der DEB dieses Experiment fortführen wird und sich geduldig zeigt. Erschwerend hinzu kam, dass in der ohnehin schon technisch limitierten Mannschaft mit Olaf Kölzig und Marco Sturm schon vor WM-Beginn zwei Stars ausfielen, Jochen Hecht angeschlagen und Jan Benda ein Ausfall war. Mit diesen technischen Limiten, welche viele Fehler zur Folge hatten, sowie dem verloren gegangenen physischen Spiel war offenbar nicht mehr möglich.

Thomas Ziegler betonte nach dem Spiel, wie die offensive Spielweise der Deutschen ihnen entgegenkam. "Sie mussten reagieren und zum Schluss hinten aufmachen, das war gut für uns." Ziegler lobte zudem die gute Eisqualität.

"Wir hatten zwei harte Spiele und können auf unsere Leistung von heute stolz sein", äusserte sich ein glücklicher Martin Plüss. Nach dem 1:1 hätten die Deutschen zwar Aufwind bekommen und die Schweizer Mühe in der eigenen Zone gehabt. "Nach der Pause hatten wir das besser gemacht und die Deutschen konnten sich nicht mehr so einfach festsetzen", so der Schweden-Legionär. Die Höhe des Sieges mochte er nicht überschätzen: "Deutschland musste natürlich aufmachen. Ob man jetzt 5:1 oder 2:1 gewinnt, spielt schlussendlich nicht so eine Rolle und ich möchte die Höhe nicht überinterpretieren." Plüss sieht die Chancen für eine Viertelfinalqualifikation gut, relativiert aber, dass die Weltspitze an dieser WM sehr nahe zusammengerückt sei und es dadurch eng werden könnte.

Stimmen zum Spiel aufgezeichnet von Urs Berger:

Ralph Krueger: "Es war kein 5:1-Spiel. Die Deutschen hielten uns bis zur Spielhälfte in Schach und spielten sehr gut mit. Nach dem 2:1 fiel uns ein Stein vom Herzen und Deutschland musste etwas unternehmen und hinten öffnen. Auch unser Powerplay machte den Unterschied aus. War dies doch um einiges besser als auch schon. Mit Martin Gerber verfügten wir wiederum über einen sensationellen Rückhalt, der uns in Unterzahl im Spiel hielt und mit seinen unzähligen Paraden den Weg zum Sieg ebnete. Als der zwischenzeitliche Ausgleich fiel, war das Spiel auf der Kippe und wir hatten Mühe mit dem Druck umzugehen. Dieser Druck fiel uns von den Schultern nach dem 3:1. Zudem muss ich der ganzen zur geschlossenen Mannschaftsleistung gratulieren."

Greg Poss, Nationaltrainer Deutschland: "Nach dem 1:2 ist Team Deutschlands zusammengebrochen und nichts ging mehr. Im letzten Drittel spielten wir so schlecht wie selten zuvor. Wir kamen nicht mehr schnell genug auf die Beine um diese Niederlage zu verhindern. Doch müssen wir nach vorne schauen und unser grosses Ziel ist es, morgen gegen Österreich ein besseres Spiel abzuliefern und den Klassenerhalt vorzeitig zu schaffen."



























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