Eishockey Weltmeisterschaft 2004 in Prag und Ostrava (Tschechien) |
Hintergrund Frankreich |
Ein Lagebericht aus Frankreich (en français) Von Marc Branchu*, hockeyarchives.info 2000 in St. Petersburg trotz eines Sieges gegen die Schweiz abgestiegen - welcher durch einen Sieg von Ralph Kruegers Team gegen Russland nutzlos wurde - benötigte Frankreich drei Jahre für den Wiederaufstieg. Man dachte zuerst an einen schnellen Aufstieg, zumal man eine WM Division I im eigenen Lande in Grenoble organisieren durfte. Doch in diesem fremden Umfeld der Zweitklassigkeit fehlte die Gewohnheit, gegen schwächere Mannschaften das eigene Spiel aufzuziehen, was etwa zu einem Unentschieden gegen Niederlande und einer Niederlage gegen Ungarn führte. Ein 4:0-Sieg gegen Polen kam zu spät für den Gastgeber. Ein Jahr später in Eindhoven klappte es besser, doch hatte man mit Weissrussland einen zu starken Gegner in der Gruppe. Letztes Jahr in Zagreb zeigten die Franzosen bessere Nerven als der grösste Konkurrent Norwegen und legten in der kapitalen Direktbegegnung den Grundstein zur Rückkehr unter den besten 16 Eishockey-Nationen. Dies zu einem günstigen Zeitpunkt, da im Abstiegskampf Japan nicht mehr durch einen Sonderstatus geschützt wird. Nach dem Aufstieg war der finnische Trainer Heikki Leime überglücklich und gab an: "Ich bin verliebt in meine Spieler…" Die Gefühle, welche die Mannschaft vereint und die Solidarität ermöglichten den Aufstieg in die A-Klasse. Und dies trotz einigen Problemen, da der französische Eissport-Verband auch heute noch mit grossen finanziellen Problemen zu kämpfen hat. Und hierbei muss das Eishockey, das bislang die Loslösung zu einem eigenen Verband nicht erreichte, einen hohen Preis zahlen. Der Trainer Leime sagte dazu vor einigen Monaten, dass Frankreich eine Mannschaft des 21. Jahrhunderts mit Mitteln der 70-er-Jahre betreibe. Die Vorbereitung war deshalb wieder als ungenügend, vor allem für ein Comeback in der Elite-Klasse des WM-Systems. In Tschechien wurden die physischen Limiten gezeigt: In einem Testspiel gegen den Gastgeber hielt man 30 Minuten lang ein 0:0 und verlor 0:8. In den weiteren Spielen traf man mit Kasachstan auf einen potentiellen Gegner im Abstiegskampf und erreichte dabei eine positive Bilanz (1:1, 3:1). Die Franzosen gehen aber bestimmt nicht mit hängenden Köpfen an die WM und Leime gab als Ziel für die WM an, das erste Spiel gewinnen zu wollen. Dies würde schon fast den Klassenerhalt bedeuten. Es ist die wegweisende Begegnung gegen Österreich, welches zuletzt gute junge Spieler exportieren konnte, was Frankreich bis auf Cristobal Huet nicht schaffte. Doch Ziel wurde mit der 0:6-Niederlage aber klar verfehlt. Huet war bei den Los Angeles Kings statistisch mit Roman Cechmanek gleich auf und ist bei den Fans aus LA wegen seines konventionelleren Stil beliebter bei den Fans als der Tscheche, der ebenfalls an der WM teilnimmt. Huet ist die Ausnahme, weil Franzosen in ausländischen Topligen rar sind. Maurice Rozenthal hat einen Traum erfüllt, indem er im Januar zu Leksand in die schwedische Elitserien wechselte, nachdem er zuvor in der zweithöchsten Liga Allsvenskan spielte. Es klappte aber nicht so gut, er bekam weniger Eiszeit, konnte dem Team nicht viel nützen und Leksand stieg ab. Maurice Rozenthal ist ein talentierter Spieler, kann jedoch nicht als ein Leader in der französischen Nationalmannschaft fungieren wie früher Philippe Bozon. Der Servettien blieb nach seinem Rücktritt unersetzbar. Yorick Treille, der wie Huet aus dem Nachwuchs von Grenoble stammt, scheint das Profil zu haben, um vielleicht eines Tages in der NHL spielen zu können, doch in seinen zwei Jahren in der AHL konnte er dies noch nicht zeigen. In den letzten Wochen immerhin, schoss er im zweiten und letzten Spiel der Qualifikation zum Playoff-Viertelfinale zwei Tore und wurde zum besten Spieler gewählt. Durch diesen Sieg von Norfolk über Binghamton (mit Julien Vauclair) wurde aber auch seine WM-Teilnahme für die Gruppenspiele verhindert. Dabei müssen die Franzosen bereits auf den Stürmer Laurent Meunier und den Verteidiger Jean-François Bonnard verzichten. Die beiden Grenoble-Spieler sind verletzt. Damit fehlen den Blauen drei der stärksten Spieler. Ein grosses Handicap für einen Aufsteiger. Doch alles ist nicht negativ, zumal als grosse Attraktion Sébastien Bordeleau gekommen ist, amtierender Meister in der Schweiz mit dem SC Bern. Über ihn sprach man in der französischen Nationalmannschaft bereits zu Zeiten als er noch für die Montréal Canadiens gespielt hatte, doch der IIHF verweigerte die Aufnahme des Franko-Kanadiers, weil er zuvor nie in einer französischen Meisterschaft gespielt haben soll. Mit den neuen Reglementen konnte man hierbei aber auch die tieferen und Nachwuchsligen hinzuzählen und davon profitierte Bordeleau, der mit Eishockey in Megève (woher Bozon stammt) begann, wo sein Vater Paulin in den 80-er-Jahren spielte - dieser war zudem Captain der französischen Nationalmannschaft an den Olympischen Spielen in Calgary. Zu jener Zeit bestand die französische Nationalmannschaft zur Hälfte aus Franko-Kanadiern wie den ehemaligen NLA-Trainer André Péloffy. Danach kam eine Generation von Franzosen (Bozon, Pouget, Ville und Perez), welche Überhand nahm, so dass die Nationalmannschaft nur noch auf Spieler zählte, die in Frankreich das Eishockey-ABC erlernt hatten. Die Einbürgerungspolitik, wie sie später auch in Italien betrieben wurde, war nicht mehr erwünscht und man machte nur Ausnahmen für ein oder zwei Spieler, welche auf einem genug hohen Niveau spielten. Etwa beim Center Olivier Coqueux, der diese Saison beim DEL-Club Freiburg spielte oder eben bei Sébastien Bordeleau. Es brauchte ein Interview im "Top Hockey" im Februar, welche die Kontakte zu Bordeleau wieder ins Rollen brachten - fünf Jahre nach den letzten Diskussionen. Glücklicherweise für die Franzosen hatte der SCB-Spieler noch seine Lizenzen des HC Megève aufbewahrt, denn der französische Verband hatte keine offiziellen Papiere seiner Kindheit… Bordeleau bringt den Franzosen auch den Vor- und Nachteil, seine Gegner besser zu kennen als seine französischen Teamkollegen, zumal er auf einige SCB-Spieler treffen wird. Allerdings gab es bislang keine kollektiven Automatismen, zumal er erst letzte Woche die Mannschaft überhaupt kennenlernen konnte. Er wird wohl in der ersten Linie zwischen den Rozenthal-Zwillingen aufgestellt. Er hat aber bereits vorausgesagt, dass er nicht der "Wayne Gretzky der französischen Mannschaft" sein könne. Er alleine wird auch kaum das Niveau des Teams ändern können. Es braucht noch viel Arbeit und Eingespieltheit, gerade im Powerplay. Gegen Kasachstan etwa führten mehrere Minuten in doppelter Überzahl zu keinem Treffer. Die Franzosen werden nicht als Favoriten spielen, doch ging man mit Hoffnungen auf das Spiel gegen Österreich und gute Erinnerungen an die Schweiz an die WM. Die Spiele gegen die helvetischen Nachbarn waren jeweils umstritten, obwohl die Schweizer Favoriten waren. Doch ob dies auch in der Ära nach Bozon so sein wird? Die Motivation zu guten Leistungen in diesem Rampenlicht ist jedenfalls da. Es wäre ein schönes Karrierenende auf internationalem Niveau für den Captain Arnaud Briand. Ein weiterer Spieler, den die Franzosen vermissen werden. * Marc Branchu ist der Macher der Website hockeyarchives.info, welche über ein grosses Archiv und viele Neuigkeiten zum französischen und internationalen Eishockey verfügt. |
Kurzportrait |
Cristobal Huet (Los Angeles/NHL), Fabrice Lhenry (Mulhouse), Patrick Rolland (Grenoble) | |
Baptiste Amar (Grenoble), Vincent Bachet (Amiens), Allan Carriou (Rouen), Karl Dewolf (Amiens), Nicolas Favarin (Villard De Lans), Christian Pouget (Chamonix/FRA2), Nicolas Pousset (Rouen), Lilian Prunet (Mulhouse) | |
Benoit Bachelet (Grenoble), Sébastien Bordeleau (Bern/SUI), Arnaud Briand (Rouen), Brice Chauvel (Amiens), Olivier Coqueux (Freiburg/DEL), Xavier Daramy (Anglet), David Dostal (Anglet), Laurent Gras (Amiens), Anthony Mortas (Amiens), François Rozenthal (Amiens), Maurice Rozenthal (Leksand/SWE), Jonathan Zwikel (Amiens) | |
Heikki Leime, Assistenten: Christer Eriksson, Dave Henderson | |
Weissrussland 2:2, Lettland 2:5, Kasachstan 4:2, Slowenien 5:2, Italien 3:0, Österreich 3:0, Weissrussland 1:3, Polen 0:4, Norwegen 1:1, Norwegen 1:8, Dänemark 2:3, Lettland 1:0, Tschechien 0:8, Kasachstan 1:1, Kasachstan 3:1 |