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Deutschland: Die Kür vor der Wiedergutmachung?

Von Alexander Brandt, hockeyweb.de

Die Deutsche Nationalmannschaft steht vor zwei völlig unterschiedlichen, aber gleichermassen wichtigen Turnieren: In Turin bei den Olympischen Winterspielen kann man sich mit den besten Teams der Welt messen und Werbung in eigener Sache machen, man hat viel zu gewinnen und wenig zu verlieren. Im April jedoch ist es genau anders herum, dann muss man den bitteren Gang zur B-WM ins französische Amiens antreten und versuchen, den Abstieg aus der A-Gruppe vom vergangenen Jahr vergessen zu machen. Olympia kommt den Deutschen sehr entgegen. "Wir spielen dort im Konzert der Grossen mit und wenn wir wieder aufsteigen sollten, wird niemand so richtig merken, dass wir weg waren", sagt Franz Reindl vom Deutschen Eishockey Bund (DEB). "Falls wir aber nicht wieder aufsteigen sollten, wären wir erst einmal von der Bildfläche verschwunden", so Reindl.

Man tut sich folglich schwer mit der Bewertung des Olympischen Turniers. "Auch da gibt es etwas zu verlieren, wenn man sich gegen Italien und die Schweiz nicht behaupten kann", erklärt Bundestrainer Uwe Krupp, der in Turin sein erstes Turnier als Chefcoach bestreitet. "Gegen diese beiden Gegner rechnen wir uns natürlich mehr Chancen aus, als gegen die Superstars aus Kanada oder Tschechien, aber das gilt umgekehrt genauso. Wen wollen zum Beispiel die Italiener schlagen, wenn nicht uns?"

Erst mit Beginn des Olympischen Eishockey-Turniers wird der Kader der Deutschen Nationalmannschaft definitiv auf allen Positionen feststehen, dann erst reisen die sieben NHL-Spieler nach Turin. "Bis zu sieben, muss man eher sagen", mahnt Bundestrainer Uwe Krupp, "denn wenn sich der eine oder andere verletzt, brauchen wir Spieler, die sofort einspringen können. " Sicher sind vorerst nur die Torhüterpositionen, die fest an Olaf Kölzig von den Washington Capitals, Robert Müller von den Krefeld Pinguinen und Thomas Greiss von den Kölner Haien vergeben wurden. Kölzig gilt als gesetzt. "Er ist der überragende Mann bei den Washington Capitals, der eigentliche Mannschaftskapitän des Teams. Ob wir auch Müller oder Greiss einsetzen, werden wir vor Ort entscheiden."

In der Abwehr gibt es für Spieler aus der DEL nicht viele freie Plätze, denn auch hier dominieren die NHL-Spieler. Christian Ehrhoff (San José), Christoph Schubert (Ottawa) und Dennis Seidenberg (Phoenix) lassen höchstens Platz für erfahrene DEL-Verteidiger, weil Krupp "nicht mit einer U23 gegen Kanada spielen will". Das könnte sich positiv für Andreas Renz (Köln), Sascha Goc (Hannover) oder Rob Leask (Berlin) auswirken, die zu den erfahreneren Abwehrspielern zählen.

Eine NHL-Sturmreihe dürfte im Angriff der Deutschen für die meiste Aufmerksamkeit sorgen: Marco Sturm (Boston) und Jochen Hecht (Buffalo) sind Leistungsträger in ihren NHL-Teams, dazu gesellt sich Marcel Goc (San José). Das Rennen um die Plätze in den hinteren Angriffsreihen ist offen, Krupp liess aber auch hier durchblicken, dass erfahrene Spieler wie Stefan Ustorf die besten Karten haben. Jan Benda, Daniel Kreutzer und sein Düsseldorfer Sturmpartner Klaus Kathan sind aussichtsreiche Kandidaten, ebenso wie das eingespielte Kölner Trio Boos-Furchner-Lewandowski. Mit Tomas Martinec (Nürnberg) und Sven Felski (Berlin) stehen weitere erfahrene Spieler bereit. Doch auch die Talente Alexander Barta (Hamburg) und Florian Busch (Berlin) können sich wie Nürnbergs Petr Fical noch Chancen ausrechnen.

Bei den Olympischen Spielen will eigentlich jeder dabei sein, auf einen Spieler muss Krupp jedoch verzichten, obwohl er ihn wegen seiner läuferischen Qualitäten und seiner Erfahrung gerne dabei hätte: Verteidiger Mirko Lüdemann von den Kölner Haien zeigt Olympia die kalte Schulter und fliegt lieber in den schon lange gebuchten Urlaub. "Das Thema ist gegessen", erklärte der stets etwas eigentümliche Lüdemann. Er hatte im Streit mit Krupps Vorgänger Greg Poss seinen Rücktritt vom Nationalteam erklärt. "Ich respektiere es, wenn sich ein Spieler lieber voll und ganz auf seinen Verein konzentrieren will", sagte Krupp. Der Bundestrainer lässt aber trotzdem nicht nach: "Ich telefoniere immer wieder mit ihm und versuche es dann eben zur B-WM nochmal."

Der Stürmer Stefan Ustorf zur Ausgangslage: "Auch wenn ich mir jetzt den Mund verbrenne sage ich mal, dass wir Italien schlagen müssen. Gegen die Schweiz mit ihren guten Torhütern wird es sehr schwer, aber wir wollen ins Viertelfinale, keine Frage. Wir haben das talentierteste Team seit Langem und einen Weltklasse-Torhüter."

Im nächsten Teil: Italien - Gastgeber, Aufsteiger und Aussenseiter.


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Short Notes Deutschland
Einwohner: 82'460'000
Eingetragene Eishockeyspieler: 30'344
Eishallen: 153

Beste Spieler: Olaf Kölzig (Washington), Marco Sturm (Boston), Jochen Hecht (Buffalo)
Zu beobachten: Die jungen NHLer Christian Ehrhoff, Marcel Goc (beide San José) und Christoph Schubert (Ottawa)
Überbewertete Spieler: Jan Benda, Tomas Martinec

Zum Trainer: Uwe Krupp (40) wuchs in Köln auf und wurde dort zum Eishockeyprofi. Der 196 cm grosse, ehemalige Verteidiger (Spitzname "King Kong") ging 1986 nach Nordamerika und arbeitete sich bis in die beste Liga der Welt hoch. 1996 gewann Krupp als erster und bisher einziger Deutscher den Stanley Cup, die wichtigste Eishockey-Vereinstrophäe der Welt. Krupp schoss das entscheidende Tor. Im Sommer 2005 wurde Krupp Assistenztrainer der Nationalmannschaft und im November sogar Bundestrainer.

Was geschieht wenn.....
.... Deutschland keinen Erfolg hat? Erst einmal wird nicht viel passieren. Entscheidend ist die B-WM. Wenn man aufsteigt, redet keiner mehr über schlechte Ergebnisse in Turin, steigt man nicht auf, nützt auch ein Sieg gegen Kanada nichts.