„Schweiz fehlen Stürmer“ |
Hockeyfans.ch hat an der U-18 WM in Kasan den einzigen Schweizer NHL-Scout Thomas Roost getroffen. Für uns beurteilte er die bisherigen Leistungen der Schweizer an diesem Turnier und sprach über die Draftchancen der aussichtsreichsten jungen Schweizer. Roost hält es für möglich, dass der eine oder andere Leistungsträger aus der vergangenen Saison einen NHL-Vertrag erhalten könnte.
Thomas Roost, wie sehen Sie die Leistung der Schweizer U-18 Nationalmannschaft an diesem Turnier?
Sie spielen so, wie ich es erwartet habe. Sie sind gegen die meisten Mannschaften individuell unterlegen und haben keine Chance, irgend eine grosse Überraschung zu schaffen. Das grösste Problem sehe ich im Sturm. Die Schweiz hat keinen Stürmer, der Tore schiessen oder vorne etwas kreieren kann. Wenn von der Defensive eine Aktion ausgeht, versandet sie in der neutralen Zone, weil dort zuviele Stockfehler passieren. Bei diesem Jahrgang fehlen ganz klar die Stürmer.
Bei diesem Turnier sind mit Patrick Geering, Roman Josi und Lukas Stoop drei Spieler dabei, die schon Erfahrungen an Weltmeisterschaften sammeln konnten. Welchen Eindruck haben Sie von diesen Spielern?
Roman Josi finde ich hervorragend. Ich habe ihn jetzt zwei, drei Jahre beobachtet und auch hier an dieser Weltmeisterschaft. Gegen Finnland hat er super gespielt. Nicht so gefallen hat er mir gegen die USA und gegen Schweden. Wobei es gegen Schweden schwierig war, gut auszusehen. Josi bestätigt hier seine guten Leistungen während der Saison.
Lukas Stoop zeigt sein grosses Potenzial. In gewissen Bereichen ist er Weltklasse, zum Beispiel im Transitiongame, im Verlagern des Spiels von der Verteidigung in die Offensive. In der Beschleunigung ist er sehr stark. In anderen Bereichen weist er aber nur Kreisliganiveau auf. Sein Potenzial ist jedoch enorm.
Patrick Geering spielt sehr solides Hockey, macht kaum Fehler. Alles ist gut. Einen Scout interessiert aber nicht der beste Spieler heute, sondern nur der beste Spieler mit 25 Jahren. Man versucht heraus zu finden, welcher dieser junger Spieler mit 25 der Beste sein wird. Geering hat das Problem, dass er relativ klein und nicht so kräftig ist für einen Verteidiger. Das ist alles in Ordnung, wenn man läuferisch oder stocktechnisch Weltklasse ist. Das ist Geering nicht. Er ist in allen Bereich gut aber nicht Weltklasse. Ich bin mir ganz sicher, dass er ein hervorragender Spieler in der National League A werden wird, für die NHL wird es ihm vermutlich nicht reichen.
Das heisst, er wird mit etwas Glück ein Nationalmannschaftsverteidiger?
Ja, das kann ich so unterschreiben.
Bei den Stürmern soll Ryan McGregor im nächsten Jahr ein Draftkandidat sein. Hat er eine Chance, von einer Organisation gezogen zu werden?
Er wird sicher auf die Liste kommen. Auch er hat das Problem, dass keine seiner Fähigkeiten hervorragend sind. Er ist ein solider Zweiwegstürmer, ist nicht besonders gross und nicht besonders kräftig, hat auch sonst keine Eigenschaften, die hervorragend einzustufen sind. Er wird ein sehr guter NLA-Stürmer. Ich glaube aus heutiger Sicht jedoch nicht, dass er gedraftet wird. In einem Jahr kann aber sehr viel passieren. Das hat man bei Luca Sbisa gesehen. Vor einem Jahr war er noch kein Draftkandidat und heute wird er, nach einer enormen Entwicklung, als Zweit- oder gar Erstrundendraft gehandelt.
Was halten Sie von Goalie Benjamin Conz, der mit viel Vorschusslorbeeren nach Kasan gereist ist?
Ich habe ein wenig Pech mit Benjamin Conz. Ich höre immer wieder sehr gute Sachen über ihn, er ist sicher ein grosses Talent. Doch in jedem Spiel, das ich von ihm sehe, ist er nicht so gut. Er wird sicherlich auf die Draftliste kommen und wird in der ganzen nächsten Saison, wie Ryan McGregor, beobachtet werden. Die grössten Draftchancen für 2009 sehe ich aber bei Alain Berger. Alain Berger ist sehr gross und kräftig, hat nicht so gute Hände, könnte aber als Stürmer in der dritten oder vierten Linie interessant sein. Auch Romain Löffel könnt noch ein Kandidat sein. Er ist ein solider Verteidiger, den ich schon von anderen Turnieren kenne. Deshalb denke ich, kann er es auf die Liste schaffen, auch wenn er an dieser Weltmeisterschaft noch nicht überzeugen konnte.
Dino Wieser ist zu alt, um in Kasan dabei zu sein, ist aber 2008 auf der Draftliste.
Ja, es gibt ein paar ältere Schweizer Spieler, die schon mal übergangen wurden und jetzt wieder auf der Liste sind. Diese übergangenen Spieler werden in der Liste meist etwas zurückversetzt. Alle 30 NHL-Organisationen haben schon mal gesagt, dass sie diese Spieler nicht wollen. Etienne Froideveaux, Gregory Sciaroni, Pascal Berger, Dino Wieser werden alle etwa in der Mitte der Liste zu finden sein. Sie müssten, von ihren Qualitäten her, ein wenig weiter oben sein und da sie bereits von allen Organisationen einmal abgelehnt wurden, wird es sehr schwierig für einen Draft.
Diese vier Spieler sind keine schlechten Spieler. Wieso wurden sie im letzten Jahr nicht gedraftet?
Sie sind im internationalen Vergleich einfach zu wenig stark. Allen Vieren sage ich eine gute Karriere in der Schweiz voraus. Aber für die NHL wird es ihnen kaum reichen. Überraschungen soll man aber nicht ausschliessen. Es gibt viele Spieler, die zwischen 20 und 25 noch enorme Fortschritte machen. Mit dem neuen Gesamtarbeitsvertrag in der NHL, bei dem man nur noch zwei Jahre Zeit hat, um einen gedrafteten Spieler unter Vertrag zu nehmen, werden zunehmend ältere Spieler verpflichtet. Beat Forster ist nach seiner sehr guten Saison ein Kandidat für eine solche Verpflichtung. Goran Bezina wird ebenfalls genau beobachtet. Julien Sprunger muss von den Minnesota Wild, eben durch diesen neuen Gesamtarbeitsvertrag, unter Vertrag genommen werden, da sie sonst die Rechte an ihm verlieren würden. Es ist gut möglich, dass er trotzdem bei Gottéron bleiben wird, beziehungsweise, dass er in seinem Vertrag festschreiben lässt, dass er in Fribourg spielen darf, wenn er es nicht ins NHL-Team schafft. Für seine Entwicklung wäre es wohl besser, wenn er in Fribourg eine tragende Rolle spielen kann anstatt in einem Farmteam spielen zu müssen.
Dass Beat Forster ein Thema für die NHL werden könnte, hat man bisher noch nirgends gehört. Wie kommen Sie auf diese Einschätzung?
Er hat eine herausragende Saison hinter sich und er ist genau so ein Spieler, der herausragende Fähigkeiten mitbringt. Er ist unglaublich kräftig. Er gewinnt jeden Zweikampf an der Bande und in den Ecken. Das könnte ihm den Erfolg in der NHL bringen. Er hat jedoch gewisse Schwächen im Spiel ohne Scheibe. Solche Spieler wie ihn werden in allen Ligen angeschaut. Nicht nur in der Schweiz. Das hat mit der Lohnsummenbeschränkung im Gesamtarbeitsvertrag zu tun. Die Topstars verdienen sieben, acht Millionen, dann kommt die zweite Garde, die etwa zwei bis drei Millionen verdienen und dann gibt es ganz viele Spieler, die für 500'000 bis einer Million US-Dollar spielen. Wenn nun einem dieser Spieler eine gute Saison gelingt, wird sein Agent den Klub darauf drängen, den Lohn auf vielleicht 1,2 Millionen anzuheben. Nun bieten sich dem General Manager Alternativen an. Ein Beat Forster oder ein Juraj Kolnik, die vielleicht gerade so gut sind, wie die Spieler, die nun mehr verdienen wollen jedoch für 500'000 spielen würden. In den europäsichen Ligen gibt es vermutlich etwa 80 Spieler, die auf das Niveau eines Dritt- oder Viertlinienspielers in der NHL kommen. Zehn oder zwölf von ihnen werden einen NHL-Vertrag erhalten und werden vermutlich weniger verdienen als in Europa. Aber wenn sie einschlagen haben sie gute Chancen auf einen viel besserern Vertrag als in Europa.
Sie beschreiben das, was mit Mark Streit in Montréal passiert ist.
Ja genau. Er verdient höchstwahrscheinlich in der NHL weniger als wenn er in der Schweiz geblieben wäre. Aber jetzt, nach seiner guten Saison, hat er die Chance auf einen grossen Vertrag.
Wieviel wird Mark Streit verlangen können?
Er wird von den Insidern nicht so stark beurteilt, wie er in der Schweiz hochgejubelt wird. In der Defensive hat er die Schwäche, dass er nicht stark genug ist, um einen kräftigen Stürmer aus dem Slot zu schieben. Optimisten gehen von drei Millionen US-Doller oder sogar mehr aus. Das würde mich eher überraschen. Ich denke aber, dass es etwa zwei Millionen werden könnten. Ich gönne ihm auf jede Fall soviel wie möglich.
Thomas Roost, vielen Dank für dieses Gespräch.