Kommt er, oder kommt er nicht? Andrej Kostitsyn einen Schritt vor dem Schweizer Ivo Rüthemann. Foto: Thomas Oswald (Klick für MMS)



Montréals Hoch ist Weissrusslands Sorge

Von Martin Merk

Wie schon in Riga 2006 dürfte in Québec dieses Jahr das Spiel der Schweiz gegen Weissrussland für beide Mannschaften massgeblich über das Erreichen der Viertelfinale entscheiden. Gelingt den Schweizern die Revanche?

Die WM 2006 geht nicht als erfolgreichste der Schweizer ein. Wie heuer, versuchten junge, frische Spieler ihr Glück, doch in der wichtigsten Partie gegen Weissrussland ging damals verloren: mit 1:2 trotz eines Chancenplus. Ein Unentschieden hätte gereicht, damit beide Teams weitergekommen wären auf Kosten der Slowakei, doch die Teams schenkten sich nichts und die Schweiz musste in den sauren Apfel beissen. Die Weissrussen wurden am Ende sensationeller Sechster unter dem US-Kanadier Glen Hanlon an der Bande. Hanlon musste sich darauf hin auf seinen eigentlichen Job als Trainer der Washington Capitals konzentrieren und mit dem Ersatz Curt Fraser reichte es nur noch zu Rang elf an der letzten WM in Moskau. Hanlon wurde mittlerweile in Washington entmachtet und ist zu den Weissrussen zurückgekehrt - offiziell als Assistent Frasers.

Weissrussland ist der zäheste Schweizer Gegner im Kampf um Rang acht in der Weltrangliste. In den letzten Jahren wurden Deutschland und Lettland überholt, den Vorsprung zur Schweiz brachte man jedoch nach der Enttäuschung in Moskau nicht zum Schmelzen. In den vergangenen Jahren hat sich im weissrussischen Eishockey und der Nachwuchsförderung einiges bewegt. Alexander Lukaschenko, der das Land seit 14 Jahren autoritär regiert, ist ein grosser Eishockey-Fans, schnürt in seiner Freizeit auch mal selbst die Schlittschuhe und dementsprechend wird seine Freude an der Sportart auf das ganze Land übertragen. Die wichtigsten Entscheidungen der Eishockey-Verbands gehen über ihn wie etwa die Teilnahme eines weissrussischen Clubs (Dynamo Minsk) an der neuen, offenen Liga Russlands, welche Lukaschenko zuerst noch abgelehnt hatte, um die eigene Liga zu fördern.

Weil er auch die Medien im Griff hat, wird Eishockey popularisiert. Über die staatliche Nachrichtenagentur wurde vor einigen Wochen mit Freuden über den Besuch des IIHF-Präsidenten René Fasel berichtet, der sich dabei voller Lobes über das Eishockey-Programm im Lande äusserte und auch mitansehen konnte, wie der Bau einer modernen Eishalle vorangetrieben wird. Spätestens in einem Jahr soll die State-of-the-Art-Arena stehen und dazu dienen, die WM 2014 nach Weissrussland zu bringen nach mehreren erfolglosen Anläufen. Das Wort haben hierbei die nationalen Verbände.

Momentan dreht sich jedoch alles um die WM in Québec. In der einzigen frankophonen Provinz Kanadas kennt man Weissrussland in Eishockey-Kreisen. Drei Autostunden entfernt von der Hauptstadt verzaubern die Kostitsyn-Brüder die Fans der Montréal Canadiens mit ihren Toren. Hinter dem Russen Alexander Kovalev sind Sergej und Andrej Kostitsyn die Nummern zwei und drei in der Playoff-Scorerliste der "Habs". Mit Mikhail Grabovsky ist eine weitere Teamstütze der weissrussischen Nationalmannschaft im Team, muss jedoch überzählig auf der Tribüne zuschauen. Er durfte nur 24 NHL-Spiele bestreiten und kam für 12 Spiele (20 Punkte!) im Farmteam zum Einsatz - hätte entsprechend Energiereserven und Motivation frei.

Des einen Freud, des anderen Leids: den Weissrussen fehlen somit gleich sämtliche NHL-Spieler auf einem Schlag. Das Hoch Montréals hinterlässt ein grösseres Loch als bei der Schweizer, wo einzig Mark Streit betroffen ist. Es wird ein Rennen mit der Zeit: Am 3. Mai findet Spiel fünf der Canadiens statt, welches über Weiterkommen und Ausscheiden entscheiden kann, am 4. und 6. Mai sind die letztmöglichen Spiele gegen die Philadelphia Flyers. Das Spiel Schweiz-Weissrussland findet am 5. Mai statt. Sollte Montréal wider erwarten am Scheitern sein, wird Weissrussland nicht nur nach Québec, sondern auch gespannt nach Montréal schauen.

Aufgebot Weissrussland

Torhüter (3): Vitali Koval (Neman Grodno), Dimitri Karpikov (Keramin Minsk), Dimitri Milchakov (HK Vitebsk).

Verteidiger (7): Alexander Makritsky, Andrei Antonov (beide Keramin Minsk), Viktor Kostjuchenok, Oleg Leontiev (beide Junost Minsk), Sergej Kolosov, Alexander Zhurik (beide Dinamo Minsk), Andrej Bashko (Metallurg Zhlobin).

Stürmer (14): Andrei Mikhalev, Jaroslav Chupris (beide Keramin Minsk), Alexander Borovkov, Artem Senkevich (beide Junost Minsk), Alexander Kulakov, Dimitri Dudik, Jevgeny Kurilin, Sergej Demagin (alle Dinamo Minsk), Sergej Zadelenov (HK Gomel), Dimitri Meleshko (Spartak Moskau/RUS), Oleg Antonenko (MVD Moskovskaja Oblast/RUS), Alexej Kaljuzhny (Avangard Omsk/RUS), Alexej Ugarov (Neftehimik Nizhnekamsk/RUS), Konstantin Koltsov (Salawat Julajew Ufa/RUS).

Trainer: Curt Fraser. Assistanten: Glen Hanlon, Eduard Zankovets, Vladimir Tsyplanov.