Mittwoch, 2. Mai 2007

WM 2007

6 : 0
(0:0, 5:0, 1:0)
Schweden Schweiz
 

Matchbericht



 
 

Schweizer Beton reichte nur für 21 Minuten

Von Martin Merk

Die Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft musste eine ihrer bittersten Niederlage in der neunjährigen Krueger-Ära einstecken. Nach grossen Erwartungen setzte es gegen Schweden eine 0:6-Packung ab. In ähnlicher Höhe hatte man einzig an der WM 1999 (2:8 gegen Kanada) verloren.

Eine andere Mannschaft, ein anderes Turnier. Das Versprach der Schweizer Nationaltrainer Ralph Krueger vor dem Spiel gegen Schweden, wo es um den Gruppensieg – vielmehr jedoch um Punkte für die Zwischenrunde ging. Es entpuppte sich jedoch, dass die Schweizer Defensive gegen Schweden nur einen Drittel lang durchhielt, man dagegen offensiv harmloser war als Lettland oder Italien in den Duellen gegen das Dreikronenteam… David Aebischer hielt in seinem ersten Spiel an der diesjährigen WM bis zum 4:0 der Schweden fehlerfrei, passte sich danach aber seinen Vorderleuten an.

Nach 21 Minuten ging der Beton aus

Anders begann das Spiel in der Tat: Beide Teams spielten Beton-Eishockey und waren selbst in Überzahlspielen ungefährlich. Einzig unnötige Strafen auf beiden Seiten trübten die taktische Perfektion oder spielerische Trübsal – je nach Sichtweise. Romano Lemm prüfte den schwedischen Torhüter Johan Backlund nach zwölf Minuten erstmals, doch bis dann hatte auch Aebischer in seinem ersten Spiel der diesjährigen WM wenig zu tun im Schweizer Tor. Dass das Startdrittel torlos endete, entsprach der Qualität der Chancen, auch wenn Schweden Vorteile hatten, während die Schweizer mit Kontermöglichkeiten den Abschluss suchten.

Im Mitteldrittel zeigten dann die physisch starken schwedischen Stürmer die verlangte Durchschlagskraft und erzielten innert sieben Minuten vier Tore, während die Schweizer Verteidiger böse schwammen. Nach 60 Sekunden im Mitteldrittel erzielte der Debütant Martin Thörnberg mit einem von Valentin Wirz ins eigene Tor gelenkten Schuss das 1:0, als die Schweizer Abwehrspieler wohl noch in der Kabine waren. Im wenig später folgenden Powerplay konnte dann Anton Strålman zwischen dem Abwehrduo Bezina/Blindenbacher mehr oder weniger ungehindert zu Aebischer vorfahren und zum 2:0 einschiessen. Nur eine Minute später erzielte Patric Hörnqvist den nächster Powerplay-Treffer. In der 28. Minute, als der EVZ-Verteidiger Per Hållberg an den Pfosten scheiterte, kam Johan Davidsson zum seinem ersten Treffer und erzielte in der 39. Minute nach einem Abpraller von Aebischer das 5:0. In denselben 20 Minuten war von der Schweizer Offensivabteilung weiterhin wenig zu sehen, während die Schweden aus sechs Chancen fünf Tore erzielten.

Einen Kollektiven Lapsus leisteten sich die Schweizer nach rund 47 Minuten. Beat Gerber musste für ein unnötiges Haken an Alexander Steen auf die Strafbank, danach setzte es auch noch eine Bankstrafe ab, weil die Schiedsrichter sich beleidigt sahen. «Wir hatten uns nur auf der Bank intern angeschrien, das hatte nichts mit dem Schiedsrichter zu tun», relativierte Krueger. Bei fünf gegen drei Feldspielern leistete sich dann Aebischer den «Flop der Partie»: Als Rickard Wallin aus spitzestem Winkel frei zum Schuss kam, fuhr er aus dem Tor statt den Pfosten abzudecken – der Lugano-Stürmer hatte so keine Mühe das 6:0 zu erzielen.

Historische Niederlage im richtigen Augenblick?

Für Ralph Krueger war es die wohl bitterste Niederlage in seiner neunjährigen Amtszeit. Hatte er noch vor dem Spiel Kritiker verspottet, die sich nach den Zittersiegen gegen Lettland und Italien unzufrieden über die Leistungen äusserten, so musste wohl nach der heutigen Niederlage auch der Deutsch-Kanadier einsehen, dass sein Team weit weg von der Leistung ist, die andere erwarten und er selbst herbeiredet. Dies, nachdem die Spieler bislang noch der am kritikfähigste Teil der SEHV-Tross war.

Die hohe Niederlage war daher wohl eine Klatsche zum richtigen Zeitpunkt, um sämtliche Akteure auf den gleichen Boden der Realität zurückzuholen und auf den gleichen Stand der Dinge zu bringen. Letztmals verlor man einen Ernstkampf in ähnlicher Höhe an der WM 1999 in Norwegen. Auch beim damaligen 2:8 gegen Kanada stand Aebischer im Tor und waren auch die Routiniers Mark Streit, Martin Steinegger, Ivo Rüthemann, Patric Della Rossa und Sandy Jeannin mit von der Partie. Kruegers Rückhalt schien bei einigen Fans zu schwinden: Einzelne Mitreisende sangen sein Davoser Feindbild Reto von Arx herbei und schrien «Krueger raus».

Nach 18 Stunden gegen Finnland

Die Niederlage gegen Schweden und der zweite Gruppenrang ergaben auch einen anspruchsvollen Spielplan. Bereits morgen (14:15 Uhr) trifft die Schweiz mit der Wut im Bauch gegen Finnland auf einen ähnlich starken Gegner wie die Schweden. Nach einem spielfreien Tag folgt gegen Dänemark die Vorentscheidung um die Viertelfinal-Qualifikation und 22 Stunden danach kommt mit den offensiv spektakulären Russen der wohl härteste Brocken. Dafür hätte man zum Viertelfinale wohl drei spielfreie Tage.



Stimmen:

Mark Streit, Captain Schweiz: «Entweder erwachen wir nun, oder wir sind in ein paar Tagen daheim. Wie wir momentan spielen ist eine Frechheit. Es muss sich jeder am Riemen reissen. Wenn wir gegen Mannschaften wie morgen Finnland spielen, müssen die, die auf dem Eis sind, sich zerreissen und harmonieren. Wir haben nun morgen ein wichtiges Spiel und müssen vorwärts schauen, mit mehr Elan und Power ans Spiel rangehen.»

Goran Bezina, Verteidiger Schweiz: «Wir sind schlecht am Puck und wenn wir wüssten wieso, könnten wir es schnell ändern. Wir machen zu viele Fehler und kassieren zu viele Strafen. Wir müssen nun eine Reaktion zeigen, für das Viertelfinale wären noch vier Punkte gut.»

Ralph Krueger, Headcoach Schweiz: «Wir hatten im ersten Drittel wenig Druck kreiert und kamen danach in ein desaströses Drittel. Wir können nicht zufrieden sein wie wir im zweiten Drittel gespielt haben. Vier Unterzahltore sind für uns tödlich; wir haben da immer die Innenposition verloren. Wir müssen nach diesem Frust morgen zu unserem Spiel zurückfinden, dafür haben wir nicht viel Zeit. Nach so einem Spiel ist es aber gut, wenn wir sofort wieder spielen. Wir sind sehr unglücklich, aber ich traue allen zu, dass wir eine Reaktion zeigen können. Das war nicht die Schweizer Nationalmannschaft, die wir hier präsentieren wollen. Wir haben die erhofften drei Punkte für die Zwischenrunde und wollen nun unser Ziel, das Viertelfinale, erreichen.»

Bengt-Åke Gustafsson, Headcoach Schweden: «Wir spielten im ersten Dritel nicht so aggressiv und waren im Mitteldrittel geradliniger, konnten das Spiel dort an uns reissen. Nun haben wir den weniger schwierigen Spielplan.»



Telegramm:

Khodynka-Arena, Moskau. – 4900 Zuschauer. – SR: Hansen (NOR), Dedioulia (WRU)/Pouzar (CZE). – Tore: 21:00 Thörnberg (Jonny Jönsson, Mårtensson/Eigentor Wirz) 1:0. 23:46 Strålman (Mårtensson/Ausschluss Jeannin) 2:0. 24:43 Hörnqvist (Hållberg, Davidsson/Ausschluss Streit) 3:0. 27:41 Davidsson (Bremberg, Hållberg) 4:0. 38:22 Davidsson (Enström, Hållberg/Ausschluss Forster) 5:0. 47:00 Wallin (Warg, Åkerman/Ausschlüsse Gerber und Sprunger bei Bankstrafe) 6:0. – Strafen: 6-mal 2 Minuten gegen Schweden, 8-mal 2 plus 10 Minuten (Aebischer) gegen die Schweiz.

Schweden: Backlund (Ersatz: Henriksson); Strålman, Kenny Jönsson; Hållberg, Enström; Åkerman, Tärnström; Johansson; Mårtensson, Jörgen Jönsson, Thörnberg; Hörnqvist, Davidsson, Bremberg; Warg, Wallin, Hedström; Steen, Bäckström, Emvall.

Schweiz: Aebischer (Ersatz: Hiller); Streit, Forster; Blindenbacher, Bezina; Gerber, Steinegger; Vauclair; Lemm, Jeannin, Wichser; Della Rossa, Monnet, Sprunger; Di Pietro, Wirz, Camichel; Reichert, Ambühl, Rüthemann.

Bemerkungen: Schweden erstmals mit Thörnberg. Schweiz ohne Sannitz (verletzt), Manzato, Hirschi und Paterlini (alle überzählig). – 27:38 Pfostenschuss Hållberg. 32:04 Lattenschuss Sprunger. – Schüsse aufs Tor: 29:8 (10:1, 15:2, 4:5). – Beste Spieler: Anton Strålman; Martin Steinegger.


ALLE FOTOS ALS MMS AUF DEIN HANDY!
hockeyfans.ch bietet einen neuen Service:
Alle Fotos aus Moskau für unschlagbar günstige CHF 1.50/MMS.
Einfach Bild in den Berichten anklicken und Ausschnitt wählen. Funktioniert mit allen Schweizer Netzen.

Fotos von Thomas Oswald


























zurück zur WM-Übersicht der Herren