Eishockey Weltmeisterschaft 2004
in Prag und Ostrava (Tschechien)

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Hintergrund
Österreich


Der grosse Traum vom Viertelfinale und ein Kader voller Hoffnungen

Von Klaus Führer, hockeyfans.at *

Der Countdown läuft! In Österreich laufen die Uhren aber etwas anders, denn im Gegensatz zum Rest der A-Gruppen Teilnehmer läuft der Countdown in der Alpenrepublik nicht bis zum Samstag, 24. April 2004 sondern um ein knappes Jahr länger. Am 30. April 2005 startet die WM in Österreich (Wien und Innsbruck) und schon jetzt haben die Vorbereitungen dafür im Team Austria begonnen.

Der grosse Vorteil für Österreich bei der bevorstehenden WM in Tschechien ist daher, dass man keinen Druck verspürt. Das Abstiegsgespenst ist heuer keines, das Team Austria kann als WM-Gastgeber im nächsten Jahr nicht in die Division I absteigen. Doch man wäre kein Eishockeyspieler und Sportler, wenn nicht trotzdem ein gewisser Ehrgeiz vorhanden wäre. Selten zuvor war die Erwartungshaltung unter den Fans und Experten vor einer WM so gross wie in diesem Jahr.

Der Grund dafür ist einfach und einleuchtend: egal wie lange man zurückdenkt, es gab noch nie ein derart gut besetztes Team Austria bei einer WM - und das, obwohl noch immer einige wichtige Spieler fehlen. Die Nationalmannschaft spiegelt dabei die durchaus positive Entwicklung des österreichischen Eishockeys in den letzten Jahren wieder. Junge Nachwuchshoffnungen haben bereits vor Jahren den Weg ins Ausland gesucht und sich dort durchgesetzt, zählen teilweise in Nordamerika zu den grössten Eishockeytalenten. Diese Youngstars bilden nun die Grundlage für ein Team Austria, das verstärkt auf eine Mischung aus Jung und Alt, Routine und jungen Hunger setzt.


Der Nationaltrainer Herbert Pöck
© hockeyfans.at
Die Zeit der Austrokanadier im Team ist so gut wie vorbei, der Grossteil des Kaders besteht aus im Ausland tätigen Spielern und Akteuren aus der österreichischen Bundesliga. Dass die Mannschaft Potential hat ist bekannt und wurde auch bereits unter Beweis bestellt. So konnte man erst vor wenigen Monaten das deutsche Nationalteam mit 2:0 schlagen. Zuletzt hatte mit einer noch nicht in Stammformation spielenden Mannschaft gegen Deutschland drei Mal das Nachsehen, zeigte aber, dass man knapp dran ist an einer der Top 8 Nationen.

Die Stars der Mannschaft: alle jung und aus Nordamerika

Vor wenigen Jahren waren noch 10 Austrokanadier und mehr im Team, heute ist es nur noch einer! Die Österreicher müssen auf einige Mannschaftsstützen, vor allem in der Defensive verzichten. Herbert Hohenberger, Robin Doyle und Manny Viveiros sagten allesamt ab. Mit dem ebenfalls verletzten Christoph Brandner (diese Saison in der NHL und AHL aktiv) und den erfahrenen Gerald Ressmann und Andreas Pusnik (Teamkarriere beendet) fallen weitere erfahrene Spieler aus.

Nun müssen es als die Jungen richten und anders als in der Vergangenheit gibt es auch in Österreich endlich wieder Nachwuchshoffnungen. Vor allem aus Nordamerika reisen dieses Mal die grossen Hoffnungsträger an:

Thomas Pöck (Verteidiger, New York Rangers) war in der abgelaufenen Saison DER Shooting Star schlechthin. Der Sohn des Nationaltrainer Herbert Pöck und gelernte Stürmer ist mittlerweile zum Verteidiger umgerüstet worden und hat bei der University of Massachusetts für derartige viel Aufsehen gesorgt, dass er nach dem Ende der Collegesaison binnen drei Stunden einen Vertrag bei den New York Rangers unterzeichnete und sofort zum ersten Einsatz kam. Dort traf er dann auch gleich im ersten Spiel, insgesamt machte er in 6 NHL Spielen zwei Tore und zwei Assists.
Thomas Vanek (Stürmer, University of Minnesota) zählt ebenfalls zu den besten Collegespielern Nordamerikas. Vanek wurde im letzten Jahr von den Buffalo Sabres im Entry Draft als Nummer 5 gezogen - so hoch wie kein Österreicher je zuvor. Der Stürmer gilt als einer der torgefährlichsten Collegespieler überhaupt.
Bernd Brückler (Torhüter, University of Wisconsin) hat in der vergangenen Saison die Rekorde seiner Schule pulverisiert und wurde im Jahr 2001 von den Philadelphia Flyers gedraftet. Er gilt als der Nachfolger von Reinhard Divis im Tor der Österreicher.
Apropos Reinhard Divis: der Backup Goalie der St. Louis Blues wird das rot-weiss-rote Tor hüten und damit der Hintermannschaft Sicherheit geben.


Captain Martin Ulrich
© hockeyfans.at
Zusätzlich zu den "Nordamerikanern" haben die Österreicher mit Matthias Trattnig (Kassel Huskies), Oliver Setzinger (HPK Hämmenlinna/FIN), ieter Kalt (Färjestads BK/SWE), Gerhard Unterluggauer und Martin Ulrich (beide DEG Metro Stars) weitere Auslandslegionäre mit Erfahrung in ihren Reihen. Nicht umsonst wird in den letzten Tagen in der österreichischen Medienlandschaft oft der Vergleich mit dem Fussballwunder von Cordoba 1978 verglichen. Damals schlug eine Legionärstruppe aus Österreich die hochfavorisierten Deutschen.

Neben den Exportschlagern aus Österreich stehen aber auch einige hoffnungsvolle Talente aus der heimischen Liga im Kader. So wird Thomas Koch von Meister Klagenfurt nächste Saison in Lulea (Schweden) spielen, auch Vereinskollege Daniel Welser gilt als Kandidat für ein Auslandsengagement.

Das grosse Ziel: Viertelfinale

Es mag fast schon vermessen klingen, aber die Österreicher hoffen insgeheim auf das Erreichen des Viertelfinales. Die Auslosung war noch nie so lösbar, wie in diesem Jahr. Erstmals glaubt man in der Vorrunde mit Frankreich und der Schweiz zwei erreichbare Gegner zu haben, in einer möglichen Zwischenrunde mit Deutschland und Lettland bzw. Kasachstan könnte man vermutlich ebenfalls mithalten, nur Tschechien und Kanada sind ausser Reichweite. Theoretisch wäre also ein Rang unter den Top 8 möglich.
"Realistisch gesehen bewegen wir uns in der Eishockeywelt irgendwo zwischen Rang 9 und 13," meinte Verbandspräsident Dr. Dieter Kalt vor der Saison. In den letzten Jahren hatte man in Österreich immer ein Schicksalsspiel zu absolvieren, jenes gegen den Abstieg. Auf dieses eine Spiel hat man sich dann immer voll konzentriert und sah daher oftmals in den anderen Spielen nicht so gut aus. Heuer könnte das anders sein, denn ein Schicksalsspiel gibt es nicht und sollte man gleich zum Auftakt gegen Frankreich gewinnen, ist für das Team Austria vieles möglich. Dennoch, ein Platz im Viertelfinale ist wohl mehr Wunsch als Realität.

Das grosse Ziel für Österreich wird es vorerst einmal sein, die Zwischenrunde zu erreichen und dann weiterzuschauen. Es geht vor allem auch um die Olympia-Qualifikation für Turin 2006, die Österreich auf direktem Wege nicht erreichen kann. Man will aber ein Heimturnier für die Qualifikation ausrichten und benötigt dazu einen guten Endrang in Tschechien.


DEL-Legionär Matthias Trattnig
© hockeyfans.at
WM 2004 nur Startschuss für WM 2005

Die Erwartungen sind gross, wenngleich man auch unter den Fans realistisch bleibt. Man freut sich schon, die Nordamerika-Legionäre teilweise zum ersten Mal live zu erleben und WM-Live-Atmosphäre zu schnuppern. Auf Grund der geographischen Nähe werden in diesem Jahr mehr rot-weiss-rote Fans denn je zu einer Eishockey-WM ausserhalb Österreichs anreisen.

Auch wenn viel über das Viertelfinale gesprochen wird, die WM 2004 ist und bleibt lediglich der Auftakt für die Vorbereitung zur Heim WM 2005! Der Kader ist ein erster Beweis dafür, dass man auf junge Spieler setzt und diese die internationale Luft schnuppern lassen will. Ein erster Schritt für die WM in Wien und Innsbruck. Trotzdem ist die WM in Tschechien wichtig für das Eishockey in Österreich. Die öffentlich-rechtlichen Medien sprangen zuletzt verstärkt auf die Eishockey-Berichterstattung auf, die erste Liga sowie das Nationalteam erhalten mehr Schlagzeilen denn je.

Diese Entwicklung gilt es hinsichtlich der Sportart Eishockey in Österreich weiterhin am Laufen zu halten und das kann nur gelingen, wenn man Leistung erbringt. Der Kader ist so gut wie nie zuvor, die Österreicher kommen mit Auslandserfahrung und haben auch die physischen und kämpferischen Voraussetzungen, um international mithalten zu können. Kann man sich auch spielerisch weiterentwickeln wird es vielleicht auch bald wieder zu einem Top 8 Rang reichen - wie zuletzt 1994 in Bozen.

Wann das sein wird bleibt abzuwarten, obwohl an Prag hat Eishockeyösterreich gute Erinnerungen: Bei der WM 1947 in der damaligen CSSR holte Österreich Bronze!



Kurzportrait
Torhüter:Bernd Brückler (University of Wisconsin/USA), Claus Dalpiaz (Innsbruck), Reinhard Divis (St. Louis/NHL)
Verteidiger:Sven Klimbacher (Linz), Andre Lakos (Vienna), Philippe Lakos (Vienna), Robert Lukas (Linz), Thomas Pöck (New York Rangers/NHL), Johannes Reichel (Klagenfurt), Martin Ulrich (Innsbruck), Gerhard Unterluggauer (University of Wisconsin/USA)
Stürmer:Raimund Divis (Linz), Christoph Harand (Vienna), Philippe Horsky (Klagenfurt), Dieter Kalt (Färjestad/SWE), Roland Kaspitz (Villach), Thomas Koch (Klagenfurt), Philipp Lukas (Linz), Markus Peintner (Linz), Oliver Setzinger (Hämmenlinna/FIN), Mark Szücs (Linz), Matthias Trattnig (Kassel/DEL), Thomas Vanek (University of Minnesota/USA), Daniel Welser (Klagenfurt)
Trainer:Herbert Pöck, Assistenten: Lars Bergström, Jorma Siitarinen, Helmut Keckeis
Testspiele:Italien 1:1, Slowenien 2:0, Frankreich 0:3, Kanada 1:4, Slowakei 3:2, Schweiz 3:3, Deutschland 2:0, Italien 2:3, Niederlande 4:2, Slowenien 2:4, Deutschland 0:3, Deutschland 1:2, Deutschland 2:3, Dänemark 2:2



* Klaus Führer ist der Herausgeber der Partnerseite hockeyfans.at und nahm als österreichischer Gastautor die Nationalmannschaft unseres östlichen Nachbarlandes unter die Lupe. Herzlichen Dank!