Hier ein Interview mit Mark Streit (Quelle: BernerZeitung BZ):

Mark Streit über seine zweite NHL-Saison
Der ehemalige SCB-Junior Mark Streit ist am Montag nach Montreal geflogen, um seine zweite NHL-Saison in Angriff zu nehmen. Der 28-jährige Verteidiger hat von den Canadiens einen Vertrag über zwei Jahre erhalten.

Sind die NHL-Profis im Sommer Einzelsportler?

Mark Streit: Das kann man sagen. Praktisch alle Spieler gehen nach der Saison heim, egal, wo sie wohnen. Dadurch gewinnt jeder Distanz. Aber nach einigen Monaten Sommertraining sucht man den Kontakt mit Teams, die bereits auf dem Eis trainieren, obwohl man sich als Fremdkörper vorkommt.


Sie haben bei den ZSC Lions, beim SCB und bei den SCL Tigers trainiert. Weshalb bei drei Klubs?


Das hat sich so ergeben. Bei den Lions ist der Kontakt mit Manager Simon Schenk nie abgebrochen. Beim SCB bot mir Sportchef Sven Leuenberger an, mit dem Team zu trainieren. Und die Kontakte zu den SCL Tigers sind über Trainer Christian Weber gelaufen. Ich habe es sehr geschätzt, bei diesen Vereinen willkommen zu sein. Es gibt auch Klubs, die keine Aussenstehenden im Training haben wollen: Kloten hat Tobias Stephan und Tim Ramholt abgesagt, obwohl diese mit dem Klub verwurzelt sind.


Welchen Eindruck haben Sie in den Trainings von den Berner Teams gewonnen?


Beim SCB ist mir die hohe Intensität aufgefallen. Das Team ist sehr ausgeglichen besetzt und für mich Favorit auf den Titel. Die SCL Tigers haben dagegen eine sehr junge Mannschaft, die grossen Einsatz zeigen wird. Weber als Ausbildner ist für junge Spieler perfekt.


War es für Sie ein besonderer Moment, als NHL-Profi Schweizer Kabinen zu betreten?


Nein. Ich halte nichts von einem Starstatus. Als Person habe ich mich nicht verändert. Ich sehe immer den Randstein, wenn ich über die Strasse gehe.


Wie würden Sie sich selber beschreiben?


Ich bin gegenüber fremden Menschen zurückhaltend. Es mag Leute geben, die mein Verhalten als arrogant bezeichnen. Ist mir aber das Umfeld vertraut, verhalte ich mich ganz anders, dann bin ich impulsiv, laut und meist zu Spässen aufgelegt. Langjährige Freunde sagen mir gelegentlich: «Lässig, du bist noch so wie vor zehn Jahren.» Das freut mich. Es geht schliesslich nicht nur darum, welchen Beruf ich habe, sondern auch, wie ich als Mensch bin.


Als Captain müssen Sie manchmal auf Leute zugehen.


Captain einer Mannschaft zu sein ist sehr speziell. Man darf sich dann nicht scheuen, auch unpopuläre Sachen zu sagen und Probleme direkt anzusprechen. Das Captainamt bot mir die beste Gelegenheit, mich als Person zu entwickeln und meinen Charakter zu stärken.


Im Nationalteam sind Sie seit Jahren der verlängerte Arm Ralph Kruegers. Haben Sie zu ihm ein besonderes Verhältnis?


Unsere Beziehung hat sich über Jahre entwickelt. Als Spieler bin ich nicht mehr der Gleiche wie vor vier Saisons. Das gilt auch für ihn als Trainer. Wir pflegen einen offenen, ehrlichen Umgang. Er kann mich vor dem Team kritisieren, ich darf mich äussern, wenn ich Ansätze zur Verbesserung sehe. Der Respekt muss einfach da sein. Aber eine innige Freundschaft ist nicht möglich. Er ist der Chef, und ich bin einer der Spieler.


Sie gelten als Musterprofi. Kommt es vor, dass Sie Motivationsprobleme haben?


Ich glaube, jeder Profisportler kennt dieses Gefühl. Fühlt man sich beim Aufstehen sehr müde, ist es nicht einfach, Höchstleistung zu erbringen. Nach den letzten Monaten bin ich froh, dass es in Übersee bald losgeht. Ich habe ausreichend Trockentraining gehabt und bin bereit.


Sie sind am Montag nach Montreal gereist. Wie geht es weiter?


In dieser Woche steht ein Golfturnier des Teams für einen guten Zweck auf dem Programm. Danach werde ich täglich mit jenen Spielern, die in Montreal sind, auf dem Eis stehen und «mätschle». Am 14. September beginnt das offizielle Trainingscamp mit rund 50 Spielern. Dann werden zwei Teams gebildet und laufend Spieler in die Farmteams geschickt.


Haben Sie – trotz Zweijahresvertrag – keine Bedenken, ins Farmteam relegiert zu werden?


Nein. Ich habe eine viel bessere Ausgangslage als vor einem Jahr. Alles, was damals neu war, kann mich nicht mehr überraschen. Vor einem Jahr führte meine Reise ins Ungewisse. Nun aber will ich den nächsten Schritt machen und mich in der NHL richtig festsetzen.


Erwarten Sie, dass sich der Klub vermehrt um Sie kümmert?


Nein. Nach der letzten Saison habe ich meine Wohnung aufgelöst, mein Auto verkauft und mein gesamtes Gepäck in die Schweiz mitgenommen, weil meine Vertragssituation bei der Abreise unklar war. Ich bin nun praktisch als Obdachloser wieder zurückgereist und muss alles neu organisieren. Ich möchte wieder direkt neben der Eishalle wohnen. Der Klub leistet auf der Suche nach einer Wohnung keine Hilfestellung. Das ist Teil des Systems, das mich nie sonderlich belastet hat. So bin ich zum Mann gereift.


Wie war es vor einem Jahr, als Sie nach Montreal kamen?


Ich lebte während fünf Wochen in einem Hotel. Der Umzug in eine Wohnung war fast eine Erlösung. Ich dachte in dieser Phase oft, wie gut ich es doch in der Schweiz hatte. Captain Saku Koivu half mir bei der Beschaffung eines Autos.


Die Canadiens gelten als ganz besonderer Eishockeyklub.


Montreal ist wahrscheinlich der Verein mit der grössten Hockeytradition. Die Kabine ist ein Museum. Überall hängen Bilder früherer Teams und verdienstvoller Spieler. Man sitzt dann in der Kabine, schaut auf die Fotos und denkt: «Wow!»


Wie war es, als Sie zum ersten Mal das Museum betraten?


Es gibt eine Hauptgarderobe und daneben eine Kabine für die Jungen und jene Spieler, die aus dem Farmteam kommen. Ich ging zuerst in die Nebenkabine. Dann wies mich jemand darauf hin, dass mein Platz im andern Raum sei. Als ich den Namen Streit und die Nummer 32 sah, wurde mir mulmig. Das sind Momente, in denen man nervös wird. Die andern Spieler haben mich nicht besonders beachtet. Aber Koivu kam auf mich zu und sagte: «Ich bin Saku. Wenn du etwas brauchst, bin ich da.» Solche Gesten vergisst man nicht. Koivu ist als Captain, Spieler und Mensch einzigartig.


Hatten Sie noch andere Schlüsselerlebnisse?


Es war mein Bubentraum, in der NHL zu spielen. Ich werde deshalb das erste Spiel mit Montreal gegen Toronto nie vergessen. Ausgerechnet im Derby, das in ganz Kanada direkt übertragen wurde, gab ich meinen Einstand, gegen legendäre Spieler wie Mats Sundin und Tie Domi. Dieser Nervenkitzel ist wie ein Kick. Für dieses Gefühl trainiert man. Fühlt man vor einem Spiel weder Emotionen noch Nervosität, muss man aufhören.


Wie nehmen Sie die Zusammenarbeit mit dem Trainer wahr?


Am Anfang haben wir uns nur Hello und Goodbye gesagt. Im Camp wird man genau beobachtet, aber nie gefragt, wie man sich fühle. Gehört man dann dem Team an, kümmern sich vor allem die Assistenztrainer um einen. Der Headcoach bespricht sich meist nur mit dem Captain und den Veteranen. Wer in die NHL kommt, muss zwei, drei Jahre kämpfen, ehe er voll akzeptiert wird.


Wie lange möchten Sie in der NHL bleiben?


Es gibt keinen Zeitplan. Ich will nicht zu weit vorausplanen und nicht an die Rückkehr in die Schweiz denken. Ich will nun auch auf den kleineren Eisfeldern mein Potenzial ausspielen.


Haben Sie als ehemaliger SCB-Junior den Wunsch, einmal in Bern zu spielen?


Ich habe schon fast überall gespielt, nur nicht dort, wo ich neben der Halle aufgewachsen bin. Der SCB liegt mir am Herzen, das sind für mich drei magische Buchstaben – ein Phänomen. Aber ich hatte in der Vergangenheit Grund, im Zusammenhang mit dem SCB enttäuscht zu sein. Aber das ist vergessen. Es wäre für mich etwas vom Grössten, beim SCB zu spielen. Aber im Moment habe ich andere Gedanken im Kopf.