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U18-WM '05: Schweizer Eishockey-Nachwuchsszene bitte erwachen!

Vom Hockeyfans.ch-Team

"Das Schweizer Nachwuchs-Eishockey steht vor einer schwierigen Phase," so die Aussage des U18 Nationaltrainers Alfred Bohren gegenüber Hockeyfans.ch in einem Gespräch an der U18 Weltmeisterschaft in Tschechien. Doch was bewegt den ehemaligen Spieler und Trainer der SCL Tigers, EHC Grindelwald, EHC Wiki-Münsingen und des EHC Olten zu dieser Äusserung? "Unsere sportliche Ausbildung im Kindes- und Jugendalter ist meines erachtens reformbedürftig. Ich stelle fest, dass viele 15- und 16jährige Spieler nicht genügende Grundlagen haben. Die Jungs haben eine lückenhafte Bildung im Bewegungsverhalten. Es wäre lohnens- und empfehlenswert im goldenen Lernalter für Bewegung (6 bis 14 Jahre) inhaltlich mehr zu tun um das Potential zu erweitern. Doch leider wird dies durch eine zu frühe Spezialisierung gebremst. Mit gezieltem Polysport kann man den Jugendlichen eine umfangreichere sportliche Bildung bieten, mit dem Vorteil Freude und zusätzliches Interesse für den Sport zu gewinnen." Alfred Bohren stand uns Red und Antwort.


Alfred Bohren, Coach U18-Nationalmannschaft

Dürfen denn fehlende finanzielle Mittel zu einer Vernachlässigung in der Jungendarbeit führen?

Das ist ja das Interessante daran, wir müssten nur den Mut finden, neue Wege in diese Richtung, wie oben erwähnt, zu beschreiten. Ich denke, mehr Geld würde dies nicht benötigen.

Welche Schritte müssen nun unternommen werden um das Eishockey auf Juniorenebene besser zu machen und auch die A-Nationalmannschaft daran teilhaben zu lassen?

Wir werden mittel- oder längerfristig nicht darum herumkommen, im Stufenbereich U16- bis U18 mit Teilzeit oder mit einer Vollzeitstelle die anstehenden Trainings und Betreuungsbedürfnisse zu vollziehen. Die gewonnenen Erkenntnisse anlässlich einer Juniorenweltmeisterschaft könnten so qualitativ besser an die Basis gebracht werden. Die nebenamtliche Betreuung der erwähnten Nationalteams lässt es unmöglich zu, gründlich und zuverlässig auszuwerten um den unteren Stufen kompetente Massnahmen nicht nur vorzuschlagen sondern auch umzusetzen.

Gibt es auch Handlungsbedarf bei der Talentsichtung?

Ja, eben, genau aus diesem Grund (alles Nebenamttrainer) ist meiner Ansicht nach gerade die eminent wichtige Datenerfassung ungenügend. Um seriös erfasste Talente zu fördern müssten umfangreichere Daten des jeweiligen Kandidaten über die Jahre hinweg kontrolliert und ergänzt werden. Diese Daten müssten letztlich auch bei der Trainingsgestaltung berücksichtigt werden. Denn nur ein mehrjähriger Trainingsaufbau garantiert uns die angesprochenen kompletteren Spieler. Um kontinuierliche Talentförderung zu betreiben brauchen wir noch mehr Vergleichsmöglichkeiten. Zudem wirft sich wieder die Frage auf, wären Stützpunkte oder ein Ausbildungszentrum, ähnlich wie bei den Nordamerikanern, auch bei uns eine zu überprüfende Alternative.

Dieses Jahr sind ja praktisch keine Nationalliga Spieler in der U18. Auf was führst Du das zurück?

Ein Grund ist klar, die Spitze im Jahrgang 1987 ist nicht so breit wie in früheren Nationalmannschaften. Das warum versuchte ich vorher zu erklären. Der zweite Grund bedeutet, dass durch die Ausweitung der Ausländerkontingente logischerweise die Perspektiven für die noch nicht ausgereiften Talente in der Nationalliga klar reduziert worden sind. Ich persönlich finde dass das kein Nachteil für die Zukunft sein muss. Im Moment leiden wir logischerweise hier an der Weltmeisterschaft darunter, dass wir weniger Nationalliga-Spielerfahrung im Team haben. Handkerum ist die heutige Situation auch eine grosse Chance für die Nachwuchsausbildung.

Die 17- oder 18jährige Talente können jetzt nicht mehr in ihrem unreifen Alter bereits in einer Erwachsenen Liga, welche eigentlich, richtigerweise, ja für bestandene Männer vorgesehen wäre, mitspielen. Wir haben viele Beispiele, das dann jeweils auf dieser Stufe oftmals eine Stagnation eintraf. Schliesslich ist es nicht Sache des Profitrainers, Spieler auszubilden. Nein, er ist einem brutalen Ergebnisjob ausgesetzt. Diese Konstellation verunmöglicht es auf dieser Stufe auszubilden.

Was meinst Du mit der grossen Chance für die Nachwuchsausbildung genau?

Ich denke die Spieler werden in Zukunft den Sprung in die Profiliga erst später schaffen. Das bedeutet, sie müssen weit sein in der Persönlichkeitsentwicklung und ganzheitlicher sportlich ausgebildet. Das heisst, dass wir mehr Zeit gewinnen bei der Ausbildung und so kontinuierlicher und vollumfänglicher die Spieler auf die Profiliga trainieren und entwickeln können. So gesehen müssen Moskitos nicht schon wissen wie man Power-, Boxplay und Angriffsauslösung beherrscht. Schliesslich haben sie ja überhaupt noch nicht die Werkzeuge dazu. Vielen Coaches und Eltern macht es mehr Spass eben diese Elemente ihren Schützlingen beizubringen. Nur machen sie einen grossen Denkfehler: ohne hervorragendes Schlittschuhlaufen, Scheibenführen, Passen, Schiessen und zwar in allen Varianten, so wie die Beherrschung der Technik beim Körperspiel können sie das noch hinderte von Trainings üben, viel mehr als wir jetzt hier sehen von unseren U18-Spielern wird kaum möglich sein. Denn unseren Jungs fehlen, wenn man mit den anderen Nationen vergleicht, genau in diesem Bereich beängstigend viel.

Sind wir den in fünf bis sechs Jahren auch mit der A-Nationalmannschaft noch A-klassig?

Wenn wir A-klassig unter den Top-Acht Nationen verstehen, bin ich sehr unsicher und besorgt und kann ich das nicht bejahen.

Das tönt aber nicht unbedingt optimistisch?

Ja sehen sie, Top-Acht in einer Sportart wie Eishockey wird immer hohe Leistungskultur voraussetzen. Hören jedoch unsere zum Teil verwöhnten "Talente" das Wort "Leistung", zucken sie zusammen und werden bleich. Denn das hören nicht unbedingt alle gern. Dafür sind sie dann meistens bei ihrer persönlichen Zielsetzung grosszügiger ... Aber was es dann, um dies zu erreichen für Entbehrungen und Beharrlichkeit braucht und ihnen da sachlich die Messlatte erklärt, mögen sie nicht mehr aufmerksam genug zu hören.

Wie siehst Du die nun folgenden zwei Spiele in Budweis in der Abstiegsrunde?

Ein nicht unwesentliches Ziel in einer Gruppe mit hochklassigen Gegnern etwas für die Zukunft zu lernen wurde ja jetzt erreicht. Schliesslich bezahlten wir ja genug Lehrgeld. Übrigens bin ich mir sicher, dass es einige Jungs hat, die daraus für ihre weitere Entwicklung ihre Lehren ziehen werden. Das zweite Hauptziel, den Klassenerhalt zu schaffen, wird nun sicher sehr schwierig, aber wir werden alles tun um diesen zu erreichen. Die U18-WM hier, ist wie ein Examen, in welchem sich zeigt, dass vermutlich bei allen Nachwuchsinvolvierten (Vereine, Grossklubs, aber auch Verband) die Hausaufgaben besser gemacht werden müssen.

Alfred Bohren, herzlichen dank für das Interessante Gespräch und viel Erfolg für die Spiele in Budweis.