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Hintergrund
Sparta Prag


Sparta Prag: Das Real Madrid von der Moldau

Seit fast 100 Jahren spaltet das 1903 gegründete Sparta Prag die tschechische Eishockeynation: Die Hälfte der Fans ist in die Mannschaft aus Holesovice hoffnungslos verliebt, die andere Hälfte ist auf die "Roten" nicht gut zu sprechen und hasst sie wie die Pest. Die Sparta-Anhänger sind aber überzeugt, dass ihre Puckjäger einen ähnlichen Starkult verdienen, wie die königlichen Fussballer aus der spanischen Hauptstadt und bezeichnen ihre Lieblinge deshalb respektvoll als das "Real Madrid von der Moldau".

Punkto Titel und Pokale können sich die Prager mit den Madrillenen allerdings noch nicht messen. Sie konnten aber in der vergangenen Saison immerhin den sechsten Meistertitel in der Klubgeschichte feiern. Vier davon hat Sparta in der früheren tschechoslowakischen Liga errungen. Den letztjährigen Titel gewannen die Prager in souveräner Art und Weise. Die Qualifikation beendeten sie auf dem ersten Platz mit elf Punkten Vorsprung auf Zlin, und auch in den Playoffs fanden sie keine ebenbürtige Gegner: Im Final bezwang die Mannschaft des Trainerduos Vaclav Sykora und Pavel Hynek das Team von Vitkovice aus Ostrava mit 3:1 Siegen. Den grössten Anteil am Meistertitel hatten der bereits 38-Jährige Goalie Petr Briza, Verteidiger Jaroslav Nedved und die drei Stürmer Ondrej Kratena, der slowakische Weltmeister Robert Tomik sowie Nationalmannschafts-Mittelstürmer Jaroslav Hlinka, der seit dieser Saison bei den Kloten Flyers spielt.

"Wir waren eindeutig die beste Mannschaft der Liga", blickt Hlinka zurück, "hatten praktisch nie Probleme und machten in den entscheidenden Momenten weniger Fehler als unsere Gegner." Die Spiele der tschechischen Meisterschaft weisen in der Regel ein hohes technisches Niveau auf. Es wird viel offensiver gespielt als etwa in Schweden. Hlinka ist aber auch von der Schweizer NLA positiv überrascht: "Die Eishockeyqualität hier ist hoch, es wird schnell und intensiv gespielt. Die Spieler sind technisch begabt und es gibt keine "Holzfäller", die der Schönheit des Spiels schaden könnten".

Auf die neue Saison hin konnte Sparta als Kompensation für Hlinka den besten Skorer des Vorjahres, Petr Leska von Zlin, verpflichten. Der 27-Jährige hat in den 52 Partien der Regular Season 28 Tore und 40 Assists erzielt und mit seinem Team die Playoff-Halbfinals erreicht. Trotz seinen vielen Skorerpunkten hat Leska keine Starallüren. Er ist vielmehr sehr bescheiden, dafür aber im Training fleissig. "Ich habe bei mir gegenüber früheren Jahren keine Veränderungen entdeckt", erklärt der Stürmer. "Ich habe das Gefühl, dass ich auch in der vergangenen Saison etwa gleich gespielt habe wie zuvor, besass aber im Abschluss mehr Glück." Das mögliche Geheimnis seiner grösseren Effizienz war vielleicht seine Sturheit: "Vor der Saison habe ich mir gesagt, dass ich mich von niemanden beeinflussen lasse, sondern nur das machen werde, was ich für richtig halte." Es war offenbar das richtige Rezept.

Der Star ist der Goalie

Der grösste Star der letztjährigen Meistermannschaft von Sparta war jedoch zweifellos Goalie Petr Briza. Nach einem mehrjährigen Abenteuer in Deutschland (Landshut) spielt Briza nun seit einiger Zeit wieder bei seinem Prager Stammverein und avancierte in der letzten Saison gar zum besten Torhüter des Landes. Seine gute Taten blieben auch dem neuen Nationalcoach Slavomir Lener nicht verborgen. Er nominierte Briza trotz seines fortgeschrittenen Alters für den Karjala-Cup im November dieses Jahres. Zuletzt hat der 38-Jährige vor sechs Jahren Tschechiens Tor beim World Cup (früher Canada Cup) gehütet.

Der Olympia-Bronzemedaillengewinner von 1992 in Albertville hat alles, was ein guter Goalie haben muss: Übersicht, Ruhe, schnelle Reflexe, ein hervorragendes Positionsspiel. "Wenn mir jemand vor ein paar Jahren gesagt hätte, dass ich mit 38 Jahren nochmals Meister werde, hätte ich ihn für einen Zauberer oder einen Träumer gehalten. Und nun ist der Zauber Realität geworden", schmunzelt Briza. Er stand bereits 1990 im Sparta-Tor, als die Mannschaft erstmals nach 36 Jahren wieder den Meistertitel gewinnen konnte.

Die meisten Ausländer in der tschechischen Extraliga sind Slowaken. Das hat gleich drei Vorteile: Erstens sind sie hervorragende Hockeyspieler, was auch der letztjährige WM-Titel unterstreicht. Zweitens haben sie keine Sprachschwierigkeiten, weil die tschechische und slowakische Sprache sehr ähnlich ist. Und drittens werden die Nachwuchsspieler in den seit 1993 getrennten Nationen weiterhin nach der gleichen Philosophie geschult.

Klubfarben gewechselt

Seit einigen Jahren gehört Sparta Prag zum Imperium des amerikanischen Milliardärs Phil Anschutz. Anschutz, Hauptsponsor Siemens und einige kleinere Firmen haben mit 120 Millionen Kronen (rund sechs Millionen Franken) ein für tschechische Verhältnisse grosses Budget auf die Beine gestellt. Spartas Heim ist die T-Mobile-Arena (früher Sportovni hala) mit einem Fassungsvermögen von 14 000 Plätzen, davon 13 000 Sitzplätzen. Ob die Mannschaft im Jahre 2004 in die neue Halle für 16 000 Zuschauer im Stadteil Vysocany oberhalb von Moldau umziehen wird, wo im gleichen Jahr die A-WM stattfindet, ist noch nicht klar.

Die "Roten", wie sie von ihren Fans seit Jahrzehnten genannt werden, mussten zwar auf den Wunsch von Anschutz ihre Klubfarben von rot, blau und gelb auf schwarz, weiss und grau - wie Anschutzs NHL-Team Los Angeles Kings - ändern, doch am hohen Niveau ihrer Eishockeykunst hat sich nichts geändert. Und am letzten Spengler Cup spielten sich die Prager auch in die Herzen der HCD-Fans: Obwohl sie im Vorjahr im letzten Gruppenspiel gegen TPS Turku keine Finalchance mehr besassen, zeigten die Tschechen Charakter, besiegten die Finnen und ebneten damit dem HCD den Weg in den Final und zur Titelverteidigung.

Ivan Sajnoha