Sonntag, 18. Februar 2006

Olympische Winterspiele 2006 Herren-Turnier

0 : 2
(0:1, 0:1, 0:0)
Kanada Schweiz

Matchbericht



Kanadier besiegt Kanadier

Von Urs Berger

Paul diPietro, geboren am 8.September 1970 in Sault Ste. Marie in der kanadischen Provinz Ontario wurde 1993 mit den Montreal Canadiens Stanley-Cup Sieger. Heute war er der Doppeltorschütze in einem Spiel, das man so schnell nicht vergessen wird. Die Schweizer gewannen aber nicht nur wegen ihm. Die gesamte Mannschaft zeigte Herz und Charakter. Die Kanadier schlugen sich mit vielen unnötigen Strafen selber.

Noch fühlt man die Überraschung bei den Medien, noch kann man nicht ganz begreifen, was geschehen ist. Dennoch sind sich alle Medien einig, dass dies die grösste Überraschung an olympischen Spielen ist, seit es Eishockey gibt. Man könnte jetzt einwenden, dass das Miracle on Ice von 1980 in Lake Placid auch eine Überraschung war. Doch damals spielten die NHL– Legionäre nicht mit. Diesmal schon. Das ist die Relation, in der sich die Schweizer Mannschaft bewegt. Wie das Wunder von Salt Lake City, ist das Wunder von Turin zu verstehen. Mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung, mit viel Herz und Charakter kämpfte die Mannschaft von Ralph Krueger um jede Scheibe. Sie liessen den Kanadiern keinen Raum, um ihr Spiel aufzuziehen. Immer wieder war ein Schweizer in der Nähe der Kanadier, machte Druck auf den Spieler und die Scheibe. In Unterzahl stand, so Ralph Krueger wörtlich, „die Mauer Martin Gerber, welche heute Abend nicht zu überwinden war. Unglaublich, was er alles gehalten hat.“ Doch kurz darauf relativiert Krueger wieder und meint, dass „auch die gesamte Mannschaft eine sehr gute und geschlossene Leistung brachte.“ Eine Leistung, die man beim 1 zu 0 sah. Joe Thornton verliert die Scheibe an Martin Plüss. Paul diPietro schnappte sich die abprallende Scheibe von Plüss, fuhr in das Angriffsdrittel hinein und passte auf Patric della Rossa hinter dem Tor. Della Rossa setzt hinter dem Tor gegen einen Kanadier durch, spielt die Scheibe zu diPietro und dieser drückt zum 1 zu 0 ab. Ein weiteres Beispiel der geschlossenen Mannschaftsleistung war das Unterzahlspiel der Schweizer. Immer wieder stand die Box ausgezeichnet, arbeitete die Kanadier aus der Gefahrenzone und bereiteten diesen so grosse Sorge im Powerplay. „Wir sind in den Powerplays still gestanden, bewegten unsere Füsse nicht und wenn wir mal gut waren, dann kassierten wir absolut dumme Strafen,“ meinte ein enttäuschter Pat Quinn.



Zwei dieser Strafen wurden durch die Schweizer mit einem Tor bestraft. In der 29. Minute konnte Paul diPietro das 2 zu 0 erzielen. Mark Streit spielte die Scheibe hinter dem Tor zu Goran Bezina, welcher auf de anderen Seite Paul di Pietro sah. Dieser drückte ab und erwichte Brodeur noch in der Bewegung zum näheren Torpfosten. Die Schweizer führten 2 zu 0. Die Kanadier mussten nun reagieren. Das Spiel wurde härter, die Strafen nahmen zu. Doch weder die Kanadier noch die Schweizer konnten die Überzahlsituationen ausnützen. Für die Schweizer wäre der dritte Treffer gut für die Nerven gewesen und für die Kanadier hätte ein Treffer Wunder wirken können. Wie nahe sie aber am Treffer standen verdeutlicht die Szene mit dem schnellen Fanghandschuh von Martin Gerber. Rick Nash, der ehemalige Davoser, zog von der blauen Linie ab. Gerber fischte den Puck mit seiner Fanghand und ging mit dieser über die Line zurück. Die Kanadier jubelten, die Schweizer waren enttäuscht. Und der Schiedsrichter? Der ging einige Zeit mit seinem Boss telefonieren um zu fragen ob es ein Tor war oder nicht. Auch auf der Pressetribüne rätselte man lange, schaute sich die Szene immer wieder an und wusste nicht so recht war es nun ein Tor oder nicht? Nach dem Vlacheslav Bulanov, der Headschiedsrichter, lange diskutiert hatte, entschied man auf kein Tor. Ein Schock für die Kanadier, eine Erleichterung für die Schweizer. Adrian Wichser meinte nach dem Spiel, dass diese Entscheidung sicher knapp gewesen sei.



Die Kanadier kamen nun vermehrt unter Druck. Die Schweizer mussten dagegen halten. In dieser Situation zahlte es sich dann aus, dass Ralph Krueger seine Mannschaft nach dem enttäuschenden Abschneiden in Salt Lake City neu aufgebaut hat. Jeder Spieler wusste nun genau, wie er sich zu verhalten hat, welche Position sein Mitspieler einnahm und wie er zu spielen hatte. Die Automatismen griffen. So auch in der 52. Minute, als die Kanadier wieder jubelten. Auch diesmal war es kein Tor. Torraumoffside entschied der Schiedsrichter. Die Kanadier wurden nervöser, versuchten alle, begannen ihren Körper härter einzusetzen und kassierten dafür prompt Strafen. „Wir hatten keine Disziplin in der Mannschaft,“ wetterte ein ungehaltener Patt Quinn im Anschluss an das Spiel. Den Schweizern und vor allem Paul diPietro, kann dies gleich sein. diPietro zeigte einer ganzen Nation, dass ein Spieler nicht immer in der NHL Erfolg haben muss, um gut zu spielen. Der Schweizkanadier ist am Ziel seines Traumes angelangt. Einmal seine eigenen Landsleute zu schlagen. Dies tat er heute auf eindrückliche Art und Weise. Im Dress der Schweizer Nationalmannschaft.



Telegramm:



Esposizione, Turin



Schiedsrichter: Bulanov (RUS); Halecky (SVK), Redding (USA)



Zuschauer: 4`769



Strafen: 12 x 2` plus 10` (Lecavallier) CAN; 16 x 2` plus 10`(Seger) SUI



Tore: 19. 0-1 diPietro (Della Rossa); 29. 0-2 diPietro (Bezina, Streit)



Aufstellung:



Schweiz: Gerber; Seger, Forster; Vauclair, Hirschi; Bezina, Blindenbacher; Keller, Streit; Paterlini, Ziegler, Rüthemann; Jenni, Conne, Fischer; Lemm, Jeannin, Wichser; DiPietro, Plüss, Della Rossa;



Kanada: Brodeur; Redden, Blake; Regher, Bouwmeister; McCabe, Foot; Pronger; Smyth, Richards, Bertuzzi; Gagne, Thornton, Nash; Heatley, Lecavalier, St. Louis; Doan, Drapper, Sakic; Ignila






Fotos von Thomas Oswald


Martin Gerber und Beat Forster gegen Rick Nash (CAN)


Sandy Jeannin kommt nicht an Martin Brodeur vorbei


Ryan Smyth trifft den Puck nicht richtig


Mark Streit gegen Wade Redden


Patrick Fischer gegen Joe Sakic


Das zweite Tor durch paul Di Pietro


Die Schweizer Goran Bezina, Martin Pluess, Paul Di Pietro und Ivo Ruethemann feieren das Tor


Fans und Spieler zeigen ihre Freude


Martin Gerber hielt 49 Schüsse


Martin Pluess und Jay Bouwmeester


Mark Streit im Zweikampf mit Todd Bertuzzi


Schweizer Fans waren in der Mehrheit


Die Schweizer freuen sich ueber den sensationellen Sieg


David Aebischer gratuliert Martin Gerber


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