Kommentar zur momentanen SCB-Talfahrt

Freitag, 3. Februar 2023, 16:07 - Roman Badertscher

Der SC Bern erlebte im Monat Januar eine richtiggehende Talfahrt. Während die Berner im Dezember noch sechs ihrer sieben Spiele bis zur Weihnachtspause gewinnen konnten, ist das Selbstvertrauen seither praktisch nicht mehr existent. Im Januar konnten von elf Spielen nur drei gewonnen werden. Ein Kommentar.

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Das letzte Heimspiel gewann der SCB am 2. Januar gegen den HC Ambri-Piotta und sprang auf den formidablen vierten Platz. Seither rutschte das Team von Toni Söderholm bis auf den achten Rang ab und droht damit die Playoffs, ja sogar die Pre-Playoffs, zu verpassen. Denn die Verfolger aus Kloten und Ambri sind dem SC Bern dicht auf den Fersen. Ja sogar die SCL Tigers könnten die Überraschung schaffen, sind sie doch nur sieben Punkte hinter dem grossen Nachbarn auf Platz zwölf klassiert. Die nächsten zwei Spiele gegen den EHC Biel und den EHC Kloten vor der Nationalmannschaftspause werden für den SC Bern existenziell wichtig, vor allem in der Direktbegegnung gegen Tabellennachbar und Aufsteiger aus der Flughafenstadt am Sonntag müssen dringend Punkte her. Am besten drei.

Die letzten Spiele liefen für die Berner alles andere als gut. Sieben der letzten acht Partien gingen durch Unkonzentriertheiten und fehlende Leidenschaft verloren. Am 22. Januar entfachte Ramon Untersander die Emotionen der Berner Fans nach dem Siegtreffer gegen den HC Davos in der Verlängerung zum 2:3. Seither herrschte offensive Flaute. Im Auswärtsspiel gegen den EV Zug gingen die Berner dank dem Treffer von Tyler Ennis im ersten Drittel noch in Führung, hörten dann aber auf Eishockey zu spielen. So ging es für die Zuger dann zu einfach, das Spiel zu drehen und einen schlussendlich ungefährdeten 4:1-Erfolg einzufahren. Aufgrund der Tabellensituation war es kein unwichtiges Spiel, welches verloren ging.

Letzten Samstag im Zähringerderby gegen Fribourg-Gottéron gab es für den SC Bern im ersten Drittel keinen einzigen Torschuss zu verzeichnen. Logisch stand Fribourg in der Defensive gut, aber der Wille und Ehrgeiz der Berner vermisste man als Zuschauer. Erst als Fribourg zweimal in Führung ging, folgte jeweils eine Berner Reaktion. Im Penaltyschiessen - ohnehin nicht die Königsdisziplin der Berner - verlor die Mannschaft von Toni Söderholm das Rennen um den Zusatzpunkt. Im Heimspiel vergangenen Dienstag schossen die Spieler mit fehlender Leidenschaft aber den Vogel ab. Es verwunderte nicht, hörte man bereits nach Ende des zweiten Drittels und dem Stand von 0:2 Pfiffe von den Rängen der dieses Mal eher spärlich gefüllten PostFinance Arena. Dies hätte eigentlich ein Weckruf für die Spieler sein müssen, doch mehr als ein glücklich erzieltes Tor zum 1:2 von Colton Sceviour schaute nicht heraus. Bern verlor in desolatem Zustand das Spiel mit 1:4 - Lausanne war besser, aber nicht übermächtig und nicht unschlagbar.

Dominik Kahun sagte anschliessend im MySports-Interview, dass im Training dreimal härter gearbeitet wurde als im Spiel. Das sagte eigentlich schon alles. Dieser Zustand darf so nicht weitergehen, denn es könnte für den SC Bern, der die vergangenen drei Jahre unten durch musste und letzte Saison die Pre-Playoffs bereits verpasste, böse enden. Ein Trainerwechsel gab es diese Saison schon, 15 neue Spieler sind letzten Sommer gekommen, es gab einen neuen Athletiktrainer - die Mannschaft wurde rundum erneuert. Seit dem Ende der Ära Jalonen im Januar 2020 haben es mit Kossmann, Nachbaur, Kogler und Lundskog vier verschiedene Coaches versucht, den SCB aus der Misere zu führen. Der erfolgreichste war noch Mario Kogler und kam gar aus den eigenen Reihen (mittlerweile wieder U20-Elit Coach).

Der Grund für die miserable Darbietung liegt also nicht am Trainer, sie sitzt tiefer. Vielen Spielern fehlt das Selbstvertrauen, bringen weder Emotionen noch Härte ins Spiel oder sind zu wenig hartnäckig und entschlossen in den Zweikämpfen auf dem Eis. Diese Punkte zeichnete der SCB in der Vergangenheit aus. Toni Söderholm ist in der Pflicht, dass die Spieler schnellstmöglich zu ihrem Selbstvertrauen zurückfinden. Er ist auch nach einem desolaten Auftritt die Ruhe in Person und kann die richtigen Worte finden. Sind diese gefunden, sind die Spieler in der Pflicht, jetzt durchs Feuer zu gehen - getreu dem Motto: einer für alle und alle für einen. Für Alleingänge und Sentimentalitäten ist aktuell kein Platz - weder auf dem Eis noch in der Garderobe. Die Berner Anhänger erwarten einen kämpferischen und aufopferungsvollen SCB, der für den Bär auf der Brust in jedem Spiel alles gibt. Die erste Chance zur Wiedergutmachung gegenüber den zahlenden Fans bietet sich im morgigen Heimspiel gegen den EHC Biel.