Der rote Platz als beste Vorbereitung

14.5.2016 - Von Leroy Ryser

Sven Andrighetto hat sich in der letzten Saison in der NHL durchgesetzt und 44 Spiele für die Montréal Canadiens absolviert. Der Zürcher, der an der WM mit einem Tor und drei Assists der drittbeste Skorer des Schweizer Teams ist, zeigt sich begeistert von den eishockeyverrückten Kanadiern und sagt: „Das ist meine zweite Heimat.“

Sven Andrighetto kennt die grosse Bühne des Eishockeys, obwohl er erst 23 Jahre alt ist. Genau genommen kennt er wahrscheinlich die grösste Bühne überhaupt. Der Zürcher spielt nämlich seit 2013 für die Organisation der Montréal Canadiens – das bekannteste Hockeyunternehmen überhaupt. „Das Interesse ist wirklich gross“, sagt er denn auch selbst. Das bedeutet aber nicht, dass nur Starspieler wie P.K. Subban im Fokus stehen. „Ich wurde bereits nach meinen ersten Einsätzen auf der Strasse angesprochen. Das hat mich schon überrascht.“ Die Zuschauer würden sich stark mit der kompletten Mannschaft beschäftigen, ganz Montréal sei in seinen Augen „extremst hockeyverrückt“. Entsprechend gross ist deshalb auch das mediale Interesse. „Selbst nach den Trainings haben wir jeweils 15 Journalisten in der Garderobe. Und die kommen dann auch auf Auswärtsflügen mit“, so Andrighetto weiter. Daran habe er sich aber bereits gewöhnen können – mittlerweile gehört es für ihn zum Job.

In der Provinz Québec fühlt sich der Stürmer aber wohl. Dass jedes Spiel ausverkauft ist, sei besonders, genauso wie die Spiele auf bestem Niveau selbst. Das alles zusammen gefällt ihm. Montréal ist auch deshalb durchaus ein zweites zu Hause geworden – obwohl die Zukunft insbesondere in der NHL immer in den Sternen steht. „Auch daran gewöhnt man sich“, sagt er, der schon mehrmals die Erfahrung von Wechseln zwischen AHL und NHL machte. „Zu Beginn beschäftigt einen das mehr, mittlerweile weiss ich damit umzugehen.“ Das beste Rezept dafür sei nur an den nächsten Tag zu denken und sich über jene danach nicht den Kopf zu zerbrechen.

Viel mehr Freiraum und Zeit

Umgewöhnen musste sich Andrighetto derweil für die Nationalmannschaft. Insbesondere das grössere Eisfeld hat ihm zuerst Mühe bereitet. „Es war ein Vorteil für mich, dass ich Vorbereitungsspiele bestreiten konnte“, erinnert sich der der 23-Jährige. In der NHL darf man die Scheibe nicht zu lange halten. Sonst „chlepfts“, sagt er mit ernster Miene. Er wisse deshalb, was er mit der Scheibe tun will, bevor er sie hat. „Hier hat man wieder etwas mehr Zeit und mehr Freiraum. Dann sind die Details wieder anders“, erklärt er. Zu den Details, die in seiner Rolle wichtig sind, gehört das Powerplayspiel, in welchem er als Skorer eingesetzt wird. Auch sonst gehört er zu jenen, die offensive Akzente setzen. Diese Rolle habe er angenommen und könne sie bisher zu seiner Zufriedenheit ausführen. „Es läuft gut. Wirklich Erfolg habe ich aber nur, wenn auch das Team Erfolg hat.“

Und auf dieses Ziel will Andrighetto hinarbeiten. Auch wenn der Schweiz vor den Spielen gegen die grossen Nationen wahrscheinlich noch Punkte für die Viertelfinals fehlen, so ist noch alles möglich. Denn: „Wer sagt, dass wir nicht auch solche Teams schlagen können?“ Gerade für ihn sei die Vorfreude vor solchen Spielen gross. Nervös sei er nicht, vielleicht auch, weil er bereits in der NHL gegen grosse Namen spielt. „Klar ist es schön ihnen zuzuschauen. Gerade bei Ovechkin ist es noch einmal spezieller. Aber dafür wird wahrscheinlich zu wenig Zeit vorhanden sein“, sagt er. Tatsächlich wird die Schweiz gegen die Russen als Underdog ins Spiel gehen, zumal die Gastgeber im letzten Spiel gleich 10:1 gegen Dänemark gewonnen haben. Die Washington-Trojka um Ovechkin, Kuznetsov und Orlov kam gestern an und wird bereits heute gegen die Schweiz spielen.

Immerhin ausgeruht und gut vorbereitet sind die Schweizer. „Wir haben den freien Tag genossen. Wir haben den roten Platz besucht, ein Kaffee getrunken und das Wetter genossen“, erklärt Andrighetto. Das sei wichtig. Das Hockey für einen Tag beiseitelassen und andere Dinge diskutieren. Dabei habe er auch bemerkt, wie schön Moskau sei. „Sauber und aufgeräumt“, so sein Fazit. „Aber jetzt geht es wieder um Eishockey und Business“, sagt er. Und das heisst in Worten: In den letzten drei Spielen die entscheidenden Punkte für den Viertelfinaleinzug zu gewinnen. Denn der Vorsprung auf Dänemark und Norwegen beträgt bloss ein respektive zwei Punkte.