Präsident Schärer zieht erste Bilanz
Nach ersten Gerüchten im Sommer trat die frühere Handballlegende Stefan Schärer am 11. September offiziell das Amt des Präsidenten der Swiss Ice Hockey Federation an. In seinen ersten Wochen im Verband und nun auch auf Visite beim Karjala-Turnier konnte er erste Eindrücke in seiner neuen Funktion gewinnen.
In Tampere sprach der 58-Jährige mit hockeyfans.ch über seine Eindrücke und Pläne als Verbandspräsident.
Sie sind nun seit einigen Wochen als Verbandspräsident im Amt und besuchten auch die Herren-Nationalmannschaft beim Karjala-Turnier. Was sind Ihre ersten Eindrücke?
International war mein erster Anlass der IIHF-Kongress in Portugal, wo ich die verschiedenen Exponenten der anderen Verbände kennenlernen durfte. Man merkt, dass es da wirklich eine Hockeyfamilie gibt. Vor allem in den europäischen Ländern und noch spezifischer vielleicht die Länder, die wir jetzt hier auf der Euro Hockey Tour haben. Da ist ein wirklich gutes Miteinander, gute Zusammenarbeit, guter Groove, Professionalität aber trotzdem mit menschlich gutem Umgang miteinander, also nicht irgendwie gegeneinander, sondern alle arbeiten zusammen für ein wirklich gutes Produkt. Für uns als Schweiz ist es sicher schön, dass man auch merkt, dass sie uns dabei haben wollen und darum eben auch die Verlängerung des Vertrags bis 2027.
National habe ich diese Brückenbauerfunktion mit der National League, damit man wieder besser zusammenarbeitet; auch hier sind wir gut gestartet. Da besteht auf beiden Seiten auch mit dem neuen Setup Bereitschaft wieder aufeinander zuzugehen und sich besser auszutauschen. Es hilft natürlich, dass ich von der Leistungssportseite her gewählt wurde, da ist es prädestiniert, diese Brücke zu bauen. Ein Thema, das mich sicher auch umtreibt, ist die Positionierung der Swiss League und dann natürlich die Strategie des Verbandes und der National League, welche bestmöglich aufeinander abgestimmt sein sollte. Die Struktur folgt der Strategie, also muss man erst einmal wissen, wohin wir wollen und dann kann man überlegen mit welchen Massnahme, mit welchen Strukturen, in welchen Schritten und so weiter. Hier möchte ich mein unternehmerisches, betriebswirtschaftliches KMU-Denken einbringen. Dann gibt es sicher auch Verbesserungs-Themen nach Innen in der Verbandsstruktur und in der Geschäftsstelle als Dienstleistungs-Zentrum für die 280 Vereine. Hier haben wir in den letzten Jahren stark auf die Kosten geachtet, was grundsätzlich positiv ist. Da möchte ich besser verstehen, wie man das Produkt «Schweizer Eishockey» weiter entwickeln kann, wo wir mutig sein könnten, wo wir etwas investieren können im Hinblick auf eine gemeinsame, definierte Strategie.
Was möchten Sie in der Zusammenarbeit mit der National League gerne ändern?
In den letzten beiden Jahren hat man den Kooperationsvertrag jährlich ausgehandelt. Das Jährliche führt zu Spannungen auf allen Ebenen und zusätzlich zu persönlichen Reibungen, die historisch angewachsen sind. Ich möchte einen Paradigmenwechsel. Bis 2021 hat quasi der Verband aus dem Medienvolumen heraus gesagt, wie viel Geld die National League erhält; es war also das Diktat des Verbandes. Und seit der Abspaltung der National League ist es umgekehrt; das heisst die National League definiert, wie viel der Verband erhalten soll für die Verbandsleistungen. Ich möchte neu, dass man gemeinsam definiert, welche Leistungen des Verbandes für die NL-Clubs wichtig sind. Dann überlegen wir, was diese Leistungen wert sind und was es kostet. Dann schauen wir, wie wir dies im neuen Vertrag abbilden. Damit haben wir ein Miteinander und kein Diktat eines Geldgebers. Mit diesem Miteinander sind wir nun in den letzten Wochen gut gestartet. Das soll hoffentlich bis Weihnachten abgeschlossen sein mit einem Dreijahresvertrag. Dann hat man das Geben und Nehmen definiert, hat ein gemeinsames Verständnis und die Transparenz, weil es miteinander am Tisch erarbeitet wurde. Und dies sollte auf der obersten Stufe auch Ruhe ins Hockey Haus Schweiz bringen.
Wie sind sie eigentlich in den Verband gekommen?
Ein Ex-Chef von mir ist im Verwaltungsrat eines NL-Clubs. Sie hatten im Club-VR das Profil des neuen SIHF-Präsidenten diskutiert und wahrscheinlich war ein Kriterium, dass diese Person nicht aus der Szene kommen soll. So hat er mich dann mal gefragt: «Schau, du verstehst Mannschaftssport, du verstehst dynamisches KMU-Business und du bist nicht vom Hockey, hast aber einen Sohn, der Hockey spielt.»
Als ich irgendwann 16, 17 Jahre alt war, merkte ich, dass Eishockey auch noch ein geiler Sport für mich wäre. Ich wuchs aber mit einem Vater auf, der Handballtrainer war, und konnte mich dort selbstverwirklichen. Als mein Sohn dann aber Eishockey spielen wollte, dachte ich: «Wow cool!»
Bei seinem Palmarès als Schweizer Handball-Legende und seiner Erfahrung als Entrepreneur geht fast vergessen, dass Schärer auch ein «Hockeydaddy» ist. Auch diese jahrelangen Einblicke ins Eishockey helfen ihm gewiss. Sein Sohn Matteo spielt Eishockey seit er fünf Jahre alt war. Beim EHC Winterthur war er in den Nachwuchsteams Teamkollege zweier Nationalspieler, der Geschwister Alina und Mirco Müller – und spielte auch mit Dominik Egli zusammen. Seit 2017 stürmt er für den EC Wil, mit dem er in der Saison 22/23 Amateur Schweizermeister wurde.
Wir sprachen ja von der National League. Die Swiss League kam ziemlich in eine Krise. Wie läuft es dort aus Verbandssicht?
Ich kenne nicht alle Geschichten und alle Details und bin eher nach vorne orientiert. Mein Verständnis ist, dass die SL eine gute Ausgangslage hatte, als sie aus dem Gesamttopf Geld erhielt. Danach kam die Abspaltung der National League und die Swiss League hat sich auch noch separiert in der Vermarktung. Das ging ist die Hose, obwohl kompetente Leute versucht haben es zu vermarkten. Nun ist die Swiss League wieder im Verband integriert und es gibt diverse Fragestellungen zu klären: Wie positioniert man die SL als Produkt im Hockeyhaus Schweiz? Wie sieht das die NL? Wie sehen wir das als Verband? Wie sieht das die Swiss League selbst? Und dann haben wir natürlich eine Swiss League, die sehr heterogen ist. Wir haben ein paar Clubs, die gerne eine Aufstiegschance hätten, doch der Weg nach oben ist nicht durchlässig mit einem direkt, qualifizierten Aufsteiger. Und andere Clubs sehen sich mehr als Ausbildungsvereine und haben viel tiefere Budgets. Es geht nun darum, wie man im ganzen Hockeyhaus Schweiz die Situation herbringt, dass die SL sinnvoll positioniert ist und weiterhin existieren kann und das Produkt eine Wichtigkeit hat. Ich persönlich würde die SL als Talentschmiede des Schweizer Eishockeys positionieren. Vielleicht sehen das andere anders. Das müssen wir jetzt herausfinden.
Als ihr Name im Zusammenhang mit der SIHF in den Medien auftauchte, erschien in einigen Artikeln den Eindruck, dass sie geholt wurden um beim Verband und dessen Führung «aufzuräumen». Wie nahe ist diese Darstellung an der Realität?
Wenn man irgendwo reinkommt, muss man sich zuerst ein Bild und eine eigene Meinung machen. Ich habe viel mehr Motivation, die bestehenden Menschen, die wollen, bei denen Skills, Wille und Motivation da ist, zu unterstützen, um gemeinsam besser zu werden. Wenn man ein Startup gründet und junge Menschen anstellt, wie wir dies bei meinem Start-up Houzy gemacht haben, dann macht es mich stolz zu sehen, dass ich alle Leute, die heute nach sechs Jahren in der Geschäftsleitung sind, eingestellt und gefördert habe. Die haben soeben einen Kununu-Arbeitgeberpreis bekommen. Solche Entwicklungen motivieren mich als Führungsperson. Klar werde ich damit konfrontiert und es gibt Gründe, weshalb vielleicht gewisse Personen von aussen angeschossen sind. Da wurden sicher auch Fehler gemacht oder es wurde schlecht kommuniziert. Und jetzt ist die Frage, ob die Leute daraus lernen oder sich diese Fehler wiederholen. Ich gehe sicher nicht hin und räume auf, weil dies jemand von draussen sagt, dann wäre ich ein schlechter Chef. Das liegt mir fern. Ich will mit motivierten Menschen zusammen den Verband weiterentwickeln. Klar, wenn es Personen gibt, die sich dieser Weiterentwicklung entgegenstemmen, oder nicht können, oder nicht wollen, wenn es Hemmnisse gibt... Dann ist es wie als Trainer, wenn du Spieler hast, die sich weigern auf dieser Position oder mit dieser Taktik zu spielen oder nicht richtig mittrainieren, dann musst du sie irgendwann auswechseln, sonst beeinträchtigen sie das kollektive Ergebnis.
Der Vertrag des Nationaltrainers Patrick Fischer läuft Ende Saison aus. Liefen mit ihm bereits Gespräche über seine Zukunft?
Das ist ein Dossier bei Lars Weibel und Patrick Bloch. Es ist sicher so, dass wir im Moment die Auslegeordnung machen. Das Ergebnis der nächsten WM hat natürlich schon mit der Zukunft des Nationaltrainers zu tun. Das Ganze ist aktuell im Fluss, man hat erste Gespräche geführt. Man wird sicher in den nächsten Monaten definieren, wie es nach der WM weitergehen soll.
In zweieinhalb Jahren ist die WM in der Schweiz. Wo steht diese in der Strategie?
Sie ist sehr wichtig. Es gibt eine unglaubliche Chance, die Sportart mit einer aufeinander abgestimmten Strategie und Massnahmen vorwärtszutreiben und die Plattform einer WM zu nutzen sei es für Frauenhockey, Nachhaltigkeitsthemen, Erfassung und Rekrutierung des Nachwuchses. Das sind alles Themen, die man bei einer eigenen WM in der Schweiz mit dem medialen Interesse im Rahmen der Strategie als Leuchtturmprojekt nutzen muss.
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Stefan Schärer
Der SIHF-Präsident Stefan Schärer hinter den Kulissen der Nokia Arena in Tampere während des Karjala-Turniers. Foto: Martin Merk