Spezielles Turnier für Alatalo

13.11.2022 - Von Martin Merk

Background mit Video. // Dass die Schweiz ab dieser Saison bei der Euro Hockey Tour dabei ist, ist speziell. Noch spezieller ist das Karjala-Turnier für Santeri Alatalo, der in seiner dritten Saison im Schweizer Nationalteam steht, als Junior aber auch schon für seine alte Heimat Finnland Länderspiele bestritt.

„Als ich zwei Jahre alt war in Tampere, hatte ich erstmals Schlittschuhe an und das erste Training mit fünf“, blickt der Schweizer Nationalstürmer mit finnischen Wurzeln zurück. „Dann begann ich in Kloten als mein Vater dort Trainer war. Da begann es Spass zu machen und wurde belohnt. Mit 18 Jahren hatte ich den ersten Profivertrag in Hämeenlinna.“

Sein Vater, das ist Matti Alatalo, der 1995 als Assistenztrainer zum ZSC stiess. Sieben Jahre lang war er in der Lions-Organisation, danach acht Jahre lang Cheftrainer in der höchsten finnischen Liga, bevor er für sechs Jahre wieder Trainer der GCK Lions war. Es folgten Jahre in Visp und seit einigen Wochen folgte er seinen Sohn nach Lugano, ist dort Assistenztrainer.

Der EHC Kloten war Santeri Alatalos erster Club. Damit wurde er „Lizenz-Schweizer“, später folgte zur finnischen auch die schweizerische Staatsbürgerschaft. Als Junior spielte er zuerst in der Schweiz, dann in Finnland. Es ist für ihn aber kein Wechsel zwischen Welten. „Schweiz und Finnen sind fast gleich“, sagt er. Als typisch finnisch bezeichnet er seine Ruhe. „Ich bin etwas zurückhaltender. Ich muss nicht die ganze Zeit sprechen, aber wenn es nötig ist, sage ich schon etwas.“
 

Video: JustPictures / Vedran Galijas. Falls sich das Video nicht anschauen lässt, findet ihr es auch bei uns auf Facebook und YouTube.


Nach einigen Juniorenjahren in Finnland und Saisons in der höchsten Liga für den HPK Hämeenlinna kehrte Alatalo 2012 in die Schweiz zurück, spielte eine Saison für den HC Davos, acht Jahre für den EV Zug und seit 2021 beim HC Lugano. „Meine Eishockeyheimat ist sicher die Schweiz, dort verbrachte ich die meiste Zeit in Juniorenjahren. Auch also Profi spielte ich meistens in der Schweiz. Das Schweizer Eishockey ist meine Heimat“, sagt er im Interview, navigiert aber auch ebenso sicher in finnischer Sprache und ist hier in Turku entsprechend der gefragteste Schweizer Spieler.

Welches Nationalteam er neben der Schweiz am liebsten mag, verheimlicht er aber natürlich nicht. Finnland gewann als erst zweites Land nach Schweden (2006) WM- und Olympiagold im gleichen Jahr. Bei den Olympischen Winterspielen in Peking konnte Santeri Alatalo das Finale vor Ort mitschauen.

„Mein Herz schlägt für die Schweiz, aber wenn Finnland dabei ist und wir weg sind, ist Finnland meine Nummer 2. Das Olympiafinale habe ich vor Ort mitverfolgt und mitgefiebert, sie haben den Sieg verdient“, sagt er.

Alatalo hat bisher die WM 2021 und die Olympischen Spiele 2022 für die Schweiz bestritten. Sein grösster sportlicher Erfolg ist der Schweizer Meistertitel 2021 mit dem EV Zug. Danach wechselte er von Lugano. Obwohl es sportlich nicht einfach ist im Südtessin, hat der den Wechsel nicht bereut. Nach acht Jahren in Zug hatte er das Gefühl, dass es Zeit für etwas Neues war. „Ich bekam auch nicht die Offerte von Zug, die ich wollte und verdient hätte“, fügt er an. „Ich sprach mit der Familie, mit meiner Frau und wir gingen nach Lugano. Spielerisch müssen wir noch an uns arbeiten, aber der Wechsel war gut.“

Vom nordischen Eishockey beim EV Zug ging es zur kanadischen Art nach Chris McSorley in Lugano – eine Ehe, die nicht allzu lange hielt. Dabei hatte es Alatalo gut mit ihm. „Er war sehr lange da, weiss viel vom Hockey. Wir fingen letzte Saison unseren Plan an und konnten ihn leider nicht durchziehen bis zum Schluss. So ist halt das Hockey. Wenn es nicht läuft, muss oft jemand gehen und oft ist es der Trainer. Ich habe ihn sehr gemocht, er ist ein guter Typ, ein Gentleman.“

Nun gilt es mit dem neuen Trainer Luca Gianinazzi aus der sportlichen Misere rauszufinden. Ein starker Bruchwechsel vom Kanadier alter Schule zum jungen Tessiner mit modernen Ansätzen, aber weniger Erfahrung. “Die Spielweise hat sich geändert, mit mehr Puckbesitz, kurzen Pässen. Er möchte ein modernes Hockey in Lugano reinbringen“, sagt Alatalo. „Es wird noch eine Weile dauern, es ist nicht so, dass man in ein, zwei Wochen alles wechseln kann. Wir setzen alle daran. Wir müssen Gas geben.“

Die Schweiz hatte in Turku einen guten Start, besiegte Finnland, den Gastgeber, amtierenden Weltmeister und Olympiasieger – und dies nicht unverdient. „Wenn man den Weltmeister und Olympiasieger besiegt, hat man etwas richtig gemacht. Es war ein enges Spiel und wir mussten uns durchbeissen um den Sieg zu holen“, sagt Alatalo. „Für mich war es sicher ein spezielles Spiel. Meine Familie und Kollegen, die schon lange kein Spiel von mir live sahen, waren hier. Auch die Vorfreude war gross.“

Viele Schweizer Fans findet man, im Gegensatz zu früheren November-Turnieren des Deutschland Cups, in der grossen Arena Turkus nicht, dafür der eine oder andere Fan mit Alatalo-Aufschrift. Es ist bisschen weiter und umständlicher in den hohen Norden zu kommen. Für die sportliche Weiterentwicklung der Schweizer Nationalmannschaft im Speziellen und des Schweizer Eishockeys im Allgemeinen ist es aber ein grosser Schritt.

„Die besten Mannschaften der Welt sind hier. Wenn man an dieses Turnier eingeladen wird, muss man schon bereit sein um hier bleiben zu können. Der Weltmeister, die Schweden, Tschechen, sie gehören zu den Top-6-Nationen der Welt. Das wird uns zukünftig für die WM helfen, das ganze Jahr gegen sie zu spielen“, sagt Alatalo.

Auch für die Weltmeisterschaft wird es wieder in den Norden gehen. St. Petersburg (Russland) wurde die WM entzogen. Als Ersatz springen die letzten beiden Organisatoren ein mit Tampere (Finnland) und Riga (Lettland). Die Schweiz wird die Vorrunde in der lettischen Hauptstadt bestreiten, dort, wo Alatalo seine erste WM spielte und hofft seinen zweiten WM-Auftritt zu haben. Nachdem man ein Halbfinale seit dem WM-Silber von 2018 verpasst hat, hofft er auf eine Medaille.

Als wichtigen Schritt sieht er dabei, dass man die ganze Saison gegen Top-Nationen spielt. Im Dezember kommen Finnland, Schweden und Tschechien zum Heimturnier der Schweizer nach Fribourg. Im Februar geht es nach Schweden und im Frühling gehört ein Turnier in Tschechien zur WM-Vorbereitung.

„Wir sehen, wo sie sind und können einschätzen, wo wir sind. Der Sieg gegen Finnland war ein guter Anfang. Das Ziel der Nati ist sicher die Medaille. Man muss die Ziele hoch setzen. Es hat leider nicht geklappt in den letzten Jahren, aber wir sind immer noch dran. Das Schweizer Eishockey wird stetig besser, die Spieler werden besser. Wir kommen immer näher“, sagt Alatalo.

Nach dem Sieg gegen Finnland und der Niederlage gegen Schweden sind die Schweden in Pole-Position für den Turniersieg mit fünf Punkten auf dem Konto. Die Schweiz und Tschechien haben je drei Punkte und hoffen nach ihrem direkten Aufeinandertreffen (11:30 Schweizer Zeit) im Rennen zu bleiben. Dafür braucht es einen Sieg in regulärer Spielzeit – und Schützenhilfe von Finnland im nordischen Duell gegen Schweden (15:30 Schweizer Zeit).