Marco Lehmann beim Herzensclub

16.9.2022 - Von Roman Badertscher

Hockeyfans.ch hat zum Ende der Vorbereitungsphase mit dem SCB-Neuzugang Marco Lehmann gesprochen.

Marco Lehmann, vielen Dank, dass du dir für das Interview Zeit nimmst. Du hast seit dem du beim SC Bern bist bereits Hochs und Tiefs erlebt. Deshalb die wichtigste Frage zuerst: Wie geht es dir?

Lehmann: „Jetzt kann ich wirklich sagen, dass es mir wieder sehr gut geht. Nach den Sommerferien war es mühsam. Ich las etwas auf, hatte Magenprobleme, was sich leider in die Länge gezogen hat. Jetzt ist aber wirklich wieder gut.“

Sagt dir die Zahl 11‘674 etwas?

„Eigentlich gerade nichts.“

So viele Stufen hast du auf der längsten Treppe der Welt hinter dir gelassen und bist am Niesen-Treppenlauf am Schnellsten ins Ziel gekommen. Wie kommt man zu so einer guten Ausdauer und weisst du wie gross der Zeitunterschied zum Zweiten war?

„Das war der Abschluss des Sommertrainings. Wir haben durch den Sommer sicher eine sehr gute Basis gelegt. Es war eine sehr harte Challenge, aber wir haben das alle zusammen als Team gemeistert. Es war sehr cool, aber der Vorsprung war nicht so wichtig. Wichtig war, dass alle hochgekommen sind.“

Dann aber haben dich Magenprobleme gebremst und vom sportlichen Level her zurückgeworfen. Was war da vorgefallen und wie hast du diese schwierige Zeit wahrgenommen?

„Das alles kam zu einem sehr dummen Zeitpunkt. In den Ferien kamen die Magenprobleme auf, verpasste dann den Start auf dem Eis. Wie viel ich schlussendlich verloren habe, kann ich nur am Gewicht messen. Von der Kraft ging sicher auch etwas verloren. Seit es mir wieder gut geht, konnte ich schneller wieder aufholen. Ich bin sicher noch nicht auf dem Level, auf dem ich Ende Sommer war aber ich glaube, viel fehlt nicht mehr.“

Gab es einen Moment, wo du dachtest, Mist, jetzt hinke ich sportlich den anderen gegenüber extrem hinterher?

„Nicht gross. Ich war mehr damit beschäftigt, wieder gesund zu werden. Alles andere kommt dann schon wieder. Natürlich war es sch... im ersten Jahr mit dem neuen Team, konnte nicht nach Köln, nicht auf die Teamreise nach Mallorca. Das hat mich genervt aber jetzt habe ich noch Zeit, meine Team-Kollegen besser kennenzulernen.“

Diese Situation geht an einem nicht spurlos vorbei. Wie hast du versucht, die negativen Gedanken wegzudrängen und dich wieder aufzuraffen?

„Ich wusste, dass es irgendwann besser werden muss und habe mich auf diese Zeit gefreut. Natürlich war es ein beschissenes Gefühl aber was wollte ich machen. Ich musste einfach schauen, dass ich wieder gesund werde. Dafür habe ich alles gegeben. Ich war oft in der Halle und ums Team herum. Das hat mir sicher auch geholfen, um wieder zu Energie zu kommen.“

Welche Erlebnisse (positiv oder negativ) nimmst du aus dieser Zeit mit?

„Was mir sicher bewusst wurde, war, dass Gesundheit nicht selbstverständlich ist. Wenn man gesund ist, denkt man nie daran, dass man es eigentlich wirklich gut hat. Ich konnte auch praktisch nichts mehr essen, weil ich es nicht mehr vertrug. Da ist mir bewusst geworden, wie gern man eigentlich Essen hat, wenn man plötzlich kein Fleisch oder Käse mehr essen kann. Da fängt man richtig an, es zu vermissen. Wenn du gesund bist, denkst du das ist selbstverständlich. Ich habe sicher gelernt, dass Gesundheit das Wichtigste ist und man es schätzen soll, wenn man gesund ist. Das nehme ich für die Zukunft mit.“

Wie war es mit der Nahrungsaufnahme während deiner Beschwerden?

„Am Anfang, als es ganz schlimm war, konnte ich eigentlich nichts essen. Nachher konnte ich Schonkost wie Zwieback, Reis, Dinkelsachen und leicht verdauliche Dinge zu mir nehmen. Aber eben Gemüse, Salat, Fleisch, Milchprodukte und Proteine allgemein musste ich komplett weglassen. Das war schon hart, vor allem weil ich so auch kein Gewicht aufbauen konnte.“

Du bist seit diesem Frühling beim SC Bern. Wirst du zum Saisonstart bereit sein?

„Geplant war, dass ich das letzte Vorbereitungsspiel spiele. Wenn es gut läuft, ist geplant, dass ich dann auch zum Saisonstart bereit bin.“

Du hast zwar jahrelang im Nachwuchs des EHC Kloten und noch früher in Wetzikon gespielt, warst aber im Herzen schon immer SCB-Fan. Erzähle uns diese interessante Geschichte.

„Durch meinen Vater schaute ich früher relativ viel Eishockey. Die Mannschaft in Bern gefiel mir immer, gewisse Spieler faszinierten mich und eben auch das Stadion mit den Fans. Dass es so viele Leute hat mit der Stehrampe fand ich als kleiner Junge cool und darum ergab sich das dann so.“

Wer war dein Idol aus dieser Zeit?

„Ganz viele. „Roots“ (André Rötheli), Rüthemann, Plüss – es war so diese Zeit, als diese Spieler noch aktiv waren.“

Dein jüngerer Bruder Nico spielt ebenfalls Eishockey. Ihr seid zusammen bei Kloten gross geworden und er spielt mittlerweile beim HC Thurgau in der Swiss League. Wie seid ihr beide eigentlich zum Eishockey gekommen und welche Gemeinsamkeiten habt ihr sonst noch?

„Unser Vater war zwar nie Profi, spielte aber immer zum Plausch. Dann ging unser Nachbar früher in die Hockeyschule. So ergab es sich, dass wir mal mitgegangen sind und kamen so zum Eishockey. Sonst haben wir nicht viele Gemeinsamkeiten – ausser eben Hockey. Wir leben für das, wir lieben das und das ist glaube ich die grösste Gemeinsamkeit, die wir haben.“

Ist er auch SCB-Fan im Herzen?

„Soweit ich mich erinnern kann, war er immer Davos-Fan.“

Das wäre eine zu schöne Story gewesen. 2017 hast du noch mit dem EHC Kloten den Cupsieg gefeiert. Erzähle uns von deinen damaligen Erlebnissen mit Kloten.

„Ich war damals noch in der Elite A in Kloten. Im Halbfinal hatten die A-Mannschaft dann viele Verletzte und brauchte gegen Lausanne Spieler. Ein paar von uns Jungen konnten dann hoch um zu spielen. Ich glaube, wir lagen im Halbfinal noch zurück, aber irgendwie konnten wir das Spiel noch gewinnen. Im Finale spielte ich dann nicht mehr, habe mir das Spiel aber angeschaut. Es war ein schönes Erlebnis, auch wenn es nur der Halbfinal war.“

2020 folgte dann der Wechsel zu den Rapperswil-Jona Lakers und in der ersten Saison hast du nicht weniger als 34 Punkte in 61 Spielen erzielt. Hast du in Kloten keine Zukunft mehr gesehen oder was hat dich zum Wechsel bewogen?

„Der Hauptgrund war sicher nicht, dass ich in Kloten keine Zukunft mehr gehabt hätte. Wir waren auch da nahe am Aufstieg. Der Grund war für mich, dass ich die Chance erhalten hatte, in der Nati A zu spielen. Das klappte in Kloten damals leider nicht und bekam dann die Möglichkeit in Rappi. Da war das für mich klar, dass ich dies annehmen und versuchen werde.“

Warst du über dein National League Debüt überrascht?

„Teils, teils. Ich hatte das Glück, dass ich eine gute Saison in Kloten hatte. Da erhoffte ich es mir natürlich, aber es hat mich extrem gefreut, als das Angebot dann kam.“

Wie wurdest du in der ersten Mannschaft aufgenommen? Warst du nervös vor dem ersten Einsatz?

„Das auf jeden Fall. Es war meine erste richtige National-League-Saison. Am Anfang war ich schon ein bisschen nervös aber nach zwei bis drei Spielen legte sich das. Dann war es extrem cool.“

Letzte Saison hast du gerade mal 29 Spiele mit den Lakers bestritten. Du warst lange verletzt. Wo hast du dich verletzt und erzähle uns von deinem Comeback.

„Letzte Saison war nicht optimal. Angefangen hatte es in der Vorbereitung mit einer kleinen Verletzung und konnte diese nicht ganz bestreiten. Dann im ersten Saisonspiel fuhr mir ein Gegner in den Kopf und die ganze Sache mit dem Kopf ging los. Ich versuchte wieder zu spielen, bekam aber dann erneut Probleme mit dem Kopf. Insgesamt fiel ich dann drei Monate aus, war in Zürich im Concussion Center (Sportmedizinische Klinik). Es war sehr mühsam, kam nach drei Monaten zurück und es war natürlich nicht einfach, wenn man so lange gefehlt hatte. Ich bin aber froh, dass mit dem Kopf schliesslich wieder alles gut war. Zusammen mit den Magenproblemen war es sportlich für mich nicht leicht aber so konnte ich viel für mein Leben lernen.“

Jetzt bist du bei deinem Herzensverein gelandet und spielst bald vor 17‘000 Leuten. Klingt gut oder?

„Sehr gut, ja. Ich freue mich extrem!“

Was hat dich dazu bewegt, beim SC Bern einen Dreijahresvertrag zu unterschreiben und welche Perspektiven wurden dir angeboten?

„Was mich dazu bewegte, waren, dass ich die Chance sah, in diesem Kult-Club zu spielen, die Fans und die ganze Organisation. Als das Angebot kam, war für mich relativ schnell klar, entweder bleibe ich in Rappi oder nehme die Chance hier in Bern wahr und habe mich für Bern entschieden. Perspektive habe ich selber, dass ich mich entwickeln will. Wir sind ein gutes Team, der Konkurrenzkampf ist gross aber das liebe ich und das macht mich am Ende des Tages auch besser.“

Wie du auch weisst hat der SC Bern letztes Jahr die Pre-Playoffs verpasst und die dritte Saison in Folge schlecht abgeschnitten. Was denkst du werden wir dieses Jahr für einen SCB sehen und wo siehst du deine Rolle?

„Wir werden mit viel Leidenschaft, mit viel Herz auftreten. Ich war jetzt nicht so viel bei der Vorbereitung dabei aber wir haben sicher ein sehr gutes Team. Ich glaube, wenn man es mit letztem Jahr vergleicht, liegt sicher mehr drin.“

Wir wünschen dir viel Erfolg und danken für das Gespräch!