Umbruch bei den SCL Tigers

3.9.2022 - Von Simon Wüst

Nach der schlechtesten Saison seit Jahrzehnten haben die SCL Tigers den letzten Goodwill bei Sponsoren und Fans verspielt. Nun sind Taten und sportlicher Erfolg gefordert und einen Teil der Verantwortung sollen die neuen starken Männer übernehmen. Und damit sind nicht die Ausländer auf dem Eis gemeint – die braucht es natürlich auch – sondern der neue Sportchef Pascal Müller und Coach Thierry Paterlini.

Sportchef Müller versuchte mit den letzten Transfers die Basis zu stärken, allerdings wurden die meisten Deals noch von seinem Vorgänger Marc Eichmann abgewickelt. Mit diesem Umstand muss er diese Saison umgehen können. Was Müllers grosses Ziel und Versprechen ist, die Nachwuchsbewegung näher an die 1.Mannschaft zu bringen und eine vernünftige und förderliche Durchlässigkeit zu etablieren. Dazu fand bereits eine zuweilen hitzige Aussprache mit allen Verantwortlichen der SCL Young Tigers statt. In den Testspielen sah man schon erste entsprechende Tendenzen, aber Testspiele sind eben nur Tests und keine Ernstkämpfe.

Headcoach Paterlini wird mit einem angepassten Gameplan «Paterlini-Style» - eine Mischung aus kanadischem und finnischem Hockey - aufwarten und hat derweilen die Hierarchie innerhalb des Teams neu geordnet. Neu ist Weltmeister und Olympiasieger Harri Pesonen zum ersten Mal in seiner Karriere Captain und will sein Team vor dem Untergang – heisst Abstieg – bewahren, aber natürlich auch vorwärtsbringen. Der langjährige Leitwolf Pascal Berger wurde entmachtet und in die 4.Reihe degradiert. Assistiert wird Pesonen neu von Flavio Schmutz und Rückkehrer Claudio Cadonau.

Kader

Als Ersatz für Punnenovs, welcher nach 7 Jahren die Mannschaft Richtung Lausanne verliess, konnte Luca Boltshauser verpflichtet werden. Der 29-jährige Zürcher kommt «quasi» im Tausch von Lausanne. Der Druck auf ihn wird immens sein, er muss «einschlagen» und die Tiger durch die Qualifikation hexen, denn ein valabler Backup ist nicht vorhanden. Stéphane Charlin ist zwar ein grosses Nachwuchstalent und U20-Internationaler, aber noch ohne nennenswerte National League-Erfahrung.

Die Defensive war in den vergangenen Saisons eine der Schwächsten der Liga. Mit der Verpflichtung von zwei finnischen Verteidigern (Sami Lepistö und Vili Saarijärvi) macht die sportliche Leitung den verzweifelten Versuch diese zu stärken. Ausserdem kehrt Claudio Cadonau vom Meister Zug ins Emmental zurück, aber die Basis mit den gebliebenen Schilt, Erni, Zryd, Huguenin und Grossniklaus wird wiederum nicht genügen. Zudem schob man unverständlicherweise den Lokalhelden, Vorkämpfer und Meister der geblockten Schüsse (140 in der Saison 21/22) Yannick Blaser zu den GCK Lions ab.

Offensiv wird man diese Saison eine Wundertüte sein. Zwar konnte man auf den Söldner-Positionen die Stabilität sichern, der deutsche Neuzugang Marc Michaelis muss sich in der National League aber zuerst noch beweisen. Er bringt ein bisschen NHL/AHL-Erfahrung mit und erfolgreiche Einsätze mit der Deutschen Nationalmannschaft, aber mehr auch nicht. Pesonen, Saarela und Grenier sind ein sicherer Wert, aber der Transfer von Topscorer Jesper Olofsson nach Biel ist ein schmerzlicher Verlust. Wirklich verstärken konnte man sich nicht. Die Hoffnungen liegen auf den jungen Spielern wie Petrini, Weibel, Salzgeber und Lapinskis, welche letzte Saison eine ansprechende Leistung gebracht haben, nun aber einen Schritt nach vorne machen und noch mehr Verantwortung übernehmen müssen.

Ausblick

Nach der Vorbereitungsphase zeichnet sich ab, dass der grösste Knackpunkt für die kommende Saison der Teamspirit und die Kampfbereitschaft sein wird. Dies wird in der Verantwortung von Paterlini sein, er muss für die bestmögliche Stimmung in und ausserhalb der Kabine sorgen. Aber selbstverständlich ist auch jeder einzelne Spieler in der Verantwortung. Auch Flavio Schmutz bestätigt dies in einem Interview nach dem Berner Cup: «Wir wollen den Battle um die Pre-Playoffs annehmen – diese sind unser erklärtes Ziel. Dafür muss aber jeder in jedem Match alles geben, denn nur über den Kampf werden wir eine Chance haben.» Zudem braucht es nun noch Abstimmungsarbeit für das neue Spielsystem von Coach Paterlini. Grosses Verbesserungspotential liegt in den Special-Teams im Power- und Boxplay. Vielleicht schafft hier Paterlini ein kleines Wunder, seine drei Vorgänger sind alle gescheitert. Ein spezieller, kleiner Kniff wurde neben dem Eis bereits gemacht. In der neuen Saison wechselt die Spielerbank der SCL Tigers nach links – auf die Seite der Heim-Fankurve. Dadurch kann man in der nicht ganz ebenen Ilfishalle zwei Drittel lang abwärts und nicht aufwärts spielen. Aber vielleicht ist es auch nur mentaler Hokuspokus.

Es ist zu hoffen, dass die Emmentaler kommende Saison auf mehr als nur 11 Siege kommen und bis im Februar 2023 eine reelle Chance auf einen Pre-Playoff-Platz haben werden. Dies wäre für die ganze Liga gut. Trotzdem - eine realistische Platzierung wird zwischen 12-14 liegen.

Zuzüge: Thierry Paterlini (Coach), Marc Michaelis (GER), Sami Lepistö (FIN), Vili Saarijärvi (FIN), Luca Boltshauser (Lausanne), Stéphane Charlin (Servette), Claudio Cadonau (Zug), Marc Aeschlimann (GCK Lions), Jan Neuenschwander (SC Bern)