Ein Comeback das Geschichte schreibt

Von Urs Berger

In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag wurde in Buffalo Eishockey Geschichte geschrieben. Noch nie konnte eine Juniorennationalmannchaft seit Bestehen der Finalrunde einen 0:3-Rückstand im Finale drehen und Weltmeister werden. Und ausgerechnet im Spiel der Spiele können die Kanadier nicht reüssieren und verursachten eine Tragödie nationalen Ausmasses im Eishockey-Mutterland.

Die Kanadier starteten sehr gut in das Spiel und gingen bis zu 27. Minute mit 3:0 in Führung. Eine klare Sache schien es zu werden und die Kanadier würden den Russen erneut eine klar Schlappe zufügen. So dachte die Mehrheit der anwesenden Zuschauer. Doch es kam anders. Wir nennen die fünf Gründe wie so es dazu kam.

1. Arrogantes Coaching

Der kanadische Coach war sich von Beginn an sicher. Nach dem 3:0 beendete er seine Arbeit. Und reagierte auch nicht, als Russland innerhalb von 13 Sekunden zwei Tore erzielen konnte. Es kam kein Time-Out und auf der Bank war es auffallend ruhig. Erst als das 3:3 für Russland gefallen war, reagierte er. Zu spät, um das Spiel wieder zu drehen.

2. Kein überragender Torhüter

Schon in der Vorrunde zeichnete sich ab, das Kanada ein Problem mit dem Torhüter haben wird. Weder Olivier Roy noch der etwas bessere Mark Visentin vermochte zu überzeugen. Dazu kam, das der Coach nach dem 3:2 oder dem 3:3 versäumte, den Torhüter auszuwechseln und dem Team so ein Zeichen zu setzen. „Ich habe nie an einen Torhüterwechsel gedacht“, führt Dave Camron noch dem Spiel aus. Und wieso nicht?

3. Keine wirklich gute Verteidigung

Keiner der Verteidiger war gegen die Russen den Anforderungen des modernen Eishockey gewachsen. Alle waren zwar Gross und kräftig. Aber nicht wendig und Flink, wie dies die Russen waren. Und damit geben die Kanadier ihre beste Waffe aus der Hand. Die Verteidigung war in den entscheidenden Minuten überfordert und nicht Präsent. „Die Verteidigung trifft keine Schuld, wenn der Sturm nicht nach hinten arbeitet,“ führt Dave Camron weiter aus.

4. Die Überheblichkeit eines Landes

Kein Land fühlt sich eher als die alleinige Weltmacht im Eishockey als Kanada. Und dies fühlte man mit jedem Schritt hier in Buffalo. Obwohl Buffalo in den USA liegt, war jedes Kanada-Spiel ein Spiel vor Heimpublikum. Die Erwartungen waren zu hoch. Und die Medien pushten diese noch zusätzlich auf. Die jungen Spieler wurden bereits für Werbungen und andere Sachen eingespannt. An eine ruhige Vorbereitung war nicht zu denken. Schon gar nicht nach dem Olympischen Gold in Vancouver. Das ganze Land erwartet daher nichts andere als die Rückeroberung der goldenen Auszeichnung. Dies Anmassung wurde bestraft.

5. Zur falschen Zeit keine Training und zu viel Freizeit für die Spieler

Vor entscheidenden Spielen gab man den Spielern lieber einen halben oder ganzen Tag frei. Und verzichtete auf das Training. Man wollte damit die optimal Ruhe und Vorbereitung für die entsprechenden Spiele haben. Doch diese Einstellung, die Verantwortung an die Spieler abschieben, kam nicht gut. Am Ende sah man das Resultat auf dem Eis. In einem einzigen Drittel wurden alle Fehler schonungslos aufgedeckt. Und das muss Hockey Canada zu denken geben.

Doch es waren nicht nur die Kanadier, die zu viele Fehler machten. Im letzten Drittel sah man eine entfesselte russische Mannschaft spielen, welche immer wieder nachsetze, nicht mehr aufgab und füreinander kämpfte. Eine Eigenschaft, welche man bisher nur bei den Kanadiern sah. Und Russland dominierte Kanada im letzten Drittel in allen Bereichen. Der Sieg der Weltmeisterschaft haben sich die Russen mehr als verdient. Die Frage wird nur sein, ob Russland in einem Jahr in Calgary und Edmonton diesen Titel verteidigen kann. Oder ob sich Kanada nach zwei Jahren der Abstinenz wieder zu seinen alten Kräften besinnt und lernt, dass an anderen Orten der Welt auch gutes oder sehr gutes Eishockey gespielt wird. Und den Gegner wieder respektiert. Auch jene aus Europa.