Werner Augsburger: “Die Politik ist auch gefordert“

Von Urs Berger

Vor über acht Monaten übernahm Werner Augsburger das Amt als Direktor der National League. Mit hockeyfans.ch sprach er über die Politiker, neue Stadien und den neuen Höhenflug der Liga. Und wünscht sich eine Saison des gegenseitigen Respekts.

Werner Ausgsburger, wie haben Sie die ersten Monate in ihrem Amt als Geschäftsführer der National League erlebt?

Die ersten sechs Monate in meinem Amt waren geprägt von den Play-offs und dem Jahresabschluss der National League. Bei beiden kann ich ein positives Fazit ziehen. Im administrativen Bereich können wir mit den Zahlen der National League GmbH zufrieden sein. Wir schlossen das vergangene Geschäftsjahr mit einem kleinen Gewinn ab. Dazu kommt, dass es der Liga finanziell gut geht und wir Sponsoren-Verträge haben, welche langfristig ausgelegt sind. Auch die Zuschauerzahlen der vergangenen Saison waren sehr gut. Wir konnten mit allen 22 Clubs, welche Eishockey in der National League anbieten, knapp 3 Millionen Zuschauer anlocken. Das ist der höchste Zuschauerzuspruch, der jemals verzeichnet wurde.

Für mich ein wichtiger Punkt ist die Geschäftsstelle und deren Mitarbeiter. Dank ihrer Hilfe konnte ich mich rasch einarbeiten. Auch in den verschiedenen Kommissionen konnte ich mich dank den verschiedenen Mitgliedern schnell einarbeiten. All diesen Personen gilt es zu danken. Denn ohne sie und ohne die Offenheit der Clubs mir gegenüber wäre es nicht möglich gewesen, mich so schnell im neuen Amt zurecht zu finden.

Gab es denn auch kritische Aspekte in ihren ersten Monaten?

Wie in jedem Beruf gibt es diese. Wie bei den positiven Punkten hervorgehoben geht es auch bei den kritischen Aspekten um Zahlen. Hier jedoch mehrheitlich um die Zahlen der Clubs. Dabei ist eigentlich die Bezeichnung „Club“ schon fast wieder falsch. Wir müssten ehrlicher weise von Unternehmen sprechen. Und diese Unternehmen bereiten uns zwischendurch auch mal Kopfzerbrechen. Ich sehe dabei, dass die Unternehmen versuchen gewisse unternehmerische Gesichtspunkte umzusetzen. Dies gelingt jedoch nicht allen genau gleich gut. Viele Clubs haben auch nicht die Voraussetzungen (Beispiel: Gastrorechte im Stadion) dafür, um nach rein unternehmerischen Gesichtspunkten geführt werden zu können. Der Spagat zwischen Betriebswirtschaft und Profisport ist nicht einfach zu vollziehen. Und diese feine Linie zu finden, ist nun die Herausforderung der Clubs.

Was meinen Sie damit konkret?

Ich gebe ihnen gerne ein Beispiel. Ein ausländischer Spieler verletzt sich. Nun kommt die Clubführung unter Druck und muss reagieren. Soll man nun einen neuen Spieler verpflichten oder nicht. Aus unternehmerischen Gesichtspunkten und dem Budget zu liebe müsste man eventuell auf den neuen Spieler verzichten. Aus sportlichen Aspekten kann man dies jedoch nicht. Was soll nun die Führung machen? Soll sie sich für oder gegen eine Verpflichtung aussprechen? Diese Gratwanderung muss den Clubs gelingen, wenn sie Ende Saison eine ausgeglichene Erfolgsrechnung und Bilanz präsentieren wollen. Diese Problematik habe ich in den vergangenen Monaten sehr deutlich gespürt. Mittelfristig gesehen ist dies keine gute Situation. Denn es gibt fast keine Klubs, welche sich auf dem Markt, und nur dort, wieder refinanzieren können.

Sie sprechen die Refinanzierung der Clubs an. Die meisten Clubs können dies gar nicht machen, da sie nicht Eigner der Halle sind, sich nicht am Konsum der Zuschauer beteiligen können oder auch eine veraltete Infrastruktur haben. So kommt es, dass die meisten Klubs auf Mäzenen oder grosse Sponsoren angewiesen sind, welche am Ende der Saison die Lücken in den Budgets wieder stopfen. Dies kann doch nicht die Zukunft des Schweizer Eishockeys sein, dass man immer auf solche fremde Hilfe angewiesen ist?

Ich kann diesen Leuten keinen Vorwurf machen, dass sie das Geld in ein Sportunternehmen investieren. Im Gegenteil! Wie viele Mäzene gibt es, welche in die Kultur investieren? Wie viele, welche auch in andere Sportarten finanzieren? Im Eishockey hat es viele Leute, welche grosse Freude an diesem Sport haben. Und diesen nun finanziell unterstützen wollen. Die „Defizitdeckung“ kann mittel- und langfristig nicht dass Ziel sein. Das ist allen Beteiligten auch klar. Dennoch wird es auch in Zukunft immer wieder Mäzene geben, welche in den Sport investieren und so die Clubs monetär mittragen. Der Idealfall ist dies aber nicht. Der Idealfall sollte sein, dass sich ein Klub wie ein Unternehmen positioniert und letztlich nur das Geld ausgibt, das er einnimmt.

Dennoch klappt das nicht...

... weil die Clubs mit einem Budget operieren, bei welchem sie noch nicht sicher sind, ob die budgetierten Einnahmen auf der Seite der Sponsoren auch so eintreffen oder nicht. Sie wissen auch nicht, wie viele Zuschauer kommen werden, wie viel sie über den Gastrobereich einnehmen können, wenn sie denn an diesem mitverdienen können. Diese Variablen sind die Hauptgründe. Beim Gastrobereich sieht man bei vielen Klubs, dass sie hier nichts oder zu wenig mitverdienen können. Nehmen wir die ZSC Lions. Im Hallenstadion sind sie Mieter und verdienen keinen Rappen an den Einnahmen am Gastrobereich. Oder der EHC Biel. Auch sie verdienen nichts am Gastrobereich. Dies wollen sie aber im neuen Stadion das nun bald gebaut wird, ändern. Die Bestrebungen sollten daher für die Klubs sein, ein neues und moderneres Stadion zu bekommen. Damit müsste zwingend verbunden sein, dass der Club die Gastrorechte besitzt.

Überspitzt gesagt, wie dies der SC Bern macht?

Die Berner können sich zu einem beachtlichen Teil mit ihrem Gastrobereich refinanzieren. Dies kam jedoch nicht von gestern auf heute. Sie mussten sich dies hart erarbeiten. Durch diesen Gastrobereich sind die nun mittel- und längerfristig besser aufgestellt. Und genau dieses Modell sollte für alle Klubs das Ziel sein. Denn so kann man den Klub zusammen mit den Zuschauereinnahmen und den Sponsoreneinnahmen betriebswirtschaftlich führen.

Dies würde jedoch bedeuten, dass jeder Klub in der National League ein eigenes Stadion bauen müsste um sich zu refinanzieren. Dazu fehlt aber den Klubs das Geld. Dies sollten doch die Kommunen, die Kantone und der Bund übernehmen. Dies wird aber durch die Politik meistens erfolgreich verhindert. Also kann dieser Wunsch wohl kaum in Erfüllung gehen.

Ich bin der dezidierten Meinung, dass diese Aufgabe der öffentlichen Hand zufallen sollte. Dies bedeutet, dass die öffentliche Hand die Infrastruktur und Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen muss. Dies sollte klar erste Priorität geniessen. Es ist mir klar, dass die Öffentlichkeit keinen der Profispieler bezahlen wird. Und das ist auch gut so. Denn das Sportsystem in der Schweiz funktioniert nicht so. Aber, um es nochmals klar zu sagen: Die öffentliche Hand muss bei einem Neubau der Stadien zur Hand gehen und dies mit erster Priorität an die Hand nehmen. Wohlverstanden, dies nur für den Bau der Infrastruktur. Für den Betrieb kann ich es nachvollziehen wenn die Städte und Gemeinden sagen, dass sie diesen nicht finanzieren würden. Aber für den Bau der Infrastruktur ist aus meiner Sicht die öffentliche Hand zuständig, natürlich in Absprache mit den zukünftigen Hauptmietern, den Clubs.

Dies würde dann dem Gedanken von Jugend und Sport entsprechen. Denn J+S hat ja den Auftrag des Bundes, die Jugendliche zu fördern und ihnen die Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.

Das ist so. Die Eishockeyclubs haben im Bereich der J+S Nachwuchsförderung eine gesellschaftliche Verantwortung und nehmen diese auch wahr.

Dies würde aber bedeuten, dass man vermehrt die Politik in Verantwortung nehmen würde. Macht dies jedoch ein Politiker, mit nachhaltigem Interesse, und steht hin und sagt, hier müssen wir ansetzen, hier müssen wir was ändern?

Ich möchte nun nicht alle Politiker in den gleichen Topf werfen und sagen, sie machen dies nicht. Es ist jedoch Tatsache, dass dies in der Schweiz ein ganz langsamer Prozess ist. Das Fussballstadion in Zürich ist ein solches Beispiel (Schattenwurf). Oder auch Biel. Dort hoffen wir, dass dies nun klappen wird. Begibt man sich einmal in ein Stadion wie Biel oder die FKB Arena in Fribourg, so merkt man, dass eine Renovation eigentlich ungenügend, sondern ein Neubau wirklich von Nöten ist. Denn die Garderoben, die sanitären Anlagen oder die Bedingungen für die Zuschauer sind wirklich nicht mehr zeitgemäss. Und genau hier sollte die öffentliche Hand für gute Rahmenbedingungen sorgen. Und die Verantwortung übernehmen.

Da hätten wohl viele Sportarten nicht Freude daran?

Man muss sehen, dass das Eishockey einen hohen Stellenwert in der Bevölkerung hat und ein hohes Zuschauerinteresse generiert. Keine andere Sportart kann von Mitte August bis Mitte oder Ende April flächendeckend über drei Millionen Zuschauer regelmässig dazu bewegen diese Sportart zu verfolgen. Dabei sehen die Zuschauer attraktiven hochstehenden Sport. Dazu kommt der Aufwand, den die einzelnen Klubs in der Juniorenförderung machen und die Investitionen, welche gemacht werden, um überhaupt Eishockey zu spielen.

Nicht nur Freude bereitem einem manchmal gewisse Fangruppierungen. Wie kann die Liga die Clubs bei diesen Problemen unterstützend und helfend begleiten?

Ich bin froh, dass diese Frage anlässlich des Interviews erst so spät kommt. Natürlich beschäftigt uns diese Frage auch immer wieder und ich werde fast täglich damit konfrontiert. Doch die Gewalt und die Ausschreitungen unter den Fans dürfen nicht zum Hauptthema des Sportes werden. Wir sind nun mit den Klubs daran, die Mustervereinbarungen der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren zu überarbeiten. Dann können die Klubs mit dieser Checkliste zu den jeweiligen Polizeidirektoren gehen und mit ihnen über die offenen Punkte diskutieren. Etliche Clubs haben bereits eine Vereinbarung unterschrieben oder sind in intensiven Diskussionen mit ihren lokalen Behörden. In diesem Bereich unterstützen wir die Clubs.

Zu Beginn unseres Gespräches haben wir ja über die Bilanz gesprochen. Wenn ich nun eine Bilanz in Sachen Fans und Ausschreitungen ziehen kann, dann gilt es für mich ein positives Fazit zu ziehen. Selten hatten wir in einer Saison so wenige gravierende Vorfälle wie in der Saison 2009/10. In diesem Sinne muss ich als Zuschauer nicht Angst haben, dass ich in Ausschreitungen rivalisierender Fans gerate. Schaue ich mir die Finalissima zwischen den beiden grossen Mannschaftssportarten Fussball und Eishockey an, dann ziehe ich für das Eishockey eine positive Bilanz. Bei der Finalissima in Bern zwischen YB und Basel standen knapp 700 Polizisten im Einsatz. Beim letzten Spiel zwischen dem SC Bern und dem Genève-Servette HC waren dies gerade mal 70 Personen. Dies nur als Beispiel, welche Relationen zwischen den beiden Sportarten herrschen was die Gewaltbereitschaft angeht und der entsprechende Aufwand der öffentlichen Hand.

Hatten Sie keine Angst, dass in Bern beim letzten Spiel die ganze Stehrampe das Spielfeld stürmen könnte?

Wir hatten grossen Respekt davor, was bei einem Sieg der Berner geschehen könnte. Was geschieht, wenn die Zuschauer von der Stehrampe runter springen (oder gestossen werden) und das Eisfeld stürmen. Der SC Bern hatte dies mit seinen Fanklubs sehr gut vorbereitet und am Spieltag auch umgesetzt. Da muss ich dem SC Bern und seinen Fans ein Kompliment machen.

Nach ein Schlusswort zur kommenden Saison. Was wünschen Sie sich am meisten?

Was ich mir am meisten Wünsche? (überlegt lange) Eine auf allen Ebenen fair ausgetragene und spannende Meisterschaft mit mehr als 3 Millionen Zuschauer in den Stadien und hohe Einschaltquoten im Fernsehen auf allen Fernsehkanälen. Wenn dies gelingt, dann zeigt es mir, dass der Sport spannend ist und die Zuschauer das Produkt Eishockey gerne sehen. Wenn der Sport dabei im Rahmen des gegenseitigen Respekts durchgeführt werden kann, dann hat sich mein Wunsch erfüllt.

Bald geht es los mit der Saison - und am Dienstag beginnt auf hockeyfans.ch auch die Saisonvorschau mit allen NLA-Teams und der NLB.