Martin Gerber am Deutschland Cup. Foto: Tobias Schlegel (Auf Bild klicken für MMS)



Parade von Martin Gerber. Foto: Tobias Schlegel (Auf Bild klicken für MMS)



Gerber: "Am Anfang brauchte ich eine Weile"

Von Martin Merk

Seit dem Sommer hat Martin Gerber nach sechs Jahren in der NHL in Russland eine neue Wahlheimat gefunden. Seither lebt er in Mytischtschi und kämpft sich auf und neben dem Eis mit Händen, Füssen und notfalls Muhen durch den Alltag.

Die Nationalmannschaft hatte Gerber schon 2000 nach Russland gebracht. In St. Petersburg erlebte er seine erste von sechs Weltmeisterschaften. Es war der Beginn eines Aufstiegs zum internationalen Star. Zwischenzeitlich war Gerber gar der bestbezahlte Teamsportler der Schweiz, als er bei Ottawa einen Dreijahresvertrag erhielt. Doch in der kanadischen Hauptstadt lief es zuletzt nicht mehr gut und Gerber zog es vor, einen Nummer-1-Job in Russland zu haben als Backup in der NHL zu sein.

In Russland ist der Leistungsdruck nicht geringer. Das bekam Gerber auch schon zu spüren, als sein neues Team Atlant Mytischtschi ihn auch schon durch die Nummer zwei, Alexej Jegorow, ersetzt hatte. Der Spitzenclub liegt derzeit nur auf Rang sechs der zwölf Teams umfassenden West-Gruppe. Deswegen gab es bereits einen Trainerwechsel. Gerber selbst war zu Beginn unkonstant, hat sich nun aber in der Statistik aufgearbeitet. Er hat die viertmeisten Spiele (9) der Liga gewonnen, wurde am fünftmeisten eingesetzt (1035 Minuten) und steht auch mit einer Fangquote von 91,1 Prozent gut da.

Gerber lebt im Ort seines Clubs, den eher tristen Moskauer Vorort Mytischtschi, wo er in jener neugebauten Halle spielt, die Zweitspielort der WM 2007 war. Er lebt in einem Reiheneinfamilienhaus und wurde begleitet von seiner Freundin Bettina. Im Oktober kam ihre gemeinsame Tochter zur Welt.

hockeyfans.ch sprach mit Gerber über eine Erfahrungen in Russland.

Martin Gerber, du warst nun seit längerem wieder an einem Länderturnier dabei. Bist du zufrieden mit den Leistungen?

Das erste Spiel konnten wir gewinnen, da haben wir als Mannschaft recht gut gespielt. Gegen Deutschland ging es leider nicht so gut und bei den letzten zwei Toren hätte ich sicher besser spielen müssen.

Wie geht es dir in Moskau?

Eigentlich gut. Ich habe mich langsam eingelebt. Es gab nun einige Änderungen im Club mit einem neuen Trainer und GM. Wir sind im Mittelfeld. Man hat sich allerdings mehr vorgenommen. Es ist eine gute Liga, die Spiele sind hart umkämpft. Im Grossen und Ganzen gefällt es mir eigentlich gut.

Wie geht es dir leistungsmässig in der KHL?

Am Anfang brauchte ich eine Weile, bis ich richtig drin war. In letzter Zeit lief es mir aber eigentlich gut.

Du hast erwähnt, dass es ein bisschen turbulent zu und her ging im Club. Bekommt man die Kritik als Ausländer ohne grosse Sprachkenntnisse überhaupt mit?

Ja, schon einigermassen. Es ist eine harte Liga, man muss sich Tag für Tag durchbeissen und dran bleiben, seine Leistung bringen. Wenn es nicht läuft, wird gewechselt. Das will ich vermeiden.

Du bist nun in einer anderen Kultur, hattest du schon spezielle Erlebnisse in Russland?

Zum Beispiel die Trockentrainings machen wir alle miteinander, geführt vom Assistenztrainer, das hab ich nicht gekannt, das hatte ich vielleicht letztmals zu Juniorenzeiten. Oder dass der Mannschaftsbus pünktlich abfährt, ob jetzt alle drin sind oder nicht. Da sind sie strikt. Es sind Sachen, die man schnell lernt und höchstens einmal geschehen.

Hast du ihn schon mal verpasst?

Nein, aber es wurde schon mal knapp.

Ihr reist ja viel in der KHL. Gab es da schon mal spezielle Erlebnisse?

Eigentlich nicht gross. Ausser vielleicht, dass wir mal in einem schönen Hotel waren und dann ging um 23 Uhr einen Stock tiefer ein Rockkonzert los, das bis um 2, 3 Uhr ging. Das ist ein bisschen anders als bei uns. Ich konnte auch mit Oropax kaum schlafen und als man reklamierte hiess es, es sei nun halt so.

Ist Russland in dem Fall zum Spielen gar nicht so exotisch, wie man es als Schweizer denkt?

Es ist schon sehr anders. Es ist auch nicht einfach, es ist nicht etwas für jedermann. Der Leistungsdruck ist enorm gross. Entweder es läuft, oder es kommt jemand anderes. Die zögern nicht lange mit Spieler austauschen. Man muss sich halt bewusst sein, dass die Leistung stimmen muss. Auch von der Lebensweise her ist es ein riesiger Unterschied. All die kleinen Sachen, die in der Schweiz selbstverständlich sind, die sind halt hier nicht selbstverständlich und die gibt es meistens auch nicht.

Hast du schon bisschen Russisch gelernt?

Nicht gross. Mittlerweile kann ich die Sachen so einigermassen wie ein Erstklässler lesen, aber gross mitdiskutieren könnte ich nicht, aber so zehn Wörter kann ich.

Wie haben du und deine Familie dich in Mytischtschi privat eingelebt?

Für ausländische Mannschaftskollegen, die nicht ihre Familie hier haben, ist es natürlich noch einiges schwieriger, weil ihr soziales Umfeld halt daheim ist. Oleg Petrow (Ex Ambri, Zug, Servette) ist unser Nachbar und seine Frau Kanadierin, da haben wir ein bisschen Kontakt. Man ist aber schon ein bisschen isoliert, vor allem sprachlich. Die Leute, die Englisch sprechen, sind hier eher dünn gesät.

Was machst du denn so in der Freizeit in Moskau und Umgebung?

Im Moment habe ich nicht gross Freizeit. Es ist nun auch kälter geworden. Ich bin auch nicht so viel daheim. Am Abend vor dem Spiel müssen wir auch immer ins Mannschaftshotel einrücken und dort schlafen.

Ist das denn ein richtiges Hotel, oder so eine Einkasernierung nach altem Stil?

Bei einigen Mannschaften ist es tatsächlich noch so, aber bei uns ist es ein Hotel.

Hast du denn von der Region trotzdem bisschen was sehen können?

Von der Stadt haben wir schon bisschen was gesehen, den Roten Platz vor allem, den Kreml, das KGB-Gebäude. Es ist eine wunderschöne Stadt und es gibt viel zu sehen. Es gibt alles, was man sich vorstellen kann.

Ist dir beim Einkaufen oder im Restaurant schon etwas Lustiges geschehen?

Beim Fleischkauf versucht man ihnen zu sagen, was man möchte und wenn sie uns nicht verstehen, muss man halt eine Kuh nachahmen. Mit Händen und Füssen klappt es immer noch am besten. Aber Kuhgeräusche zu machen, ist sicher eine spezielle Art.

Ist Vancouver 2010 bei dir schon im Hinterkopf?

Ja, sicher. Im Moment muss ich mich allerdings dort konzentrieren, wo ich bin. Manchmal denkt man schon dran, und dann ist es doch noch so weit entfernt. Ich muss jedes Mal schauen, dass ich meine beste Leistung abrufen kann.