Fotos von Christian Häusler

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Crosbymania und NHL-Markttest

Von Martin Merk

Die National Hockey League hat ihre Saison in Europa vor ausverkauften Hallen im NHL-Format eröffnet. Das Produkt kam an - zumindest in Form von wenigen Spielen.

Die NHL rief und die Fans kamen. Die Schweden in Stockholm, um Daniel Alfredsson und Co. zu sehen. Die Tschechen hofften beim Ticketkauf für die Prager Spiele vergebens auf Jaromir Jagr als "NHL-Botschafter", er erhielt im fernen Sibirien ein besseres Angebot als von den New York Rangers. Dies zeigt, dass das Eishockey in Europa mithilfe der russischen Oligarchen und der Champions Hockey League als ein verbindendes Produkt durchaus auch ohne die NHL am Wachsen ist. Doch die besten Spieler sind nach wie vor in der NHL und die einzelnen Spiele in Europa ziehen, selbst zu den hohen NHL-Preisen. Beide Hallen wurden innert kürzester Zeit ausverkauft, in Prag kamen alleine zum Freitagstraining 10 000 Fans (in Stockholm waren es mit 1500 etwas weniger). Leere Plätze entstanden einzig durch die Schwarzmarkt-Ticket-Mafia, welche etwa in Stockholm die günstigsten Karten für rund 150 Franken feilbot.

Im Gegensatz zum "Markttest" in London vor einem Jahr wie auch zum harzigen Ticketverkauf beim Victoria Cup in Bern zogen die Spiele in Prag und Stockholm vollends. Die NHL war durchaus ein Stadtgespräch, die Zeitungen waren voll. Keine Spur von Anonymität. Auch aus anderen Ländern kamen Fans. Aus der Schweiz vornehmlich mit Berner Dialekt und als Sympathisanten von Martin Gerber. Aus Deutschland kamen Fans, darunter richtige "Stadiengänger", welche sich auch mit Schweizern auf icehopper.de zusammentun und auch gleich die anderen Hallen der Region austesteten. Aus England, Finnland, Holland, Lettland, Russland und Ungarn waren sie auch angereist, um einige vertretenen Nationen zu nennen. Und natürlich die Fans der Clubs aus Nordamerika.

In Stockholm wurde eigens die Globen-Arena wieder für Eishockey geöffnet. Der Elitserien-Club Djurgården trägt seine Spiele nebendran in der kleinen, reinen Eishalle Hovet aus, einzig die Nationalmannschaft verirrt sich sonst noch in die grosse Halle, welche von aussen wie ein gigantischer Golfball aussieht und von innen wie ein Theater mit seinen roten, gepolsterten Stühlen und roten Treppen.

Schauspiel gab es auch auf dem Eis, auch wenn die NHL-Spiele zu dieser Zeit der Saison noch nicht von höchster Intensität sind. Unterhaltung wurde bei eher lauer-fachkundigen als fanatischer Stimmung allemal geboten. Für den grössten Jubel sorgten jeweils die Kamera-Einblendungen während den Pausen zu heimischen Legenden wie Mats Sundin oder Börje Salming.

Am meisten gefragt war in Stockholm neben Ottawa-Captain Alfredsson der Pittsburgh-Stürmer Sidney Crosby, der es vom "Star der Zukunft" im Alter von 21 Jahren bereits zum "Star der Gegenwart" geschafft hat. Er und Alexander Ovechkin personifizieren die neue NHL der Nach-Lockout-Zeit am besten.

Sidney Crosby als NHL-Botschafter

"Er ist das Gesicht der NHL. Ich bin nicht überrascht, dass man hier so für ihn fiebert wie in Nordamerika", sagt sein Trainer, der Franko-Kanadier Michel Therrien. Dank den Top-Drafts Crosby und Malkin wurde aus dem einstigen Verliererteam ein Stanley-Cup-Finalist. "Es war für das junge Team grossartig, beim Stanley-Cup-Finale dabei zu sein. Das war eine gute Lektion. Sie müssen noch viel lernen, aber sie lernen schnell", so Therrien.

Crosby strahlt in Stockholm und freut sich auch über die zurückhaltende Mentalität in Schweden. Es halte sich in Grenzen mit Autogrammen geben. Seiner Rolle im NHL-Europa-Marketing ist es sich bei den Übersee-Auftritten bewusst. "Ich fühle mich schon irgendwie als Botschafter, aber das ist grossartig. Eishockey geniesst in Schweden viel Beachtung", so der Stürmer, der während rund der halben Spielzeit auf dem Eis steht.

Wie es sich für einen Botschafter gehört, äussert er sich auch diplomatisch zu Gerüchten über die Möglichkeit von permanenten NHL-Clubs in Europa. "Ich bin mir nicht so schlüssig. Diese Spiele jedoch bringen den Fans viel Freude und für unser Team ist es auch eine gute Erfahrung. Ich schätze es, hier zu sein. Alle Seiten können profitieren", sagt der junge Kanadier.

Während die NHL in den USA an Marktanteilen verliert, möchte sie sich in Europa beliebter machen und verhindern, dass die expansionslustigen Russen im Westen Boden gut machen könnten. Die Platzierung von NHL-Franchisen in Europa ist jedoch in naher Zukunft unwahrscheinlich, weitere Auftritte wie die jetzigen dagegen nicht. Der Vertrag mit der IIHF für den Victoria Cup läuft voresrt bis 2010 und der NHL-Commissioner Gary Bettman machte auch klar, dass er auch in Zukunft einzelne NHL-Spiele in Europa haben möchte. Prag und Stockholm bekamen gute Noten, London zeigte sich für weitere Spiele interessiert, dazu sollen Minsk und St. Petersburg bei der NHL vorstellig geworden sein. NHL-Spiele im KHL-Revier schliesst Bettman nicht aus, sofern die Arena und die Stadt die Klasse besässen, welche die Liga verlangt.