Kommentar: Von Fehlern anderer Klubs nichts gelernt

Von Urs Berger

Der einst Stolze HC Lugano muss in die Playouts. Welch eine Freude für den grossen Teil der Schweizer Fans, welche zu den guten Zeiten Luganos immer ein gespaltenes Verhältnis zum Klub aus dem Südtessin hatte. Entweder man liebte sie oder man hasste sie. Ein dazwischen gab es nicht. Nun ergötzt sich die Schweizer Eishockeylandschaft am tiefen fall der Tessiner. Zu Recht? Ja und Nein. Mit der Schwarzgeldaffäre hat man sich den Zorn der Fans auf sich gezogen und nun folgt der daraus resultierende Fall in die Niederungen der Liga. Auch die Unfähigkeit des neuen Führungsduos Rossi/Eberle, die richtigen Entscheidungen im richtigen Moment zu treffen, haben dazu geführt. Vor allem Eberle muss sich die Vorwürfe gefallen lassen, konnte er doch aus der vergangenen Geschichte der Berner die Lehren für seinen eigenen Klub nicht ziehen. Anstelle auf Zanatta zu bauen, liess er diesen auf Druck Rossis ziehen. Eine Entscheidung, welche fahrlässiger nicht hätte sein können. Dann holte der Sportchef Kent Ruhnke und dachte dabei an das Wunder von Basel. Doch das Ego Ruhnkes war zu gross. Er fand nie den Draht zu seiner Mannschaft. Exponenten des Teams stellten Ruhnke öffentlich bloss. Und Eberle reagierte nicht. Auch als die Tessiner immer näher am Abgrund waren, reagierte er erst spät. Wieso nicht? Vernahm er als ehemaliger Spieler die Warnsignale des Teams nicht? Hörte er zu sehr auf Rossi? Fragen, welche wir nicht beantworten können. Das einzige was sicher ist, ist, dass der HC Lugano nun einen Neubeginn wagen muss. Wie damals der SC Bern nach dessen Scheitern im Viertelfinale vor zwei Jahren. Die Berner wechselten damals den Sportchef und den Trainer aus. Wieso soll der HC Lugano nicht auch den Sportchef, den Trainer und den Präsidenten auswechseln? Dies wäre ein starkes Signal an die Fans und die ganze Region des Südtessins. Es würde heissen, dass der Klub noch lebt. Und man hätte aus den Fehlern anderer Klubs gelernt.


Der Tiefe Fall in die Playouts

Von Urs Berger und Antonello Bianchi

Am letzten Donnerstagabend kurz nach 22 Uhr war es Tatsache. Nach dem 2:2 in der regulären Spielzeit im Auswärtsspiel gegen Gottéron verpassen die Bianconeri zum ersten Mal seit der Einführung der Playoffs deren Teilnahme. Wie konnte es soweit kommen, mit einem Kader, welches eigentlich eine problemlose Qualifikation garantieren sollte? Wir haben die Vorkommnisse in Lugano analysiert und werfen Fragen auf.

Kaum begann die Saison, startete das Personalkarussell in der Resega, inszeniert durch das Duo Rossi-Eberle. Zuerst der unverständliche Transfer von Wesley Snell nach Fribourg. Bereits mit diesem Abgang ging man ein grosses Risiko ein, wusste man doch nicht, wann Steve Hirschi wieder fit sein würde. Sofort rächte sich diese Blauäugigkeit. Der HC Lugano musste in der Folge einige Spiele mit einer improvisierten Abwehr bestreiten. Dabei musste man auch auf die Dienste von Junioren zurückgreifen, welche noch nicht bereit für die National League A waren. So kam Michele Zanatta, der Sohn von Headcoach Ivano Zanatta, zu seinem Debüt. Dieser spielte in den Junioren mehrheitlich Stürmer, wurde aber, durch die Personalnot, als Verteidiger eingesetzt.

Niedergang folgte mit Abgang Hentunens

Nicht genug der Probleme mit den Verletzten. Es folgten die ersten Gerüchte über eine grosszügige Offerte an Jukka Hentunen aus Russland. Der finnische Topscorer Hentunen solle, laut Informationen des Tessiner Radios, erst nach und nach von dieser Offerte erfahren haben. Anders der Verwaltungsratspräsident Rossi und Sportchef Jörg Eberle. Das Duo habe sich mit den Russen aus Kasan schon geeinigt gehabt, bevor diese die Offerte an Hentunen weitergeleitet haben. Dabei wurde nicht nur der Spieler, sondern auch die Trainer überrascht. Die beiden Verantwortlichen Rossi und Eberle hatten den Deal hinter dessen Rücken eingefädelt. Zanatta hätte wohl den wichtigsten Spieler seines Teams auch nie hergegeben, doch da die Verträge unterzeichnet waren, musste er sich fügen. In diesen Verträgen war auch die Ablösesumme geregelt, welche dem HC Lugano den einen oder anderen nicht budgetierten Franken in die Kasse spülte. Allgemein wurde nun erwartet, dass die Führung in Lugano einen guten Ersatz für Hentunen holen würde. Doch es kam anders. Die ersten zwei Spiele nach dem Abgang des Finnen musste die Mannschaft mit drei Ausländern bestreiten.

Dan LaCouture - Ärgernis auf Kufen

Das Erstaunen war denn auch gross als man Dan LaCouture verpflichtete. Diese Verpflichtung war denn auch nur von kurzer Dauer und ein Ärgernis für alle Beteiligten. Gerade einmal 16 Spiele bestritt der Kanadier bisher im Dress der Südtessiner. Doch nicht nur diese Tatsache hinterliess einen fahlen Beigeschmack. Desweiteren konnte der untrainierte Kanadier nie der Scorer werden, als den ihn seine Gönner gerne gesehen hätten. Ein Blick in die Scouting-Berichte und in die Scorerleistungen seiner letzen Jahre hätten viele Fragen geklärt. Doch dazu bemühte man sich offensichtlich nicht. Man war dermassen von den Fähigkeiten von LaCouture überzeugt, das man gerne den Unmut der Fans auf sich zog. Dazu gesellte sich das Problem, dass er dem Team nicht weiterhelfen konnte und allen Spielen zusammen ein Tor erzielte. Doch auch dies nur dank der gütigen Mithilfe des EHC Basel, welcher in diesem Spiel den Torhüter durch einen sechsten Feldspieler ersetzten. Dazu gesellte sich ein Assist. All diese Probleme zwangen die Trainer zu Umstellungen in den special Teams. Die funktionierenden Blöcke der letzten Jahre mussten auseinander gerissen und neu formiert werden. So erstaunte es denn nicht, dass die einzelnen Spieler immer mehr Mühe bekundeten, ihr gewohntes Niveau abzurufen. Dass dies alles in der laufenden Saison geschehen musste und nicht in den Vorbereitungsspielen, schien den verblendeten Funktionären gleich zu sein.

Weiterer Geniestreich: Rossi brachte Tourist

Dann folgte der nächste Geniestreich des Präsidenten Rossi. Unter Druck musste er unbedingt einen grossen Namen nach Lugano holen. Da bot sich Anson Carter, der auf dem Markt war, an. Rossi informierte sich in Nordamerika über Carter. Doch die Antworten von dort liessen zu Wünschen übrig. Trotzdem setzte sich Rossi durch und verpflichtete den Kanadier. Dass Anson Carter aber ohne grosse Spielpraxis in die laufende Saison einstieg und zuvor mit einer Gehirnerschütterung zu kämpfen hatte, liess den umtriebigen Präsidenten kalt. In den ersten drei Spielen schien es, dass der Kanadier der Mannschaft etwas bringen könnte, verliess man doch alle Spiele als Sieger. Das stellte sich aber als Strohfeuer heraus. Carter war in der Folge nicht mehr gewillt, hart an sich zu arbeiten, um eine akzeptable Kondition zu erreichen. Dazu gesellte sich noch das Verletzungspech und mit dem Trainerwechsel von Kent Ruhnke zu John Slettvoll war der Kanadier nicht mehr erwünscht und wurde meistens als überzählig aufgeführt.

Aebischer für Züger - Erfolg blieb aber aus

Ende November gelang es schliesslich, David Aebischer nach Lugano zu holen. Simon Züger, der seine Chance in Lugano verspielt hatte, wurde nach Basel transferiert, zum ersten Playout-Gegner. Im ersten Spiel mit David Aebischer verlor man unglücklich im Penaltyschiessen gegen Genf-Servette. Danach folgte eine erste Mini-Krise, in der die Tessiner während drei Spielen kein Tor schossen. Dies war angesichts der vielen Absenzen und der Tatsache, dass einige Spieler auch gesundheitlich nicht auf der Höhe waren, nicht weiter verwunderlich. Dennoch spitzte sich die Lage zu. Und die Herren Rossi und Eberle schauten weiter zu und unternahmen zu wenig, um Gegensteuer zu geben. Der traurige Höhepunkt des Missmanagements war die Entlassung von Ivano Zanatta. Diese erfolgte nach der 0:1-Niederlage in der Resega gegen Ambrì. Dies, obwohl der HC Lugano in diesem Derby mit nur drei Ausländern und einigen geschwächten Spielern antrat. Eigenmächtig entschied Präsident Rossi, dass die Zeit von Zanatta als Head Coach abgelaufen sei. Dies im Wissen, dass die Mehrheit der Mannschaft hinter dem Trainer stand, war nicht dieser nicht nur Trainer sondern auch eine Vertrauensperson für die meisten Spieler. Als Jeannin, Captain der Tessiner und der Schweizer Nationalmannschaft, Zanatta verteidigen wollte, lautete die Antwort von Rossi zweimal "jetzt rede ich, du hast nichts zu sagen!"

Rossis Überheblichkeit - Eberles Untätigkeit - Jeannins Unterschrift

Mit der Freistellung Zanattas beging Rossi einen gravierenden Fehler. Erstens schickte er mit Zanatta denjenigen weg, welcher Kontakte und Fachkenntnisse hat, die weder der Präsident noch Sportchef Eberle haben. Auch war Zanatta ein Sympathie-Träger für den ganzen Club, darüber hinaus führte er die Mannschaft in der vorhergehenden Saison, obwohl er nur verlieren konnte, auf den vierten Platz in der regulären Saison und erreichte den dritten Rang im European Champions Cup. Jedoch störte es Rossi offenbar, dass ihm jemand vor der Sonne stand. Anstelle Zanatta die Chance zu geben, mit der kompletten Mannschaft zu arbeiten und die Spieler in die Verantwortung zu nehmen, brachte er Kent Ruhnke nach Lugano. Als ersten Effekt erreichte Rossi damit, dass Jeannin einen Vertrag bei Fribourg-Gottéron unterschrieb. Dies trotz den Signalen Jeannins, welcher vor mehr als einem Jahr sagte, dass er gerne in Lugano bleiben wolle. Offenbar befand es Rossi für unnötig, einen der Schlüsselspieler des HC Lugano weiter zu verpflichten und liess den Allrounder ohne grosse Gegenwehr ziehen. Doch das Schlimmste war, dass Jörg Eberle in der ganzen verfahrenen Situation nicht reagierte. Ist es dem ehemaligen Captain der Bianconeri entgangen, dass Jeannin ein wichtiger Puzzlestein in der Mannschaft ist?

Ruhnkes Ego zu gross - Scheitern war programmiert

Von Anfang an stand Ruhnke auf verlorenem Posten. Er war der falsche Mann am falschen Ort, weil die meisten Spieler Zanatta nachtrauerten, der ihnen viel Eigenverantwortung übertrug. Ruhnkes konservative Strategie passte nicht zum Stil des HC Lugano. Dennoch schlug der HC Lugano im ersten Spiel unter Ruhnke den EHC Basel mit 1:0. Doch die Leistung war indiskutabel schlecht. Die nächste Schlappe folgte auf dem Fuss. Eine 0:4 Schlappe gegen die ZSC Lions im Hallenstadion war die Folge. Es folgten zehn Tage Pause, in der Ruhnke Zeit hatte, die Mannschaft gut vorzubereiten. Trotzdem verlor man zu Hause, nach einer desolaten Leistung, mit 0:1 gegen die Rapperswil-Jona Lakers - eines der Schlüsselspiele um die Playoff-Qualifikation. Nun folgte eine Achterbahn der Gefühle für die Spieler des HC Lugano. Der 2:1-Sieg nach Verlängerung gegen die Kloten Flyers sollte, nach einer akzeptablen Leistung, das Umfeld beruhigen. Doch bereits am nächsten Tag war von dem allem nichts mehr zu spüren. Im Spiel gegen Fribourg-Gottéron zeigte sich, wie viel Unruhe von aussen in die Mannschaft getragen worden war. Dies manifestierte sich darin, dass Steve Hirschi, nach fünf Sekunden Spielzeit, sich zu einem Foul hinreissen liess und eine Matchstrafe kassierte. Nach 40 Minuten und einem 0:5-Rückstand war das Spiel entschieden. Trotzdem hielt man in Lugano an Ruhnke fest. Nach der erneuten zehntägigen Pause verlor man zu Hause unglücklich und knapp gegen den EV Zug. Einen Tag später gewannen die Bianconeri gegen einen dezimierten HC Davos mit 2:1 nach Verlängerung. Dennoch folgte der nächste Rückschlag auf dem Fuss. Zu Hause liess man sich von den SCL Tigers vorführen und verlor widerstandslos 0:5, notabene der erste Sieg der Langnauer seit 1973 in der Resega!

Geo Mantegazza schreitet ein

Nach dieser Niederlage hatte Alt Verwaltungsrat und Dauermäzen Geo Mantegazza des HC Lugano genug. Er zog die Notbremse und entliess Ruhnke. Dafür kehrte ein alter Bekannter in die Resega zurück. John Slettvoll, der Magier der 80-er Jahre und der Baumeister des "Grande Lugano". Mit ihm kehrte die nötige Ruhe in die Mannschaft zurück, welche ihn, dank seines Charismas, akzeptierte. Und siehe da, der HC Lugano gewann die ersten vier Spiele mit Slettvoll an der Bande. Mit dabei bei diesen Erfolgen war Jonas Höglund, welcher aus Färjestad zum HC Lugano wechselte. Nur Tage später wurde der finnische Stürmer Toni Häppölä verpflichtet, welcher bei seinem Debüt, der 2:3 Niederlage nach Verlängerung gegen Zug, mit zwei Assists seinen Einstand gab. Weitere Rückschläge sollte es aber auch unter Slettvoll geben. Die kommenden drei Spiele verlor man alle. Gegen den HC Davos, notabene zu Hause, kostete ein 5-minütiger Blackout vier Gegentore. Das Schlüsselspiel in Langnau, in welchem man früh zwei Tore in Unterzahl kassierte, war nur die logische Folge. Die Ruhe war weg und mit zwei individuellen Fehlern konnten die SCL Tigers zwei weitere Tore erzielen. Die Aufholjagd in der restlichen Spielzeit war umsonst. Gegen den souveränen Leader Bern kassierte man in weniger als 30 Sekunden zwei Tore, konnte noch einmal zum 3:3 ausgleichen. Am Ende stand man wieder mit leeren Händen da. Spätestens nach dem 4:3-Sieg nach Verlängerung gegen Ambri war allen klar, dass es sehr schwer werden würde, sich für die Playoffs zu qualifizieren. Doch auch im letzen Spiel der letzen Chance konnten die Südtessiner nicht überzeugen und mussten eine bitteres Spiel in Fribourg hinnehmen. Zwei Aussetzer von Cantoni und die zwei Gegentore von Sprunger liessen auch die letzten theoretische Chancen auf die Playoff-Qualifikation Luganos in der Luft auflösen. Der 3:2-Sieg nach Verlängerung war ein Punkt zu wenig.

Und nun?

Nach dieser katastrophalen Saison sollten personelle Konsequenzen folgen. Der Verwaltungsratspräsident Rossi muss sich in seinem ersten Jahr vorwerfen lassen, als Hansdampf in allen Gassen aufgetreten zu sein. Er wollte sich um alles kümmern, liess dabei aber seinen Job als Präsident verwaisen. Desweiteren vertraute er den falschen Leuten. Zu blind ergab er sich Sportchef Eberle. Mit unsinnigen Personalentscheiden brachte das Duo Rossi/Eberle es fertig, soviel Unruhe in die Garderobe zu bringen und die Mannschaft in ihren Gleichgewichten zu stören, dass der erstmalige Fall in die Playouts Tatsache wurde. Auffallend war, dass Rossi glaubte, man könne einen professionellen Eishockeyverein wie an einer Playstation führen, in welchem man wahllos Spieler verkauft und zukauft. Doch ohne nötige Logik ist dem nicht so.

Die Planung läuft auf Hochtouren

Trotz aller Kritik an den beiden Führungsmännern konnte man doch den einen oder anderen Erfolg neben dem Eis verzeichnen. Auf die neue Saison hat man sich mit Romano Lemm, Hnat Domenichelli, Brady Murray und mit der zu erwartenden Rückkehr von Petteri Nummelin gut verstärkt. Dies ist jedoch nur ein Teil des Puzzles, das zur Rückkehr des HC Lugano in Richtung nationale Spitze führen soll. Wichtig ist auch die Verpflichtung eines ausgewiesenen Trainers, der weiss, wie man einen solchen Klub mit diesen Ambitionen führen kann. Zudem sollte sich der HC Lugano überlegen, eine technische Kommission zur Verfügung zu haben, welche mit dem Trainer eng zusammenarbeitet. Andererseits kann diese Langzeit-Strategien entwickeln und mit einem aktiven Scouting-System den einen oder anderen Juwel entdecken. Nur so kann man erreichen, dass Trainer und Mannschaft in Ruhe arbeiten können und wieder bessere Zeiten in die Resega zurückkehren werden. Denn ein starkes Lugano ist im Interesse der Liga und der Fans.