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Aufgeschoben, aber nicht aufgehoben: Die Ligaqualifikation Lausanne-Basel

Von Martin Merk

Vor zwei Jahren noch hätte man sie schon erwartet: Die Ligaqualifikation zwischen dem NLA-Dauerzwölften Lausanne HC und dem säbelrasselnden B-Ligisten EHC Basel. Nun kommt es doch noch zum Duell um alles oder nichts.

Jenes Säbelrasseln in Form eines hohen Budgets und sehenswerter Transfers vor zwei Jahren machte einigen schlecht klassierten NLA-Clubs damals wie heute Angst und Bange. Wir kennen die Geschichte: Die NLA-Clubs verweigerten das Abstiegs-Playout und mussten den NLB-Meister Basel zwangsweise als dreizehnten Club aufsteigen lassen. Dem Aufsteiger hatte man so gleichzeitig den Markt für allfällige Schweizer Verstärkungen leerfegen können durch diese Aufstockung und bei der Verpflichtung von ausländischen Spielern hatte der Club gleich von sich aus versagt. Auch 2004 waren so die Rankings gleich: Lausanne war die Nummer 12 der Schweiz, Basel die Nummer 13 und stieg durch die Rück-Reduktion wieder ab wo es her kam. Nicht, dass sich die Basler nicht gegen Lausanne durchgesetzt hätten: In den sechs Direktbegegnungen der vergangenen Saison siegten die Basler vier Mal, die Lausanner nur zwei Mal, das Torverhältnis endete mit 19:12 zu Gunsten des Absteigers. Doch damals zählten diese Siege nicht: In der "Ausnahmesaison" 2003/04 zählten sämtliche Spiele der gesamten Saison und nicht Playouts wie üblich. So stieg Basel in der letzten Runde nach einer letztlich erfolglosen Aufholjagd ab. Und auch ein Jahr später belegte Lausanne wiederum Rang 12, die Basler wurden wiederum NLB-Meister - das nächste Duell steht damit an. Sollte es also zwei Jahren nach dieser kurzsichtigen Aufstockung tatsächlich doch noch zur erwarteten waadtländisch-baslerischen Ligaqualifikation kommen? Nun, wir haben 20 Stunden bis vor Spielbeginn gewartet mit diesem Artikel und es gab keine Anzeichen einer Absage. Die Spiele können also beginnen - und das ist im Schweizer Eishockey nicht selbstverständlich, wenn es um einen möglichen Absteiger geht.

Für beide Clubs geht es um das nackte Überleben. Das zeigte der Lausanne HC bereits im Vorfeld dieser Serie: Schon vor Playout-Beginn in der Nationalliga A plädierte man mit anderen Clubs - allen voran den Nachbarn Fribourg - für einen Klassenerhalt auf dem grünen Tisch durch eine Ligaschliessung und/oder eine Aufstockung. Im Playout-Finale gegen Fribourg gingen die Nerven dann definitiv verloren: Aus einer Zeitungsprognose der Freiburger Zeitung "La Liberté", wonach der Topscorer und Hitzkopf Eric Landry speziell provoziert werden soll, leitete der Lausanne-Trainer Bill Stewart Verletzungsabsicht und entsprechende Zitate des Trainers Mike McParland her. Nachdem Stewart in Spiel 1 Attacken feststellen konnte, brachte er seine Angst um Landry vor Spiel 2 mit Plakaten an die Schiedsrichter-Garderobe an und in Spiel 3 wurde Landry schliesslich tatsächlich verletzt nach einem harten Check von Jeff Shantz. Nicht das erste Mal fiel Stewart als spezieller Trainer auf: In der DEL täuschte er einst eine Herzattacke vor um Zeit zu schinden, in die USA wollte er einst ausländische Spieler von Kanada aus schmuggeln und wurde mit einem Einreiseverbot sanktioniert, das ihn nach Europa führte. Für seine Plakataktion blieb er straffrei: Der Einzelrichter hielt fest, dass Schiedsrichterbeeinflussung weder mündlich noch schriftlich reglementwidrig sei. Kaum straffrei bleiben dürfte jedoch das Senden eines retouchierten Fotos von Eric Landry an die Medien, als man Fribourg bei der Verletzung Landrys in der Medienmitteilung hart attackierte und gar die Streichung der Playouts forderte. Der Club beteuert zwar, dass eine externe Person das Foto manipuliert und ihnen zugespielt habe, scheint aber nicht gewillt zu sein, diese Behauptung zu beweisen. Der Lausanne HC ist also auch mit seiner neuen Clubführung für Skandale und Trainerwechsel gut. Und selbst dass Eric Landrys Karriere wirklich in Gefahr sein soll wie vom Club publiziert, bleibt anzuzweifeln. Ein Comeback in der Ligaqualifikation würde bei all den Geschichten nicht mehr überraschen.

Ist der Lausanne HC trotz allem Favorit? Einige Wettanbieter sehen die Waadtländer mit tiefen Quoten vorne, andere wiederum den EHC Basel. Die Hockey-Experten sind geteilter Meinung über den möglichen Ausgang. Die Waadtländer können das auf dem Papier besser besetzte Team für sich beanspruchen, ist ihr Budget mit sieben Millionen Franken doch um rund zwei Millionen Franken höher als jenes ihrer Kontrahenten. Sie haben ausserdem den deutlich höheren NLA-Rhythmus in den Knochen. Doch der LHC müsste das Kunststück vollbringen, aus einem Verlierer-Team ein Gewinner-Team zu machen - aller Unstimmigkeiten in der Clubführung und mit dem Trainer zum Trotz. Keine einfache Angelegenheit, denn von den letzten zwanzig Spielen gewann man bloss deren zwei, beide in den Playouts.

Anders der EHC Basel: Er hat zwar nach dem Abstieg 2004 das Budget auf fünf Millionen Franken gekürzt, damit aber wohl mehr herausgeholt als ein Jahr zuvor mit mehr Geld. Es handelt sich auch so immerhin um das zweitteuerste NLB-Team der Geschichte nach der Aufstiegsmannschaft von Genf-Servette 2002. Die Mannschaft funktioniert und ist mit positiver Stimmung eingespielt, hat so ein komplett anderes Gesicht als im Vorjahr. Ihr fehlte einzig eine gute Vorbereitung auf die Ligaqualifikation hin. In der Nationalliga B hatte man es selbst im Playoff-Finale zu einfach. Die letzten 14 Spiele in Serie hat der EHC Basel so gewonnen. Den NLB-Meistertitel ungeschlagen mit drei "Sweeps" in den Playoffs erreicht - auch das schaffte zuvor nur Genf-Servette. Die letzten erstklassigen Gegner - aus der NLA, der DEL, Tschechien und Russland - hatte man noch im Spätsommer. In der Vorsaison mussten sich die Spieler vom Meistertrainer Kent Ruhnke bereits gegen Höherklassige aufopfern und Erfahrungen sammeln - oft mit Bravour und in Hinblick auf diese Ligaqualifikation. Nun steht das nächste Ziel an: Gegen den Letzten der höherklassigen NLA mehr als nur mitzuhalten und wie vor einem Jahr eine positive Bilanz zu erkämpfen. Trotz allem keine einfache Aufgabe bei diesem ungleichen Duell.

Denn wie gross der Unterschied vom schwächsten NLA-Club Lausanne zu einem guten NLB-Club ist, zeigten die Waadtländer im Vorjahr Biel vor, das alle vier Spiele der Ligaqualifikation verlor. Doch Basel hat die NLB dominiert und nahezu ein NLA-Team unterhalten. Kaum ein Kaderspieler musste sich mit Arbeit neben dem Sport den Lebensunterhalt abverdienen wie sooft in der NLB. Lausanne darf ein anderes Kaliber erwarten als Biel im Vorjahr. Und wer nun Favorit ist? In der Waadtländer Presse ist man pessimistisch und sieht in Basel eine grosse Gefahr. In Basel dagegen hat man grossen Respekt vor dem NLA-Club und dem Modus, der einen Aufstieg eher verhindern als fördern soll. Da die NLA-Clubs das Sagen haben, wer aufsteigen soll und wer nicht, hat der NLB-Club ab dieser Ligaqualifikation nicht einmal mehr den Heimvorteil für sich. Und man beklagt sich in Basel auch, dass nach NLB-Playoffbeginn sie keine Schweizer Spieler mehr verpflichten durften, Lausanne sich dagegen bei ausgeschiedenen NLB-Clubs nach Belieben bedienen durfte. So spielt etwa mit Michaël Neininger ein NLB-Topstürmer mit Lausanne gegen Basel, der bereits das NLB-Viertelfinale mit La Chaux-de-Fonds gegen die Basler bestritt. Eine Situation, wie sie das Schweizer Eishockey einmalig macht, um die positiven Aspekte hinter diesem Modus zu sehen.

Eines ist aber klar: Wer verliert, dem droht grosses Ungemach. Der Lausanne HC hat erst gerade wieder einen Neustart versucht. Die neue Clubführung, welche auf Druck der Fans und Presse die alte Clubführung der Mehrheitsaktionäre um Pierre Hegg ablöste, stiess dabei auf Chaos und konnte daran noch nicht viel ändern. Mit dem vor einem Jahr verpflichteten General Manager Silvio Caldelari hat man sich zerstritten, den eingestellten Trainer Gary Sheehan musste man im Laufe der Saison entmachten und der neue Trainer Bill Stewart scheint in der Mannschaft und im Umfeld auf wenig Gegenliebe zu stossen. Ein Abstieg wäre die Krönung im negativen Sinne und es ist kaum abzusehen, wie ein solcher enden würde. Von der NLA-Bildfläche wäre man womöglich für einige Jahre verschwunden, weil ein Aufstieg derart umständlich ist. Und dies, obwohl man nach Bern und Zürich das grösste Fanpotential der Schweiz hat - jedoch über Jahre nicht zu sportlicher und finanzieller A-Klassigkeit ausnutzen konnte. Doch der Club ist auch ausserhalb von Lausanne beliebt - sieht man einmal von den Skandalen, insbesondere der Foto-Manipulation - ab, welche auch in der Ligaversammlung Sympathien gekostet haben dürfte. Sollte der LHC sportlich absteigen, scheint eine Aufstockung der Liga auf 13 oder 14 Mannschaften aber trotzdem so gut wie beschlossen zu sein.

Auch in Basel könnte eine Niederlage böse, wenn nicht sogar bösere Konsequenzen haben, auch wenn es diesbezüglich noch ruhig ist. Klar ist: Der "Hockey-Förderer" Rudolf Maag wird seine Geldbörse künftig nicht mehr für den Club öffnen. Er hatte dies für in paar Jahre machen wollen und hat dies nun getan - zum letzten Mal während dieser Saison. Im Falle eines Aufstiegs in einer 12-er-Liga ständen die Chancen jedoch nicht schlecht, auch ohne ihn den Sprung in sportlicher und finanzieller Hinsicht zu einem NLA-Club zu schaffen. Der Spielermarkt wäre lukrativer denn je in den vergangenen Jahren für einen Aufsteiger und mit einer schlagkräftigen Mannschaft liesse sich auch ein akzeptabler Zuschauerschnitt erreichen im Gegensatz zur schwierigen Situation in der vergangenen Saison. Sollten die Basler sportlich aufsteigen und die Liga würde aufgestockt, sähen die sportlichen Möglichkeiten dagegen deutlich schlechter aus. Die NLA-Clubs hätten es somit Ende April in der Hand, den ihnen ungeliebten Club Basel die rosigen, sportlichen Ressourcen durch eine Aufstockung wieder wegzunehmen. Denn im Gegensatz zu einem Lausanne, das auf einem grünen Tisch nachrücken könnte, hätte Basel noch keine NLA-Mannschaft unter Vertrag. Sollte der EHC Basel den sportlichen Aufstieg dagegen nicht erreichen, bräuchte er sich keine Hoffnungen auf eine Ligavergrösserung zu machen und könnte mit der NLB planen. Denn die Meinungen über Sinn und Unsinn einer NLA-Aufstockung hängt jeweils nur davon ab, wer abstiegsgefährdet ist. Und die Basler gehören nicht zu jenen elf bis zwölfs Clubs mit Lobby in der NLA. So hatte sich etwa Fribourgs Direktor Roland von Mentlen, der mächtige Lenker unter den NLA-Vertretern, in den vergangenen Jahren gegen derartige Pläne eingesetzt - seit dieser Saison befürwortete er sie, nachdem Fribourg lange in Abstiegsgefahr schwebte. Ein Nicht-Aufstieg wäre wohl eine heikle Angelegenheit in Basel: Denn NLB-Eishockey wollen dort nur wenige Leute sehen - nicht viel mehr als schon zu 1. Liga-Zeiten auf die alte Kunsteisbahn St. Margarethen kamen. Und ohne Mäzen lässt sich eine NLB-Spiztenmannschaft kaum finanzieren. NLA-Pläne, wie man sie auch schon Mitte der Achziger-Jahre hatte und damals scheiterte, wären wohl über Jahre begraben beim früheren Traditionsclub. Denn seit dem Abstieg 1963 blieben sämtliche Versuche, wieder an die besten Zeiten eines NLA-Spitzenclubs heranzukommen, mit weniger Erfolg, aber umso mehr finanziellen Wagnissen bestückt. Professioneller Teamsport blieb so in der Nordwestschweiz über Jahrzehnte dem Fussball und dem FC Basel überlassen. Mit dem Aufstieg, den sich die Basler inoffiziell zum Ziel setzen, wollen sie diese Einseitigkeit wieder etwas zu ergänzen versuchen.

Die Karten und Zukunftsaussichten sind also verteilt. Nun kann der mit Spannung erwartete Auf-/Abstiegskampf beginnen und neben dem NLA-Finale einen zweiten Saisonhöhepunkt bringen. Zwei Jahre, nachdem man dieses Szenario noch gestrichen hatte.




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