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Interview mit der Gottéron-Legende und neuem ZSKA-Moskau-Trainer Wjatscheslaw "Slawa" Bykow

Am 4. Juli 1990 änderte der ZSKA-Stürmer Wjatscheslaw Bykow sein ganzes Leben - an diesem Tag reiste der zweifache Olympiasieger und fünffache Weltmeister in die Schweiz ab, um für zukünftig für Fribourg-Gottéron zu spielen. Er prägte als Spieler acht Jahre Clubgeschichte von Fribourg-Gottéron, stürmte während zwei Jahren für Lausanne und kehrte als Junioren- und Assistentstrainer nach Fribourg zurück. Wer hätte gedacht, dass nach er nach vierzehn Jahren wieder zu ZSKA Moskau, wo er als Spieler in acht Saisons sieben Meistertitel holte, zurückkehren würde, jedoch in die Rolle des Cheftrainers? Die Mannschaft befindet sich vor der Abreise nach Finnland, wo für die neue Saison trainiert und physische Tests durchgeführt werden.

Interview von Wladimir Rausch von der Zeitung "Gazeta", Übersetzung durch hockeyfans.ch



Wie ist die Rückkehr genau entstanden?
Mitte April hat mich der Vizepräsident des HK ZSKA Moskau, Waleri Guschtschin, angerufen und gebeten, für ein Treffen mit der Clubführung nach Russland zu fliegen. Bezüglich des Inhalts des Gesprächs hatte er nur gesagt, dass es um eine mögliche Zusammenarbeit gehen würde. Die Idee, Cheftrainer der ersten Mannschaft zu werden, ist dann im Laufe des Gesprächs in Moskau rübergekommen.

Haben Sie sofort zugestimmt?
Die Verhandlungen waren in Etappen. Im ersten Gespräch wurde mir das Amt des Cheftrainers angeboten und Zeit zum Nachdenken gegeben. Danach gab es noch weitere Treffen in Moskau. Allmählich hatten wir über alle Fragen zu sprechen begonnen und uns geeinigt.

Warum fiel die Wahl gerade auf Sie?
Das müssten Sie besser der Clubführung fragen. Guschtschin hat mir erklärt, dass die Clubführung mich wollte.

Stimmt es, dass auch Viktor Tichonow für Sie eintrat?
Vor der Zusage sprach ich mit ihm. Er hat sich bereit erklärt, mir für mein Amt Hilfe zu leisten.

War es nach fünfzehn Jahren in der Schweiz nicht schwierig, sich für die Rückkehr nach Moskau zu entscheiden?
Natürlich. Ich wusste, welche riesige Verantwortung ich auf mich nehmen würde. Für den Klub und für seine grosse Geschichte. Im Allgemeinen ist es ein seltsames Gefühl: Einerseits ist dieser Club eine sehr grosse Aufgabe für mich, andererseits weiss ich, dass die Fortführung nun auch von mir abhängt.

Ihre Frau hatte wahrscheinlich einen hysterischen Anfall…
Selbstverständlich nicht, wir unterbrachen niemals den Kontakt mit der Heimat. Kurz nach der Ankunft in die Schweiz hatte ich eine Satellitenschüssel gekauft, um das russische Fernsehen zu empfangen, wir reisten jedes Jahr nach Moskau. Dass einige Probleme mit der Rückkehr nach Moskau entstanden sind, möchte ich aber nicht verbergen. Die Kinder gehen in der Schweiz zur Schule und sind zusammen mit meiner Frau geblieben. Jetzt müssen wir uns gewöhnen, getrennt zu leben. (betrübt lächelnd)

Werden Sie die Familie oft besuchen?
Das Fragen auch die Freunde in der Schweiz: "Wenn du frei hast, kommst du sofort zu uns?" Ich kann jetzt aber noch nicht richtig planen. Ich sollte die ganze Zeit bei der Mannschaft sein. Möglicherweise werde ich erst nach dem Saisonende in die Schweiz reisen.

Ist es nach fünfzehn Jahren im Ausland nicht schwierig ist, in die russische Realität zurückzukehren?
Es ist am kompliziertesten, sich an die Moskauer Umgebung zu gewöhnen. In der Schweiz bis du innert vier Stunden durch das ganze Land und in Moskau nur wenige Kilometer weit gefahren. Deshalb bemühe ich mich jetzt möglichst in der Nähe des Clubs zu sein.

Die Vorbereitung mit den Spielern im Westen und in Russland unterscheidet sich stark. Von welchen Methoden werden Sie Gebrauch machen?
Es wäre ideal, die goldene Mitte zu finden. Ich möchte die Erfahrungen, die im Ausland angesammelt ist, ausnutzen, aber ich will nicht von den Traditionen der sowjetischen Schule weggehen. Umso mehr, als sie immer als die beste der Welt galt.

Konkret: Werden die Spieler vor den Heimspielen sich auf der Militärbasis versammeln wie üblich oder dürfen sie wie im Westen in ihren Häusern übernachten?
Ich besprach diese Frage mit Viktor Tichonow und habe gesehen, dass bis jetzt passend mit der Mannschaft gearbeitet wurde. Am Tag vor dem Spiel werden sich die Spieler auf der Basis und nach dem Spiel zu Hause aufhalten. Im Allgemeinen möchte ich die Leute nicht eingeschlossen halten. Ich bin überzeugt: Die Spieler können auch in guter Form sein, wenn sie zu Hause sind. Ich hoffe, dass wir deshalb allmählich zu diesem System übergehen können.

Und wie werden Sie die Spieler anreden? Mit dem Vornamen wie in der Schweiz, oder nach russischen Manieren mit dem Vornamen und Vatersnamen?
Auch diese Frage wurde diskutiert und wir haben entschieden, die Traditionen nicht zu ändern. Natürlich, ist es mir gewohnter, wenn man nur die Vornamen benutzt. In Westen ist es allgemein viel simpler: Dort können die Spieler dem Trainer einfach "du" sagen.

Ist dies mit Andrej Nikolischin, den sie als Spieler kannten, nicht anders?
Andrej ist ein sehr intelligenter Mensch und versteht unsere aktuelle Situation. Im privaten Gespräch reden wir in einer Art, im Team in einer anderen.

Viktor Tichonow war mit den Spieler sehr hart: Er konnte schreien, dass die Spieler schockiert waren. Wie wird die Beziehung zwischen Ihnen und den Spielern sein?
Verschiedene Situationen fordern verschiedene Beziehungen. Ich gehe gerne individuell auf die Spieler zu, die Art hängt dabei vom Spieler ab. Man muss die Leute zuerst durchschauen um zu wissen, welche Methode man später nutzen möchte.

Sie beeindrucken als ruhiger, ausgeglichener Mensch. Es ist schwer sich vorzustellen, dass Sie auf jemanden losschreien könnten...
Als ich Spieler war, gewöhnten wir uns an, auf Provokation von Gegnern nicht zu antworten, Schläge einzustecken um Strafen gegen die Mannschaft zu vermeiden. So leitete sich auch mein Verhalten her. Wenn jemand nervös wird, ist er nicht weitsichtig genug, das kann für einen Trainer gefährlich sein.

Sind Sie mit den Transfers von ZSKA in der Sommerpause zufrieden? Ich habe bei meiner Ankunft einen Wunsch ausgesprochen: Den Torhüterposten zu verstärken. Dusan Salficki, der zu Sewerstal Tscherepowez gewechselt hat, war für die Mannschaft mehr als die berüchtigten 50 %. Meine Wünsche wurden mit Alexander Fomitschew (Sibir Nowosibirsk) und Jiri Trvaj (Lada Togliatti) erfüllt. Es ist sehr wichtig, dass wir den Vertrag mit Andrej Nikolischin (Colorado Avalanche) unterschrieben haben.

Drückt Viktor Tichonow von seiner Autorität her nicht allzu sehr?
Unsere Rollen sind klar verteilt. Alles bezüglich der Mannschaft, dem Spiel und dem Training liegt in meiner Verantwortung. Solche Beschlüsse werden von mir und meinen Assistenten gefällt. Der Rest von Viktor Wasilewitsch (Tichonow). Er ist wie auch der Präsident immer auf dem Laufenden, was innerhalb der Mannschaft geschieht. Und wenn es nötig ist, steht er mit vernünftigen Ratschlägen bereit.

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